US-amerikanische Turnerin Simone Biles
Reportage

Turnen Ready for it! Simone Biles ist zurück auf dem Olympia-Thron

Stand: 30.07.2024 23:10 Uhr

Simone Biles hat die US-Amerikanerinnen in Paris zu olympischem Team-Gold im Kunstturnen geführt. Der Hype war riesig, doch die 27-Jährige trotzte der Erinnerung an das Drama von Tokio. Das Lachen ist zurück.

Von Bettina Lenner, Paris

"Ready for it?" Als die Bässe des Songs von Taylor Swift durch die proppenvolle Bercy Arena wummern, als Simone Biles als letzte Turnerin des Abends zu ihrer Paradedisziplin am Boden antritt, ist der Sieg der USA in der Teamwertung fast nur noch eine Formalität. Und doch heften sich alle Blicke auf die 27-Jährige, die bislang einen großen Wettkampf abgeliefert hat.

Oh ja, Simone Biles ist bereit, den ganzen Abend schon. Die von der Qualifikation angeschlagene Wade der US-Nation getapt, glänzt der Megastar so wie die 10.000 Svarowski-Kristalle an den Anzügen der amerikanischen Turnerinnen. Am Boden zeigt die Texanerin Höchstschwierigkeiten, über 15.000 Besucher feiern sie mit Stehenden Ovationen, das gibt es nicht oft im Kunstturnen.

Phelps, Williams und Co. feiern mit

Prominenz ist auch wieder gekommen, die Oscar-Preisträgerinnen Nicole Kidman und Natalie Portman, Regisseur Spike Lee, der frühere Schwimm-Superstar Michael Phelps und Grand-Slam-Rekordsiegerin Serena Williams fiebern euphorisch mit. Rapper Snoop Dogg war schon bei der Qualifikation dabei und darf auch diesmal nicht fehlen, er wird es nicht bereut haben.

Die Amerikanerinnen sind haushoch favorisiert, der Druck ist groß, mal wieder. Schon eine Stunde vor dem Wettkampf füllt sich die Halle an der Seine, Gold wird erwartet, nichts anderes zählt. Doch es läuft für Biles: "Nachdem ich den Sprung beendet hatte, war ich erleichtert. Oh yeah, wir werden das hier wuppen. Keine Flashbacks!", sagt sie später.

"Twisties" in Tokio und schwarze Momente

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist der wohl schwärzeste Moment ihrer großartigen Karriere her, als sie bei den Sommerspielen in Tokio an eben jenem Sprung die Kontrolle verlor. Sie stieg im olympischen Mannschaftsfinale nach dem ersten von vier Geräten aus und verzichtete auf fast alle Einzelfinals. "Twisties" nennen die Amerikaner diese Orientierungslosigkeit in der Luft, die lebensgefährlich sein kann.

Aus dieser Krise herauszukommen, ihre inneren "Dämonen" zu zähmen, war wahrscheinlich der größte Sieg ihrer Laufbahn, auch ihres Lebens. Schon vor Paris war sie längst wieder in Top-Form. Nun scheint das Trauma endgültig überwunden. Sie ist zurück auf der olympischen Bühne, die sie vor drei Jahren unter Seelenqualen verlassen hatte - und wie!

Kusshände und ganz viel Spaß

In Paris erleben die begeisterten Fans eine ganz andere Simone Biles als in Japan. Eine strahlende Ausnahmeathletin, verschmitzt lächelnd und beim Turnen auf den Punkt fokussiert. Als sie bei der Teamvorstellung bei ohrenbetäubendem Lärm etwas zu früh in die vollbesetzte Halle läuft, schleicht sie grinsend zurück zu ihrer Mannschaft. Versendet Kusshände und flirtet mit den Fans. Sie lieben sie dafür. Die Arena, ganz in Stars and Stripes getaucht, lässt zeitweise vergessen, dass das olympische Heimspiel Los Angeles erst in vier Jahren stattfindet.

38 Medaillen bei Olympia und Weltmeisterschaften

Biles fliegt spektakulär durch die Luft und zeigt einmal mehr, dass sie mit ihrem nur 1,42 m kleinen Körper Einzigartiges leisten kann. Auch am Stufenbarren, ihrem schwächsten Gerät, turnt sie sicher. "USA, USA", hallt es durch die Arena.

Sie ist die Größte unserer Größten. Physisch und psychisch sehr stark und definitiv eine andere Person als in Tokio 2021.
Teamkollegin Jordan Chiles

Dass die Freude am Wettkampf zurück ist, ist wohl die größte Errungenschaft neben der fünften Goldmedaille - die ersten vier hatte sie bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro geholt, was sie zum Superstar machte. Mittlerweile hat sie 38 Mal Edelmetall bei Olympia und Weltmeisterschaften gewonnen, eine schier unfassbare Zahl, fünf Turn-Elemente sind bislang nach ihr benannt. Ihre neueste Kreation am Stufenbarren zeigte sie noch nicht, sie hat sie sich wohl fürs prestigeträchtige Mehrkampffinale am Donnerstag aufgehoben.

Die Biles-Show in Paris geht weiter

"We did it" ruft sie ihren Teamkolleginnen nach ihrer fantastischen Bodenübung und der Machtdemonstration ihrer Mannschaft zu. She did it. Wohl nicht zum letzten Mal. Die Biles-Show in Frankreich wird weitergehen. Im Mehrkampf sowie in den Einzel-Finals Sprung, Boden und Schwebebalken winken ihr weitere Medaillen. Sie ist bereit. Und immer mit einem Lächeln.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 31.07.2024 | 08:33 Uhr