Australian Open Die neue Ruhe des Alexander Zverev
Zweieinhalb Sätze sah Alexander Zverev in seinem Australian-Open-Viertelfinale wie der sichere Sieger gegen Carlos Alcaraz aus. Als der sich anschickte, das Match zu drehen, konnte Zverev auf neu gewonnene Stärken bauen.
Der Walk of Champions, den die Spielerinnen und Spieler gehen, wenn sie in die Rod Laver Arena gehen, ist beidseitig mit den Namen der Siegerinnen und Sieger der Australian Open dekoriert. Boris Becker und Steffi Graf finden sich dort genau so wie Rod Laver oder Martina Navratilova. Als Alexander Zverev diesen Weg aus der Arena ging, sah er nicht wie einer aus, der gerade einen der wichtigeren Erfolge seiner Karriere geschafft hatte.
Nach dem 6:1, 6:3, 6:7 (2:7), 6:4-Sieg gegen Carlos Alcaraz humpelte er - jeweils eine Tasche auf der Schulter - die etwa 50 Meter bis zum Spielerbereich, wo er von seiner Freundin Sophia Thomalla empfangen wurde.
Im Interview auf dem Platz mit dem wie immer eloquenten Ex-Champion Jim Courier hatte Zverev schon angedeutet, dass er einige schmerzhafte Blutblasen hatte. Aber das scheint er in Kauf zu nehmen. "Ich stehe lieber hier und habe Schmerzen hier und da als zu Hause zu sitzen und schmerzfrei zu sein."
Zverev dominiert die ersten zwei Sätze
Dem Interview vorausgegangen war eine bemerkenswert nervenstarke Leistung des Hamburgers. Die ersten zwei Sätze hatte er gegen den zweimaligen Grand-Slam-Sieger Carlos Alcaraz dominiert.
Sein Aufschlag, früher gerne mal ein Wackelschlag, kam präzise und mit Wucht. Seine Vorhand, die die Gegner gerne anvisieren, sorgte reihenweise für Winner.
Doch dann kamen die Gedanken, wie er auch Courier beichtete. "Er hat zwei Grand Slams gewonnen und wenn man 6-1, 6-3 führt, kommen dann doch mal Gedanken hoch, dass ich das Match gewinnen kann."
Gedanken an Niederlage gegen Thiem
Als Alcaraz den Satz gedreht und mit einem spektakulären Tiebreak gewonnen hatte, wurden die Statistiken gewälzt. Wie häufig hatte Zverev verloren, wenn er mit 2-0 Sätzen in einem Match geführt hatte? Es war genau ein Mal vorgekommen. Im bis hierher wichtigsten Match seiner Karriere, gegen Dominic Thiem im Finale der US Open 2020. Kamen Gedanken, dass er das Spiel noch verlieren könne?
Zverev (l.) und Alcaraz nach dem Viertelfinale
"Wir sind alles Menschen. Klar ist der Gedanke da, der ist immer da." Aber er habe gewusst, wenn er sein Tennis aus den ersten zwei Sätzen wieder spielen könne, würde er noch Chancen bekommen.
Neue Entwicklung in Zverevs Spiel
Zverev wurde in den vergangenen Jahren vorgeworfen, sich nicht weiterzuentwickeln. Die defensive Grundhaltung einige Meter hinter der Grundlinie, sein ausbaufähiges Netzspiel. In den Tagen der Australian Open ist eine andere Entwicklung zu erkennen. Zverev behält auch in kritischen Situationen die Ruhe. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen er Schläger zerbrach, seine Box anschrie.
Auch in den kritischen Situationen Ende des dritten und Mitte des vierten Satzes zeigte er keinerlei Emotionen. "Ich finde, dass ich schon seit eineinhalb bis zwei Jahren ruhiger und erwachsener geworden bin. Das ist ja auch eine Weiterentwicklung."
Die einzige Sorge, die Zverev momentan umtreibt, sind seine Zehennägel, unter denen sich Blut angesammelt hat. In der Pause zwischen dem dritten und vierten Satz musste der Physiotherapeut auf den Platz und die lädierten Zehen neu tapen.
Halbfinale gegen alten Bekannten
Als er nach seinem Achtelfinale gefragt worden war, wie er denn gegen Alcaraz gewinnen wolle, hatte er leicht trotzig geantwortet: "Mehr Asse als er servieren, weniger Doppelfehler, mehr Winner schlagen, weniger Unforced Errors." Alcaraz hatte am Ende mehr Gewinnschläge, beim Rest hatte Zverev seinen Matchplan eingehalten.
Zverev im Match gegen Alcaraz
Am Freitag wartet nun ein alter Bekannter auf Zverev. Gegen keinen Spieler hat er in den vergangenen Jahren häufiger gespielt als gegen Daniil Medvedev. In manchen Matches wie zum Beispiel in Indian Wells oder Monte Carlo ließ Zverev sich durch Medvedev aus der Ruhe bringen.
Das soll sich laut des Hamburgers nicht wiederholen. "Letztes Jahr haben wir sehr viele enge Matches gehabt. Er war in Bestform und ich kam zurück aus einer Verletzung, mein Selbstvertrauen war nicht da und dann lässt man sich durch vieles rausbringen. Das hat er letztes Jahr gut genutzt. Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr ein anderer Spieler bin."
Zverev gehört zu den vier besten Spielern bei diesen Australian Open. Mit der nötigen Ruhe ist es nicht ausgeschlossen, dass er bald auch seinen Namen beim Walk of Champions lesen kann.