Selina Freitag

Deutsche Skispringerinnen Duschgel und fehlende Gleichberechtigung

Stand: 02.01.2025 10:01 Uhr

Für die deutschen Skispringerinnen lief die Two Nights Tour nicht wie erhofft – sportlich und was den Weg zu mehr Selbstverständlichkeit an den Schanzen angeht.

Von Ann-Kathrin Rose, Garmisch-Partenkirchen

Mit einer dunkelroten Strickmütze und leuchtend gelben Skiern stand Agnes Reisch an Neujahr in Oberstdorf im Medienbereich, gab Interviews, die Two Nights Tour war für sie - zumindest sportlich - geschafft. Da drehte sie sich plötzlich um und blickte noch einmal zur Schanze. Für einen Moment ging es nicht mehr darum, die gerade gestellte Frage zu beantworten, sondern Teamkollegin Katharina Schmid für ihren Sprung die Daumen zu drücken.

Reisch ballte ihre Fäuste vor den Skiern und stimmte mit den Fans an der Schattenbergschanze ein langes "Ziiiiieeeh" für Schmid an, klatschte anerkennend und setzte nur einen Augenblick später das angefangene Gespräch fort. "Jetzt können wir weitermachen", sagte Reisch, fast entschuldigend. Dabei hatte sie in diesem Moment gezeigt, was aktuell so häufig diskutiert wird: der Support für die Skispringerinnen.

Zeitplan und Organisation noch nicht ausgereift

Dass Reisch ihre Teamkollegin lautstark unterstützt, dass die deutschen Athletinnen im Auslauf mitfiebern und auch Selina Freitag beinahe auffangen, als die nach Platz eins im ersten Durchgang noch auf Rang fünf zurückfällt, ist für die Sportlerinnen eine Selbstverständlichkeit. Dass es für mehr Chancengleichheit allerdings mehr braucht, als Sportlerinnen, die mit gutem Beispiel vorangehen, starken Sport zeigen, auch das ist über den Jahreswechsel während der Two-Nights-Tour, einer Art Mini-Tournee mit zwei statt vier Springen, offenbar geworden.

Waren bei der Qualifikation der Männer an Silvester in Garmisch-Partenkirchen noch 10.000 Fans an der Schanze, blieben nach einer langen Umbaupause unter anderem für den Austausch der Sponsorenbanner beim Wettbewerb der Skispringerinnen am späten Nachmittag nur noch etwa 3.000 Menschen im Stadion. Fröstelnd schwenkten sie kleine Fähnchen und versuchten, den Athletinnen eine tolle Kulisse zu schaffen, während der Stadionsprecher damit kämpfte, den Namen von Katharina Schmid richtig auszusprechen.

Pflegeprodukte als Prämie: Das Kaffeeservice des Wintersports

Sportlich schafften es mit Schmid, Reisch und Freitag gleich drei Athletinnen zum Auftakt in die Top Ten, einen Podestplatz aber verpasste das deutsche Team. Das beherrschende Thema aber war ein anderes. "Ich habe für meinen Quali-Sieg ein Bag mit Duschcreme, Shampoo und Handtüchern bekommen", erzählte Freitag. "Da sieht man den Unterschied." Der liegt in dem Fall bei 3.000 Schweizer Franken – die bekommen die männlichen Skispringer für den Sieg in der Qualifikation.

"Das ist schon bitter", ordnete Sportschau-Experte Sven Hannawald die Diskrepanz ein, betonte mit Blick auf die Hoffnungen auf eine Vierschanzentournee der Skispringerinnen aber auch: "Gewisse Sachen müssen wachsen." So sieht das auch Horst Hüttel, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes. "Stand jetzt, gibt es für die Qualifikation kein Preisgeld. Das sind die Regularien der FIS", sagte er, aber: "Wir müssen uns darüber Gedanken machen."

DSV-Sportdirektor Horst Hüttel - "Müssen Preisgeld definitiv überdenken"

Sportschau Wintersport, 01.01.2025 12:35 Uhr

DSV will sich "etwas einfallen lassen"

Denn nicht nur der Weltverband kann Preisgelder ausschütten. "Wir müssen uns darüber Gedanken machen", sagt Hüttel und verspricht, dass der DSV das Thema gemeinsam mit den Organisationskomitees angehen will. "Da werden wir uns mit den OKs etwas einfallen lassen." Handtücher und Duschgel als Prämie seien "etwas unglücklich gewählt".

Pflegeprodukte als Prämie – sie sind so etwas wie das Kaffeeservice in der Wintersport-Edition. Nicht nur deshalb aber ist der fehlende finanzielle Ausgleich ein Problem. "Wenn wir weniger Geld haben, können wir auch das ganze Drumherum – wie etwa Reha – nicht so gut machen", erklärte Reisch. Sie habe das bei ihren Verletzungen häufig selbst leisten müssen. "Wenn man da finanziell besser abgesichert ist, dann ist es einfacher." Auch das wäre ein weiterer Schritt.

Gemischtes Fazit zum Abschluss der TNT

Das Fazit der Two Nights Tour – es fällt für die deutschen Skispringerinnen nicht nur mit Blick auf die Diskussionen um Prämien und die oft beschworene Schanzengleichheit gemischt aus. "Es war ein ziemliches Auf und Ab", sagt Freitag. Sie hat gezeigt, dass sie nach sportlich herausfordernden Wochen und Monaten um einen Podestplatz mitspringen kann. "Schade, dass es nicht so ausgegangen ist, wie ich es mir erhofft habe."

Das würde wohl auch Teamkollegin Schmid so unterschreiben. Sie schaffte es in der Gesamtwertung der Two Nights Tour auf Rang drei – haderte in ihrer Heimat Oberstdorf an Neujahr aber damit, dass sie das Podium knapp verpasst hat. "Das tut schon ein bisschen weh", sagte Schmid.

Bundestrainer Heinz Kuttin dagegen zog eine positive Bilanz und bleib damit dem treu, was die Athletinnen so an ihm schätzen. "Ich bin sehr zufrieden", betonte Kuttin. "Es war jetzt zwei Mal knapp, dass wir ein Podium schaffen. In den einzelnen Sprüngen haben wir es schon sehr gut gemacht." Der Bundestrainer hob auch noch einmal die beiden Top-Ten-Plätze von Reisch hervor und wagte einen Blick auf den nächsten Weltcup. In Villach geht’s am 4. Januar mit der Qualifikation weiter. "Schauen wir mal, vielleicht kommt die Lockerheit wieder zurück."