Alpine Ski-WM Andreas Sander: "An einem Tag X kann ich Kilde und Odermatt schlagen"
Vor zwei Jahren holte Andreas Sander überraschend WM-Silber in der Abfahrt. In Courchevel ist der 33-Jährige nur Außenseiter. Im Interview verrät er, warum er dennoch optimistisch ist.
Sportschau: Andreas Sander, welche Berührungen hatten Sie schon mit Courchevel und den WM-Strecken? Ein klassischer Weltcuport ist es ja nicht.
Andreas Sander: Letztes Jahr im März war das Weltcupfinale dort. Ich bin da leider nur für den Super-G qualifiziert gewesen. Das heißt, die Abfahrtsstrecke bin ich noch nicht gefahren, aber der Super-G hat auf einem Teil der Abfahrtsstrecke stattgefunden, und somit konnte ich die Strecke schon sehen.
Sportschau: Liegt Ihnen die Strecke oder wie würden Sie sie einschätzen?
Sander: Das Gelände könnte mir schon liegen. Aber beim Super-G kommt es natürlich immer auch auf die Kurssetzung an. Was die Abfahrtsstrecke betrifft: Die ist nicht wirklich mit irgendeiner anderen aus dem Weltcup zu vergleichen. Es ist eine sehr interessante, sehr fordernde Abfahrt mit einer Fahrzeit von knapp zwei Minuten, und gerade die letzten 30 Fahrsekunden sind sehr drehend. Sprich: Die kosten nochmal richtig Kraft. Oben sind ein paar sehr schöne Sprünge. Was ich hoffe, ist, dass es kälter ist, damit man mit jeder Startnummer auch noch die Chance hat, nach vorne zu fahren.
Sportschau: Was wäre denn die ideale Strecke für Sie?
Sander: Ich mag es schon im Super-G, wenn auch zwei, drei Stellen drin sind, wo man taktisch fahren muss und wo sich vielleicht erst nach ein paar Läufern herauskristallisiert, wie die zu fahren sind. Ich mag es aber dann auch wieder, wenn ein paar Kurven drin sind, in denen man Geschwindigkeit aufnehmen kann. Was ich mir angeeignet habe in den letzten Jahren, ist, dass ich mir nicht mehr die Frage stelle, ob mir eine Piste liegt oder nicht. Es ist so wie es ist und ich mache einfach das Beste draus.
Sportschau: Wichtig ist sicher ja auch das Selbstvertrauen. Da bringen Sie ja jetzt nach dem jüngsten vierten Platz in Cortina einiges mit.
Sander: Das stimmt. Jetzt gar nicht so sehr die Platzierung, sondern dass ich den Lauf von oben bis unten gut hingekriegt habe. Der Grundspeed hat auch gestimmt, auch in Kitzbühel schon. Insofern war ich zufrieden. In den letzten drei, vier Wochen habe ich auch nochmal an ein paar technischen Details gearbeitet, was wirklich gutgetan hat. Dass es in Cortina gleich aufgegangen ist, ist gut. Aber jedes Rennen geht wieder von vorne los. Auch die Tagesform ist entscheidend, denn das Feld ist eng zusammengerückt. Es ist gut zu sehen, dass auch die dominierenden Fahrer ab und zu mal einen Fehler machen, und eine WM hat eh eigene Gesetze.
Sportschau: Wenn man Experten und auch die Trainer hört, dann reden alle nur von Lena Dürr und Linus Straßer, wenn es um Chancen auf vordere Plätze bei der WM geht. Woran lag’s, dass Ihr dieses Jahr nicht so weit vorne wart und was macht trotzdem Mut für Frankreich?
Sander: Das kann man nicht vorhersagen. Ich kann da auch nur für mich sprechen: Ich war im ersten Super-G Fünfter, war jetzt Vierter, und ich bin in der Super-G-Weltcupwertung Siebter - das ist jetzt nicht ganz dramatisch. Ich hatte auch in der Abfahrt immer diesen Grundspeed, den ich immer haben möchte. Okay, Beaver Creek und Gröden waren von den äußeren Verhältnissen auch unglückliche Rennen. Mit etwas mehr Glück hätte ich also deutlich mehr Top-15-Platzierungen haben können. Es ist ein Outdoorsport, da passiert das. Ich denke, ich bin selbstkritisch genug, um zu sehen, dass ich mich hier und da auch fahrerisch noch verbessern muss. Aber ganz so schlecht war es nicht. Ein paar Kleinigkeiten haben sicherlich nicht gepasst, aber das haben wir versucht zu ändern. Wir sind da auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, dass ich das bei der WM und in den verbleibenden Rennen zeigen kann.
Dass Lena Dürr und Linus Straßer nach ihrer bisher sehr konstanten Saison nach ihrem Weltcupsieg genannt werden, ist ganz normal. Aber, man muss auch sagen, dass einige Fahrer in diesem Winter einen Wahnsinnslauf haben. Hinter denen ist es aber sehr sehr eng.
Sportschau: Sie spielen auf Aleksander Aamodt Kilde und Marco Odermatt an. Die Frage nach Ihren Topfavoriten auf Gold in der Abfahrt und im Super-G hat sich damit erübrigt …
Sander: Die meinte ich, ja. Ich bin trotzdem optimistisch, dass ich die an einem Tag X auch mal schlagen kann. Das Selbstvertrauen habe ich schon. Aber bei den beiden muss man einfach sagen, es sind Ausnahmeathleten. Dahinter können wir aber immer wieder mitfahren.
Sportschau: Sie haben’s selbst schon gesagt: Eine WM hat immer eigene Gesetze. Wie gut ist es dann, wenn man weiß, dass man schon eine WM-Medaille im Schrank hängen hat (WM-Silber in der Abfahrt 2021, d.Red.)? Geht man da lockerer ran?
Sander: Es kann sein, ich hoffe es. Mich hat das tatsächlich beflügelt und überhaupt nicht belastet, denn es war ein Karriereziel, dass ich irgendwann einmal eine WM-Medaille gewinne. Da habe ich mir einen Traum erfüllt und kann immer darauf zurückschauen. Und so kann ich jetzt locker drauflosfahren und wieder überraschen. Aber nochmal: Es muss viel zusammenkommen, dass man um Medaillen mitfährt. Was auch Selbstvertrauen gibt, ist, dass ich oft beim Saisonhöhepunkt gute Leistungen gezeigt habe.
Sportschau: Ihnen wird ja nachgesagt, ein sehr selbstkritischer Fahrer zu sein. Steht man sich da manchmal auch selbst im Weg?
Sander: Wenn ich nicht so wäre, dann wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Jeder hat so seine Charaktereigenschaften, und das ist sicherlich eine von mir. Ich finde aber nicht, dass es zu viel ist. Ich könnte mir denken, dass es von Menschen kommt, die mich gar nicht so genau kennen und es gar nicht so genau wissen können. Meine Art werde ich grundsätzlich beibehalten.