Wie stimmte Kind für Hannover 96? DFL sieht Investorenbeschluss "rechtmäßig", Kind gibt keine konkrete Auskunft
Die DFL hat bekräftigt, dass der Beschluss zum Einstieg eines Investors in die Geschäfte des Ligaverbands "wirksam und rechtmäßig gefasst" worden sei. Ein möglicher Verstoß durch Geschäftsführer Martin Kind von Hannover 96 gegen die Weisung des Muttervereins sei Sache des Klubs. Eine Auskunft über sein Stimmverhalten gibt Kind weiter nicht.
Die Abstimmung am Montag (11.12.2023) sei geheim gewesen, wodurch gar nicht nachvollziehbar sei, wer wie abgestimmt hat, teilte die DFL mit. "Bei einer geheimen Abstimmung sind keine Ableitungen auf das individuelle Stimmverhalten möglich", so die DFL. Alle abstimmenden Personen seien zum Zeitpunkt der Abstimmung für ihren jeweiligen Klub vertretungsberechtigt gewesen, schrieb die DFL. Damit sei der Beschluss "wirksam und rechtmäßig gefasst".
Mutterverein: Kind ist "nicht auf die konkreten Fragen eingegangen"
Martin Kinds Stimme war möglicherweise entscheidend. Mit 24 "Ja"-Stimmen gab es auf die Stimme genau die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Mutterverein hatte Kind angewiesen mit "Nein" zu stimmen. Da bereits über zehn Klubs Informationen oder Bestätigungen zu ihrer Ablehnung des Investoreneinstiegs vorliegen, bleibt die Annahme, dass Kind entgegen der Weisung mit "Ja" gestimmt hat.
Der Mutterverein habe Kind um Auskunft über sein Stimmverhalten gebeten, sagte Sebastian Kramer, Vorstandsvorsitzender des Hannover 96 e. V., im Gespräch mit der Sportschau. Inzwischen habe der Geschäftsführer geantwortet, sei aber "nicht auf die konkreten Fragen eingegangen", teilte der Mutterverein am Donnerstag (14.12.2023) der Sportschau mit. Wie mehrmals zuvor habe Kind darauf verwiesen, dass die Wahl geheim gewesen sei.
Die DFL war laut des Muttervereins am Freitag vor der Abstimmung über die Weisung informiert worden. "Es wurde eine Verschiebung angeregt, sollte nicht nachvollzogen werden können, dass Herr Kind weisungskonform abstimmt", sagte Kramer. Kind und der Verein sind seit Jahren zerstritten. Kramer sagte nun in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: "Ein Geschäftsführer, der entgegen der eindeutigen Weisung des Gesellschafters handelt, ist nicht tragbar."
Kinds Stimmabgabe nicht überprüfbar
Wie genau er abgestimmt hat, weiß nur Kind selbst. Die Abstimmung erfolgte in der DFL auf Wunsch der Gremien geheim mit Stimmzettel und Urne. Kind verwies gegenüber der Sportschau darauf, dass die Abstimmung geheim gewesen sei.
Auch die Tatsache, dass zehn Vereine bekannt sind, die "Nein" gesagt haben sollen, bringe keine Sicherheit, meint Kind in der Bild-Zeitung. "Ob die Vereine, die jetzt erklären, sie hätten mit Nein gestimmt, wirklich so abgestimmt haben, weiß keiner", sagte Kind demnach. In der "Neuen Presse" deutete er an, dem Mutterverein antworten zu wollen, sein Stimmverhalten dabei aber nicht offen zu legen. Gleichzeitig äußerte er sich positiv über die Abstimmung und den möglichen Investorendeal.
Die Geschäftsstelle der Deutschen Fußball Liga (DFL)
DFL: Weisung wirkt nur im Klub selbst
Der Vorgang ist im Zusammenhang mit der 50+1-Regel relevant. Die DFL hatte erst im Oktober 2022 eine Feststellung dazu veröffentlicht: "Maßgeblich für die Einhaltung der 50+1-Regel bei Hannover 96 ist nach Auffassung der DFL, dass der Hannover 96 e. V. als Alleingesellschafter der Hannover 96 Management GmbH weiterhin ein uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Hannover 96 Management GmbH hat." Nun stellt sich der Frage, ob dieses Weisungsrecht bei der Abstimmung zur Anwendung kommen konnte.
Dass Kind bei der Abstimmung als Geschäftsführer der Hannover 96 GmbH & Co. KG möglicherweise gegen eine Weisung des Muttervereins von Hannover 96 gehandelt hat, liegt für die Deutsche Fußball Liga aber nicht in ihrer Verantwortung. Zum aktuellen Vorgang schreibt die DFL, dass Weisungen "ganz grundsätzlich nur im Innenverhältnis eines jeweiligen Klubs" wirken. Das bedeutet aus Sicht der DFL: Die Angelegenheit ist allein Sache von Hannover 96, nicht der DFL. Auch wenn in ihrer Satzung die 50+1-Regel verankert ist.
Die DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel
Verbandsrechtsexperte: DFL-Abstimmung kaum anfechtbar, 96 verstößt aber gegen 50+1
Lars Leuschner, Vereinsrechtsexperte an der Universität Osnabrück, sieht den Beschluss der DFL nicht in großer Gefahr. Man könne zwar die Frage stellen, ob es legitim sei, sich auf einen tolerierten Verstoß gegen die 50+1-Regel zu beziehen. "Ein Missbrauch der Vertretungsmacht erscheint kaum begründbar", sagte er im Gespräch mit der Sportschau. Er käme überhaupt nur in Betracht, wenn fest stünde, dass "alle für den Beschluss stimmenden Vertreter gewusst hätten, dass Kind weisungswidrig handelt".
Kritisch sieht Leuschner allerdings die generelle Struktur bei Hannover 96. Die Weisungsbefugnis des Muttervereins laufe praktisch ins Leere, da "eine Abberufung von Kind gegen seinen Willen ausgeschlossen ist". Der Grund: Ein vierköpfiger Aufsichtsrat müsse bei Verstößen von Kind über dessen Abberufung entscheiden - zwei Vertreter dort kommen aber von Kind, er kann immer eine Patt-Situation herstellen. "Das verstößt meines Erachtens klar gegen die 50+1-Regelung der DFL. Ein faktisch kaum durchsetzbares Weisungsrecht genügt nicht, um den herrschenden Einfluss des Muttervereins sicherzustellen." Eine Abberufung Kinds nahm der Mutterverein 2022 vor, doch Kind wehrte sich gerichtlich zunächst erfolgreich dagegen. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwarte man bald, teilte der Mutterverein mit.
Die 50+1-Regel besagt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt.