Skispringen Philipp Raimund - Hoffnungsträger im Mittelmaß
Philipp Raimund brillierte vor zwei Jahren bei der Vierschanzentournee, feierte im vergangenen Jahr sein erstes Weltcup-Podest und wurde gehypt, doch der große Durchbruch gelang bisher nicht.
Als Pius Paschke beim Auftaktspringen der 73. Vierschanzentournee um einen Podestplatz sprang, fieberte Philipp Raimund längst umgezogen im Auslauf mit. Der 24-Jährige verpatzte seinen Sprung in Oberstdorf völlig, schied als 40. nach dem ersten Durchgang aus.
Die Leistung in seinem Wohnzimmer passte zur gesamten Saison des Allgäuers, der vor nicht allzu langer Zeit als großer Hoffnungsträger im deutschen Skispringen galt. Doch von Top-Leistungen ist Raimund aktuell weit entfernt. Der 14. Platz in Wisla steht als beste Saisonplatzierung. Ansonsten pegelte sich Raimund zwischen Rang 20 und 30 ein. Schon fünf Mal verpasste der starke Abspringer das Finale. Das war ihm in der vergangenen Saison ingesamt nur drei Mal passiert.
Bei der Vierschanzentournee plötzlich im Rampenlicht
Raimund, passionierter Schnurrbartträger, war vor zwei Jahren auf dem besten Weg zum Durchstarter. Bei der Vierschanzentournee 2022/23 erhielt der Newcomer, den damals fast keiner auf dem Zettel hatte, einen Platz im deutschen Aufgebot und lieferte! Sowohl in Oberstdorf als auch in Garmisch-Partenkirchen glänzte Raimund mit den Plätzen 14 und 15. In Innsbruck und in Bischofshofen stach er als 13. und Zwölfter aus einem schwachen DSV-Team hervor.
Raimund galt fortan als Hoffnungsträger für die Zukunft, als einer, der das Zeug für Höhenflüge hat. Was in ihm steckt, zeigte der gebürtige Göppinger vergangenen Saison beim Ski-Spektakel in vier Akten, das er als Gesamtelfter abschloss. Einige Wochen später segelte Raimund in Lake Placid mit Traumsprüngen hinter Stefan Kraft (Österreich) erstmals in einem Einzel auf das Weltcup-Podest. Seitdem wartet "Hille", wie er genannt wird, vergebens auf den nächsten Coup.
Philipp Raimund
Deutlich weniger Larifari
Am Druck kann es nicht liegen. Der aufgeschlossene Raimund ist keiner, der sich unnötig viel Dampf macht. Er braucht eher welchen, erzählte er Ende der vergangenen Saison im Sportschau-Podcast. In den vergangenen Jahren habe er sich oft um gar nichts Gedanken gemacht und sei "ein, zwei Mal" überrascht worden. Das habe sich deutlich geändert.
"Ein gewisser Druck muss sein, damit ich 100 Prozent abrufen kann, aber auch nicht mehr als das", sagte er. Seine Familie spüre ganz gut, wenn er einen "Tritt in den Hintern" brauche. Dies sei im Laufe der vergangenen Jahre aber deutlich besser geworden: "Ich habe das Larifari deutlich mehr in den Schatten gestellt und geschaut, dass ich immer besser werde."
Möglich, dass die Erwartungshaltung und Ansprüche Raimund hemmen. Die sind nach den Erfolgen der vergangenen Saison deutlich gestiegen. Wohl auch bei Raimund, der vor der Saison allerdings tiefstapelte. "Ich schraube meine Ziele zurück, weil man vor jeder Saison nicht weiß, was auf einen zukommt. Man braucht das Momentum und auch das Quäntchen Glück." Er gebe immer 100 Prozent und schaue, jeden Tag besser zu werden, um irgendwann ganz oben zu stehen.
WM-Teilnahme als Ziel
Die Teilnahme bei der Nordischen Ski-WM im Februar in Trondheim sei das Ziel und auch die Olympischen Spiele 2026 peilt Raimund an. Dafür hat er im Sommer die Ernährung umgestellt, er isst jetzt bewusster, trainiert disziplinierter und arbeitet an seiner Spungqualität, "damit die guten Sprünge öfters passieren".
In diesem Winter passt das System (noch) nicht, aber dem "positiven Typen" Raimund dürfte auch die Tatsache, dass er bei seiner Vierschanzentournee-Premiere 2019 in Oberstdorf als 34. besser war als in dieser Saison, nicht aus der Bahn werfen. Es ist ihm zu wünschen, dass der aktuelle Saisonstart wirklich nur ein kleiner Durchhänger ist und der absprungstarke Allgäuer bald wieder zu Höhenflügen ansetzt.