
Skispringen Nach Anzug-Skandal – Auch Bindungen manipuliert?
Der Skandal um manipuliertes Material der norwegischen Skispringer bei der WM in Trondheim bekommt möglicherweise eine noch größere Tragweite. Auch Bindungen sollen manipuliert worden sein. Bindungen auf Ski, die Marius Lindvik bei seinem Sieg gegen Andreas Wellinger geflogen ist.
Der Anzug-Skandal im norwegischen Skispringen zieht möglicherweise noch größere Kreise. Medienberichten zufolge soll auch die Bindung von Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik manipuliert worden sein. Das berichten der norwegische Privatsender "TV2" am Montag (10.03.2025) sowie die deutsche "Bild"-Zeitung am Dienstag (11.03.2025).
Foto soll Lindviks Ski vom 2. März zeigen
In beiden Medien ist ein Foto zu sehen, das angeblich Lindviks linken Ski und die darauf befestigte Skibindung zeigt. Diese Bindung soll an einer Seite abgeschliffen worden sein – was den Ski leichter gemacht hätte und dem Springer einen Vorteil beim Übergang in den V-Stil der Springer verschafft hätte. Brisant ist neben der Manipulation an sich, dass es sich bei dem Foto um das Bild des Skis handeln soll, den Lindvik beim Springen von der Normalschanze gesprungen sein soll. Den Metadaten des Fotos zufolge soll die Aufnahme am 2. März, dem Tag der Entscheidung von der Normalschanze entstanden sein.
Normalschanze: Lindvik vor Wellinger, Geiger Vierter
Auf dem kleinen Bakken siegte Lindvik knapp mit nur 2,3 Punkten Vorsprung auf Andreas Wellinger. Mit Karl Geiger als Vierter verpasste ein weiterer Deutscher die Medaillen. Silbermedaillengewinner Wellinger hatte bereits am Sonntag und auf Instagram gesagt: "Die Manipulationen werfen auch bei mir viele Fragen auf. Was wäre denn bei den anderen Wettkämpfen gewesen, bei denen ich und wir als Team sehr nah dran gewesen wären."
Der mittlerweile suspendierte norwegische Skisprung-Trainer Magnus Brevig sagte bei "TV2", dass es sich beim Foto, das einen Ski zeigt, der an einer Holzhütte lehnt, nicht um den Ski von Lindvik handele: "Das ist nicht Lindviks Ski. Lindviks Bindungen wurden vor dem Springen von der Materialkontrolle gecheckt." "TV2"-Informationen zufolge konnten andere Mitglieder des norwegischen Teams nicht ausschließen, dass es sich bei dem Foto um den Ski vom Normalschanzen-Weltmeister handele.

Norwegens Marius Lindvik in Aktion
Polnischer Trainer: "Viele verdächtige Sachen gesehen"
Große Zweifel an den Erklärungen der Norweger hat der polnische Trainer Thomas Turnbichler. Der Österreicher berichtet bei "TV2", dass er immer wieder gesehen habe, wie norwegische Skispringer die Materialkontrolle ohne Ski betreten hätten. Außerdem hätte er im Verlauf der Saison viele verschiedene Fotos von norwegischen Skibindungen gesehen. "Ich habe da viele verdächtige Sachen gesehen", sagte Turnbichler, der vom Weltverband FIS fordert: "Das gesamte norwegische Material der gesamten WM muss noch einmal kontrolliert werden. Die Regeln lassen das klar zu."
Techniker Livelten: Springer wussten nichts
Im norwegischen TV-Sender "NRK" erklärte mittlerweile der neben Brevig ebenfalls suspendierte Materialtechniker Adrian Livelten, er werde seine Manipulation der Skianzüge "für den Rest meines Lebens bereuen". Livelten soll in Anzüge der Skispringer Johann André Forfang und Marius Lindvik verstärkte Nähte eingenäht haben. Ein Video von der irregulären Manipulation war vor dem Springen von der Großschanze aufgetaucht, was zur Disqualifikation der beiden Springer führte und den Skandal ins Rollen brachte. "Ich will mich vor allem bei Johann und Marius entschuldigen. Sie sind in eine Situation gekommen, für die sie nichts können."
Hannawald glaubt Lindvik und Forfang nicht
Für diese Unschuldsbeteuerung der beiden Skispringer hat Sportschau-Experte Sven Hannawald allerdings wenig übrig. Hannawald sagte bereits nach dem Springen von der Großschanze, dass ein Sportler Veränderungen am Ski oder dem Anzug sehr genau mitbekomme. Am Montag legte er im SWR noch einmal nach: "Wenn ich jetzt vom Norweger Johann André Forfang lese, dass er von nichts gewusst hat - da könnte ich mich schon wieder auf meinen Hacken im Kreise drehen, bis es qualmt. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man wirklich so dreist sein kann, uns alle zu belügen", so der frühere Weltmeister und Vierschanzentournee-Sieger.
Hannawald: "Überwachung durch Maschine"
Um künftige Manipulationen zu verhindern plädiert Hannawald für automatisierte Computertests. "Vielleicht muss die Überwachung der Anzüge auf eine Maschine übergeben werden. So, wie es den Scanner gibt, gibt es irgendwann auch die Möglichkeit, das von einem Computerprogramm kontrollieren zu lassen."
Materialchef Bauer: "Wie am Flughafen 3-D-Scanner"
Andreas Bauer, Chef der Materialkommission bei der FIS, plädiert zudem für Körperscanner. "Bisher wird alles händisch überprüft, menschliche Messungenauigkeiten sind nicht auszuschließen", sagte der frühere Bundestrainer der deutschen Skisprung-Frauen im Interview mit "Allgäuer Zeitung", "Stuttgarter Nachrichten" und "Stuttgarter Zeitung": "Wir müssen jetzt so schnell wie möglich auf die moderne Technik umsteigen und wie am Flughafen 3-D-Scanner nutzen. Wir können die Körpermaße der Springer scannen und wir können sie anschließend in den Anzügen scannen. Mit der modernen Technik werden wir es schaffen, Betrügereien dieser Art künftig zu verhindern."