Start beim Rollstuhl-Basketball "Das beste paralympische Turnier aller Zeiten"
Die Qualifikation für das Turnier bei den Paralympics war diesmal so hart wie nie zuvor. Jetzt wollen sich die deutschen Rollstuhl-Basketball-Frauen und -Männer in Paris für die Arbeit belohnen.
Man hört sie lange, bevor man sie auch sieht. Fette Bässe wummern aus den Boxen. Lisa Bergenthal führt den Tross der deutschen Rollstuhl-Basketballerinnen an - die Anlage auf dem Schoß fährt sie durch das paralympische Dorf. Hallo, hier kommen wir! Und so mancher im Dorf verrenkt sich schon mal den Hals, um zu sehen, wer da so einen Krach macht.
"Die besten acht Nationen sind hier in Paris. Wir gehören dazu - und wollen natürlich eine Medaille", erklärt Bergenthal. "Das ist hier sicher ein hartes Pflaster. Aber wir wollen eine tolle Zeit haben", betont sie optimistisch. Böse ist den deutschen Frauen wegen des Radaus niemand, die positive Stimmung steckt eher an.
Neuer Turniermodus bei den Paralympics
Das Turnier bei den Frauen und auch bei den Männern findet in Paris in einem neuen Modus statt. Die Teilnehmerfelder sind auf je acht Teams begrenzt worden. Was bereits die Qualifikation zu einer echten Herkulesaufgabe gemacht hat. Die Männer verpassten bei der EM die direkte Qualifkation für die Paralympics, stattdessen nutzten sie das folgende Quali-Turnier, um im letzten Moment noch das Ticket zu lösen. Und auch die Frauen machten im letzten Spiel alles klar.
Es ist das beste paralympische Turnier, das jemals stattgefunden hat - absolute Weltklasse. Wir müssen realistisch und auch demütig sein.
Die Paralympics-Vorrunde ist nun lediglich eine Platzierungsrunde, um die Paarungen im Viertelfinale auszuspielen. "Acht Teams, da ist es super schwer, jeder kann jeden schlagen. Man muss von Anfang an da sein und Gas geben, es kann alles passieren", erklärte Thomas Böhme, der zum vierten Mal bei den Spielen dabei ist.
Klassifizierung hielt die Rollstuhl-Basketball-Welt in Atem
Nichts Neues gibt es hingegen bei der Klassifizierung. Während in der Rollstuhl-Basketball-Bundesliga Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenspielen, drängte das Internationale Paralympische Komitee (IPC) schon vor den Spielen in Tokio darauf, die Zulassungsvoraussetzungen stark einzuschränken. Weil sich der Weltverband lange weigerte, drohte sogar das Aus für den populären Sport.
Durch die verschärften Regeln darf unter anderem "Fußgängerin" Katharina Lang nicht mehr bei den Paralympics teilnehmen. Vereinfacht ausgedrückt: Sie ist für das IPC nicht genügend eingeschränkt.
Bergenthal erinnert sich mit Schrecken an die Klassifizierung ihres Teams bei der EM 2021 zurück: "Bei mir hat das nur drei Sekunden gedauert, weil ich im Rollstuhl sitze. Aber es war surreal, wie wir da gesessen und darauf gehofft haben, dass wir keine Mitspielerin verlieren."
Die deutschen Männer wollen lange Durststrecke beenden
Die Rollstuhl-Basketballerinnen haben bei den Paralympics in London 2012 Gold gewonnen. Vier Jahre später in Rio de Janeiro war es Silber. Bei den Spielen in Tokio verpassten sie die ersehnte Medaille aber genauso wie die Männer, die damit weiter auf ihre erste Medaille seit dem Silber von 1992 in Barcelona warten müssen.
"Die Medaillenchance ist gegeben und realistisch", sagte Lucas Gloßner nun, erklärte allerdings auch: "Wir können bei diesem Turnier Erster werden, aber im Worst Case auch Achter. Die Teams sind so eng zusammen, man muss jedes Spiel eine super Leistung zeigen, um oben zu stehen."
Gute Defensive als Schlüssel zum Erfolg?
Bundestrainer Michael Engel hat öffentlich keine Platzierung als Ziel benannt - das Team soll aber die beste Defensive spielen und am fittesten sein. Dazu bezog die Mannschaft in der Vorbereitung auch ein Höhentrainingslager in Italien, wo es allerdings einige Corona-Infektionen gab. Aber Engel gab kurz vor dem Turnier Entwarnung: "Alle, die den Infekt hatten, sind sehr schnell wieder zurückgekehrt - und ich gehe davon aus, dass alle topfit ins Turnier starten."
Am Donnerstag (ab 10.30 Uhr im Livestream) steht bereits das erste Spiel an: Gegner ist Großbritannien. Für Böhme neben den USA Top-Favorit: "Da geht es direkt zur Sache." Die Vereinigten Staaten haben in Rio und Tokio jeweils Gold gewonnen, Bronze ging zweimal an die Briten. "Wenn wir unsere beiden Ziele erfüllen, werden wir diesmal oben mit dabei sein", ist sich Nico Dreimüller sicher.
Gibt Paris dem Rollstuhl-Basketball einen weiteren Schub?
Die USA waren es auch, die den deutschen Frauen im kleinen Finale in Japan die letzte Medaillen-Hoffnung nahmen und 2016 in Rio "nur" Silber ließen. "Wir würden gern noch mal Gold gewinnen, aber Bronze wäre am Ende auch okay", sagte Mareike Miller nun mit Blick auf das Turnier in Paris. Erster Gegner am Freitag (ab 15.50 Uhr im Livestream) - die USA.
In den vergangenen Jahren haben sich die Bedingungen im deutschen Rollstuhl-Basketball weiter professionalisiert. Einige Spieler verdienen sogar Geld mit ihrem Sport. Wer die Spiele verfolgt, wird schnell in den Bann der besonderen Form des Basketballs gezogen. Diese Erfahrung hat auch Miller gemacht: "Jeder, der die Sportart sieht, ist sofort begeistert und es werden immer mehr, die zuschauen. Hoffentlich gibt uns Paris auch noch mal einen Schub."
Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen und DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher im paralympischen Dorf von Paris.
Einige Menschen haben aber noch immer nichts von Rollstuhl-Basketball gehört und kommen bei Miller, die im Alltag trotz ihrer Behinderung nicht auf den Rollstuhl angewiesen ist, auf ganz andere Gedanken, wenn sie von ihrem Sport erzählt: "Ich muss manchmal noch erklären, dass ich nicht Rollschuh-Basketball, sondern Rollstuhl-Basketball spiele."
Und da dürfte es sicher helfen, auch außerhalb des paralympischen Dorfes ordentlich Krach und damit auf sich aufmerksam zu machen.