Thomas Bach beim CHIO Aachener Brücken in Richtung Olympia 2040
Dass sich Sport-Spitzenfunktionäre beim CHIO in Aachen tummeln, ist kein Zufall. Deutschlands Olympiabestrebungen erhalten Rückenwind - wenn auch nicht für 2036.
Namhafte Gäste sind ein elementarer Teil des CHIO Aachen, des renommiertesten Pferdesportturniers der Welt. C- und B-Promis aus Politik, Wirtschaft, Sport und Unterhaltung sind Stammgäste, nicht selten kommt auch A-Prominenz. Und in diesem Jahr ist vor allem die Funktionärswelt des olympischen Sports mit der ersten Garde vertreten.
Auch Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, stattet dem CHIO erstmal seit 14 Jahren wieder einen Besuch ab. "Es ist eine Unterstützung für den Reitsport, aber auch eine Unterstützung und Sympathie für Michael Mronz, der hier diesen CHIO in so glänzender Art und Weise ausrichtet, indem er die Athleten in den Vordergrund stellt", sagte Bach am Dienstagabend (02.07.2024) dem WDR.
Mronz als Mitbegründer von Rhein Ruhr City
Mronz wird oft für seine Arbeit als Geschäftsführer des florierenden CHIO gelobt. Bekanntheit erlangte der 57-Jährige zudem über seinen Ehemann, den 2016 verstorbenen ehemaligen Außenminister Guido Westerwelle, und als Mitbegründer der privatwirtschaftlichen Initiative Rhein Ruhr City. Mit dieser wollte er die Olympischen Sommerspiele 2032 nach Nordrhein-Westfalen holen - mit Reitsportwettbewerben in Aachen.
Der Versuch endete kläglich, das IOC legte sich auf das australische Brisbane fest, bevor der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) überhaupt eine eigene Bewerbung einreichte. Es folgte ein peinlicher öffentlicher Streit zwischen Mronz und Alfons Hörmann, dem damaligen DOSB-Präsidenten.
Drittes deutsches IOC-Mitglied
Trotz dieser Bruchlandung blieb Mronz' Ansehen auch bei Thomas Bach so hoch, dass er im Oktober 2023 ins IOC aufgenommen wurde. Seitdem ist er neben Bach und der ehemaligen Fechterin Britta Heidemann das dritte deutsche Mitglied im 105-köpfigen Gremium.
Der DOSB war zunächst überrumpelt von Mronz' Nominierung, äußerte sich aber auch hoffnungsvoll. Mronz sei "als Fachmann und Persönlichkeit hervorragend geeignet, Brücken zwischen Olympia und Deutschland zu schlagen", sagte der DOSB-Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester damals.
Mehrere IOC-Mitglieder in Aachen
Der aktuelle CHIO zeigt, wie diese Brücken aussehen können. Parallel zum Turnier findet der namhaft besetzte Kongress "Neuland" statt, der Zukunftsthemen im Sport und der Wirtschaft thematisiert. Zu den Rednern gehören neben Heidemann zwei weiteren IOC-Mitglieder: Ivo Ferriani, Präsident des internationalen Bob- und Skeletonverbandes, und Petra Sörling, Präsidentin der internationalen Tischtennis-Föderation.
Ebenfalls anwesend auf der Bühne und bei den Häppchen: Sörlings Vorgänger Thomas Weikert, seit Dezember 2021 DOSB-Präsident. So boten der Kongress und die parallel stattfindende CHIO-Abendgala "Media Night" am Dienstagabend Gelegenheit zum Plauschen und Netzwerken - dem Spezialgebiet von Mronz.
Beschädigte Brücken auch Richtung Berlin
Brücken sind Weikert wohl wichtigstes Aufgabengebiet beim DOSB. Er muss sie nicht unbedingt neu schlagen, wohl aber sanieren: die Brücke hinüber zum IOC seit den misslungenen Bemühungen um Olympia 2032 und auch diejenige in Richtung Bundespolitik. Bei zwei zentralen Regierungsvorhaben, dem Sportfördergesetz und dem Entwicklungsplan Sport, hat der DOSB zuletzt seine Zustimmung zu Entwürfen lautstark verweigert. Und auch beim großen Thema Olympiabewerbung bemängelte er fehlende Unterstützung aus Berlin.
In Aachen äußerte sich Weikert nun bei all diesen Themen zuversichtlich. Weikert bestätigte Medienberichte, dass er und Burmester im April im Kanzleramt gewesen seien. Dabei habe Olaf Scholz zu erkennen gegeben, eine deutsche Olympiabewerbung zu unterstützen. "In den nächsten Wochen" werde dazu wohl auch öffentlich kommuniziert, sagte Weikert.
Olympia 2036 wohl vom Tisch
Dann dürfte wohl auch offiziell werden, was sich schon länger andeutet: Deutschland wird sich von einer Bewerbung um die Sommerspiele 2036 verabschieden. "Wir haben in den Gesprächen gespürt, dass 2036 problematisch ist und 2040 möglicherweise die bessere Wahl", sagte Weikert der Sportschau diplomatisch. 2036 sind die Nazi-Spiele von Berlin genau 100 Jahre her, während sich 2040 die deutsche Einheit zum 50. Mal jährt - das ließe sich unproblematischer vermarkten.
Die nächsten Schritte folgen nun laut Weikert nach den Spielen in Paris. Der DOSB wolle mit dem IOC abstimmen, welche Bewerbungsideen aus IOC-Sicht überhaupt infrage kommen. Im Raum stehen Städte-Kombinationen wie Berlin/Hamburg und Berlin/Leipzig - oder eben die Bewerbung einer Region wie der an Rhein und Ruhr, die sich weiter um Olympia bemüht.
Weikert kündigt Befragung der Bevölkerung an
Nach diesen Sondierungen mit dem IOC "werden wir die Bevölkerung fragen", kündigte Weikert an. Zuletzt hatten sich die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und München gegen Olympische Spiele ausgesprochen.
Ökologische und finanzielle Fiaskos haben das Image Olympias ramponiert, das hat auch das IOC mitbekommen. Deshalb steht nun nicht mehr Gigantismus im Zentrum neuer Bewerbungen, sondern Nachhaltigkeit. "Wir dürfen nichts Neues bauen, abgesehen vielleicht vom Olympischen Dorf", sagte Weikert.
IOC-Mitglied und Rhein-Ruhr-City-Geschäftsführer gleichzeitig?
Nachhaltige Spiele in bereits vorhandenen Sportstätten - dieses Zukunftsbild hatte Michael Mronz einst auf die Idee gebracht, Olympia nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Nun darf er als IOC-Mitglied sogar mit darüber bestimmen, wohin die Spiele vergeben werden - eine heikle Kombination.
Vor diesem Hintergrund habe er seine Bestrebungen mit Rhein-Ruhr-City "ruhend gestellt", betonte Mronz gegenüber der Sportschau. Gleichzeitig jedoch ist er laut aktuellem Handelsregister-Auszug (online abgerufen am 03.07.2024) weiterhin Geschäftsführer der Rhein Ruhr City GmbH - die im Übrigen auch Ausrichter des Neuland-Kongresses ist. Mittlerweile führt Mronz die Gesellschaft alleine, nachdem Philipp Erbers laut Registereintrag vom 27.03.2024 als Co-Geschäftsführer ausgeschieden ist
Allen Nationen verpflichtet
Das Bild des Brückenbauers in Richtung Deutschland wollte Mronz auf Nachfrage nicht aufnehmen, sagte stattdessen allgemein, er könne "die Perspektive einbringen, dass Nachhaltigkeit eine zentrale Voraussetzung für mögliche Bewerbungen ist".
Ein IOC-Mitglied ist eben allen Nationen verpflichtet, arbeitet im besten Fall im Sinne des Sports und der Olympischen Idee. So bleibt es spannend zu verfolgen, wo und wie Mronz seine Brücken schlägt.