Biathletin Julia Tannheimer überzeugt bei Debüt Zwischen Biologie-Abitur und Weltcup-Punkten
Julia Tannheimer ist das Gesicht einer neuen Ära im Frauen-Biathlon. Die 18-Jährige brilliert beim Heim-Weltcup in Ruhpolding. Von "Rennkanonen", Fangesängen und Kindheitsträumen.
Sie wippt mit dem rechten Knie, als die Blaskapelle auf der Tribüne DJ Ötzis "Der hellste Stern" spielt. Julia Tannheimers Stern könnte am Freitag (12.01.2024) im Weltcup aufgehen – es ist ihr Debüt. Die blonden Haare hat sie zu einem Zopf gebunden, sie lächelt, von Anspannung keine Spur.
"Ich freue mich so. Das wollte ich schon mein ganzes Leben und dafür trainiere ich die ganze Zeit, um das mitzuerleben. Deswegen wird es richtig cool werden", beschreibt die 18-Jährige und beginnt auf der Stelle zu sprinten. Als Vanessa Voigt mit der Startnummer 1 ins Ziel kommt, beginnt Julia Tannheimer gerade mal mit dem Aufwärmen. Sie startet als 94. - eine Geduldsprobe.
"Sie hat eine richtig gute Maschine"
Julia Tannheimer ist eine der Youngster im deutschen Team. Ähnlich wie Selina Grotian oder zuvor Sophia Schneider hat sie im IBU-Cup überzeugt und bekommt vor heimischer Kulisse die Chance anzugreifen. Sie ist die jüngste Siegerin in einem IBU-Cup Rennen, der zweiten Liga beim Biathlon
Tannheimer hat vor allem viel läuferisches Potenzial, erklärt der Bundestrainer Christian Mehringer: "Am Anstieg, wenn die anderen nicht mehr können, dann kann sie nochmal richtig zulegen. Also eine ihrer Stärken ist auf der Strecke, sie hat eine richtig gute Maschine drin, wie wir als Trainer sagen."
Zwischen Weltcup und Abiprüfung
Die junge Biathletin hat erst am vergangenen Samstag von ihrem Einsatz in Ruhpolding erfahren. Eigentlich steckt die Ulmerin gerade im Abistress: "Nächsten Mittwoch habe ich Klausur. Zum Glück bekomme ich von meinen Klassenkameraden immer die ganzen Mitschriften und Lernzettel. Wenn ich in der Schule bin, da helfen mir alle, (stutzt kurz und lacht) vor allem bei Mathe."
Und jetzt lernt die Nachwuchsathletin parallel dazu noch eine neue Welt kennen: "Im Training habe ich die ganze Zeit die anderen angeschaut und gedacht, oh mein Gott, ich stehe hier wirklich neben einer Lisa Vitozzi, das war echt cool."
Das lange Warten auf den Start
Der Frauen-Sprint ist mittlerweile in vollem Gange. Während die Topstars, um Franziska Preuß, Justina Braisaz-Bouchet und die spätere Siegerin Ingrid Landmark Tandrevold bereits ihre Interviews nach dem absolvierten Wettkampf in der Mixed-Zone geben, holt sich Julia Tannheimer ihren Rennski und macht sich bereit.
Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, sie wird gut eineinhalb Stunden später die Letzte sein, die noch von Interview zu Interview läuft.
"Da fliegst du die Anstiege hoch"
Als sie das Starthaus verlässt, kündigt der Stadionsprecher "die Rennkanone" an und schafft gerade noch das "Julia" über die Lautsprecher zu bringen, als die Tribüne schon ein ohrenbetäubendes "Tannheimer" durch die Chiemgau-Arena brüllt.
Und die Jugend-Welteisterin liefert ab, zeigt sich gewohnt stark in der Spur und lässt keine Scheibe stehen: "Es war total krass - auf der ganzen Strecke. Ich wurde überall angefeuert, da fliegst du die Anstiege hoch, die Fans sind der Hammer."
Der Vater als erster Gratulant
Im Ziel steht sie lang da, der Kopf hängt nach unten, den Oberkörper auf die Skistöcke gestützt. Als sie wieder zu Atem kommt, geht der erste Blick in Richtung Tribüne. Tannheimer winkt mit einer Hand und die Masse jubelt ihr zu. Der erste Gratulant, der sie drückt, ist ihr Vater: "In Ruhpolding ist der Druck schon sehr hoch. Ich freue mich total für die Julia. Dass sie die Null-Null bringt, ist der Wahnsinn."
Und auch die Tochter ist extrem glücklich über ihren starken 15. Platz bei der Weltcup-Premiere: "Ich finde es richtig cool. Mein Dad hat noch nicht so oft zugeschaut, weil er so viel arbeiten muss. Dass er trotzdem hier ist und auch meine Mum, das ist richtig schön."
Das Gesicht einer neuen Ära
Dann beginnt er, ihr Antwort-Marathon vor den Fernsehkameras. "Ich bin vor dem Interview jetzt aufgeregter als ich es vor dem Rennen war", sagt sie live beim ZDF. Das Dauergrinsen will gar nicht mehr verschwinden – warum sollte es auch.
Julia Tannheimer hat diesen ersten Aufritt bestanden. Sie steht für das Gesicht einer neuen Biathlon-Generation, an der Sport-Deutschland noch viel Spaß haben könnte. Vielleicht schon wieder am Sonntag im Verfolgungsrennen.