FIFA-Kongress in Ruanda Klaveness über Infantino - "Wir werden ihn nicht wählen"
Gianni Infantino stellt sich beim FIFA-Kongress in Ruanda zur Wiederwahl. Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness stellt klar: "Wir werden ihn nicht wählen." Stattdessen will sie beim Kongress erneut über Menschenrechte sprechen - und hofft dabei auf Unterstützung vom DFB.
Infantino steht beim Kongress am Donnerstag (16.03.2023, 9 Uhr) in Ruandas Hauptstadt Kigali ohne Gegenkandidat zur Wiederwahl für die Periode von 2023 bis 2027. "Wir glauben, dass er viele Gelegenheiten verpasst hat, die Änderungen, für die er gewählt wurde, wirklich umzusetzen", sagte Klaveness im Gespräch mit der Sportschau.
"Als er gewählt wurde, war er sehr klar: Die Transparenz sollte verbessert werden, die Menschenrechtsrichtlinien sollten umgesetzt werden, Distanz zu Staaten sollte gewahrt werden. Das wären gute und notwendige Veränderungen. Aber wir haben im norwegischen Vorstand festgestellt, dass er viele Gelegenheiten verpasst hat. Wir werden ihn nicht wählen."
Kein Zweifel an Infantinos Wahl - die weltweite Unterstützung ist groß
Es gibt neben Infantino keinen Gegenkandidaten, die Frist dafür lief am 16. November 2022 ab. Während der WM hatte Dänemarks Verbandschef Jesper Möller Christensen angesichts der Posse um die "One Love"-Kapitänsbinden öffentlich über einen Gegenkandidaten spekuliert - da war die Frist jedoch abgelaufen. "Er wird gewählt", stellte Klaveness fest. "Also werden wir natürlich alles tun, um ihm zu helfen, sich zu verbessern." Sie wolle damit eine weitere Polarisierung in der FIFA abwenden.
Infantino kam 2016 nach dem FIFA-Skandal ins Amt, der 2015 zum Ende der Amtszeit seines Vorgängers Sepp Blatter führte. 2019 wurde Infantino erstmals wiedergewählt. Der FIFA-Rat stellte zuletzt klar, dass die Begrenzung auf drei Amtszeiten laut Statuten gilt, eine Wiederwahl Infantinos 2027 bis 2031 aber trotzdem möglich sei, weil die drei Jahre nach dem Rücktritt Blatters keine vollständige Amtszeit gewesen seien.
Dass ein Stimmverhalten der Verbände wirklich sichtbar wird, ist unwahrscheinlich. Laut FIFA-Statuten darf die Wahl bei einem einzelnen Kandidaten auch per Akklamation erfolgen, also einem zustimmenden Applaus. Das passierte auch bei Infantinos erster Wiederwahl 2019. Der Rückhalt Infantinos unter den 211 Mitgliedsverbänden der FIFA ist groß.
DFB-Präsident Neuendorf: "Sehen keine Fortschritte bei der FIFA"
DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach bei der WM davon, "in Opposition zur FIFA" zu stehen. "Wir haben klare Vorstellungen, was passieren muss, wozu die FIFA Stellung beziehen muss", sagte Neuendorf am Donnerstag (09.03.2023) im Deutschlandfunk. In Katar hätte die FIFA Zusagen mit Blick auf das Thema Menschenrechte gemacht. "Da haben wir schon nachgefragt, und wir sehen da im Moment keine Fortschritte, und das sehen wir natürlich kritisch." Auf ein Stimmverhalten legte er sich öffentlich noch nicht fest.
Neuendorf steht bei dem Kongress ohne Gegenkandidat für einen Posten im FIFA-Rat zur Wahl, er wird die restliche Amtszeit des scheidenden Peter Peters von zwei Jahren übernehmen.
Norwegen fordert einen Tagesordnungspunkt Menschenrechte und Katar
Der norwegische Verband hat für den Kongress das Thema Menschenrechte und die WM in Katar auf die Tagesordnung gebracht. Gefordert werden auf dem Kongress:
- Eine Diskussion über die Verantwortung der FIFA für Entschädigungen von Arbeitern in Bezug auf die WM in Katar. Die FIFA soll sich nach dem Wunsch Norwegens zu einer transparenten Überprüfung verpflichten. Damit soll festgestellt werden, ob eine Verantwortung der FIFA besteht und wie sie dieser gerecht werden kann.
- Eine Diskussion darüber, wie die FIFA bei künftigen Turnieren ihrer Verantwortung gerecht werden soll. Dafür sollen dauerhafte und transparente Entschädigungsmechanismen bei Menschenrechtsverstößen im Rahmen von Turniervorbereitungen eingerichtet werden.
Klaveness: "Wir müssen die WM untersuchen - das sind wir uns selbst schuldig"
"Wir brauchen die Untersuchung", sagt Klaveness. "Wir sind sie uns selbst und unserer eigenen Glaubwürdigkeit schuldig." Schon beim Kongress in Doha 2022 hatte Klaveness die Themen Menschenrechte und Korruption deutlich angesprochen. "Es wäre leicht, nach den WM-Diskussionen gelangweilt zu sein, jetzt einfach weiterzumachen und wegzuschauen."
Dies würde auch eine wichtige Brücke in die Zukunft der Turniere bauen, sagte Klaveness. "Und ich hoffe wirklich, dass Deutschland und andere Länder uns dabei unterstützen, denn das ist eine Angelegenheit, die uns allen am Herzen liegt." Der DFB hatte vor der WM selbst die FIFA zur Einrichtung eines Entschädigungsfonds aufgefordert.
Kritik von Menschenrechtsorganisationen an FIFA und den bisherigen Entschädigungen aus Katar
Die FIFA berief sich zuletzt darauf, dass Entschädigungsmechanismen durch Katars Regierung bestehen und genutzt würden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass Angehörige von toten Menschen diese nicht in Anspruch nehmen können, da viele Todesfälle nicht genau untersucht worden seien, aber jeweils ein "natürlicher Tod" festgestellt wurde. Somit gebe es dafür keinen Anspruch auf Entschädigungen. Arbeitskräfte berichteten über nicht gezahlte Löhne, über unrechtmäßig erhobene Gebühren für die Vermittlung oder unwürdige Unterbringung.