Johannes Rydzek sitzt erschöpft im Ziel
analyse

Historische Durststrecke Nordische Kombination: Die fetten Jahre sind endgültig vorbei

Stand: 19.03.2024 11:51 Uhr

Deutschland eine Top-Nation in der Nordischen Kombination? Diese Vorstellung ist nach diesem Winter endgültig vorbei. Aus der Vorzeigedisziplin ist ein Krisen-Sport geworden. Nicht nur innerhalb des deutschen Teams wachsen die Zukunftssorgen.

Ein ganzer Winter ohne deutschen Sieg - das gab es seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr in der Nordischen Kombination. Auch der neue Bundestrainer Erik Frenzel (Jahrgang 1988) dürfte sich an diese Zeiten nicht mehr erinnern. Der dreimalige Olympiasieger hatte vor der Saison das Zepter von Hermann Weinbuch übernommen.

Einbruch statt Aufbruch - Kein Frenzel-Effekt

Weinbuch hatte ziemlich genau 25 Jahre lang die Geschicke im DSV inne. Unter ihm gewann Deutschland 13 Mal die Nationenwertungen, dazu kommen sechs olympische Goldmedaillen und 15 WM-Titel. Ikonen wie Ronny Ackermann und eben Frenzel schrieben sich in diesen zweieinhalb Dekaden tief in die Geschichtsbücher der nordischen Königsdisziplin.

Zwar verliert der einst ruhmreiche Traditionssport seit Jahren insgesamt an Glanz, innerhalb des NoKo-Zirkus galt Deutschland lange Jahre jedoch als feste Größe, wenn es um Siege und Podestplätze ging. Doch die Top-Nation ist ins Mittelmaß abgerutscht, auch wenn gerade in der Loipe die Leistung oft stimmt.

Sinnbild Geiger: Laufen Top, Springen Flop

Die DSV-Athleten laufen der Musik, die meist vom übermächtigen Norweger Jarl Magnus Riiber gespielt wird, sprichwörtlich hinterher. Bestes Beispiel: Vinzenz Geiger. Der 26-Jährige ist der mit Abstand beste Läufer im gesamten Feld. Im Gesamtweltcup hat Geiger nach dem Saisonabschluss am vergangenen Sonntag jedoch nur halb so viele Punkte wie Riiber.

Die Ursache dafür liegt auf der Skisprungschanze. Mit meist mehr als drei Minuten Rückstand gehen Geiger und Co. auf die "Jagd" in der Loipe. Auf der 10 Kilometer langen Strecke ist dies nicht aufzuholen. Einzig Manuel Faißt und David Mach schafften es mal aufs Podest, selbst im Teamsprint und in der Mixed-Staffel reichte es nur zu dritten Plätzen.

DSV-Kombinierer in chronischer Sprungkrise

Um endlich wieder Siege einzufahren, müssen die deutschen Adler ihre gestutzten Flügel reparieren. Dieses Problem ist kein neues, schon unter Weinbuch zeigte die Tendenz seit Jahren nach unten. Trotz akribischer Arbeit lassen positive Ergebnisse und Erlebnisse auf sich warten. "Das ist nicht ganz unser Anspruch. Wir wissen aber, woran wir arbeiten müssen", blianzierte Frenzel nach seiner Debüt-Saison als Verantwortlicher.

Es fehlen "optimale Sprünge", sagte Frenzel und setzt auf Geduld: "Das muss sich jetzt entwickeln. Dann werden wir auch vorne wieder mitkämpfen können." Denn eins steht auch fest: Finden Frenzel und Co. die Stellschaube(n) beim Springen, können die Kombinierer auch schnell wieder vorne angreifen. In der Gesamtwertung im Laufen stehen mit Geiger, Rydzek, Faißt und Schmid vier Deutsche unter den Top 8 - und damit vor Jarl Magnus Riiber. Mit David Mach (23) scheint nun auch wieder ein junges Talent den Durchbruch bei den Senioren zu schaffen.

NoKo: Olympia-Aus 2030 droht

Erfolge werden in den kommenden beiden Wintern unabdingbar sein. 2025 steht die Nordische Ski-WM in Trondheim an, 2026 folgen die Olympischen Spiele in Mailand und Cortina. Ohne eine sportliche Trendwende drohen zwei desaströse Großevents, die dem Ansehen der ohnehin strauchelnden Kombination zusätzlich schaden würden.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiten Teil der wintersportaffinen Welt gerät die NoKo aufs Abstellgleis. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) spielt schon länger mit dem Gedanken, den Wettbewerb ab 2030 aus dem Olympia-Programm zu streichen.

Zukunft hängt am seidenen Faden

Die Kritikpunkte: zu wenig Leistungsdichte, fehlende Vielfalt in den Wettbewerben und nicht zufriedenstellende TV-Einschaltquoten. Durch neue Wettkampfformate wie dem Compact Race oder der Mixed Staffel aus Frauen und Männern versuchen die Verantwortlichen gegenzuwirken.

Doch spannendere Rennen sind Mangelware - zu allermeist kommt der Sieger oder die Siegerin aus Norwegen, ab und zu noch aus Österreich. Größere Konkurrenz lässt sich nur durch bessere sportliche Leistungen herstellen. Die fetten Jahre sind vorbei. Nun heißt es nicht nur in Deutschland: Kräfte bündeln und ums Überleben kämpfen.