Weitsprung-Finale von Paris Nach Drama mit Atemnot - Mihambo ist stolz auf Silber
Mitfavoritin Malaika Mihambo holt im engen Weitsprung-Finale von Paris Olympia-Silber, muss aber im Anschluss mit Atemnot im Rollstuhl aus dem Stade de France gebracht werden. Grund sind die Folgen einer Covid-Infektion. Auf ihre Leistung ist sie gerade deshalb "unheimlich stolz".
Es waren dramatische Bilder am Donnerstagabend (08.08.2024) nach dem Weitsprung-Finale der Frauen. Malaika Mihambo weinte bitterlich, sie rang im Gespräch mit Trainer Ulli Knapp nach Luft und zeigte geplagt auf den Hals, saß hilflos in der Ecke und hielt sich die Brust.
Schließlich wurde die 30-Jährige im Rollstuhl aus dem Stade de France gefahren, ein schreckliches Ende ihres eigentlich erfolgreichen Abends, an dem sie olympisches Silber gewonnen hatte - in Anbetracht der Umstände ein noch größerer Erfolg als ohnehin schon.
Malaika hat Silber gewonnen und nicht Gold verloren.
Mihambo: "Das muss erstmal jemand schaffen"
Das beurteilte Mihambo auch selbst so, als sie sich knapp zwei Stunden nach dem Finale äußerte. "Mir geht es jetzt besser. Das muss erstmal jemand schaffen, so gehandicapt an den Start zu gehen und da noch eine Silbermedaille rauszuholen. Von daher bin ich unheimlich stolz auf meine Leistung", bilanzierte die kampfstarke Athletin.
"Es ist die letzten Wochen schwergefallen. Ich fühle mich immer noch müde und erschöpft", sagte Mihambo, die sich bei ihrem EM-Sieg im Juni mit dem Virus infiziert hatte, seitdem "hatte ich Probleme mit meiner Lunge beim Atmen. Ich musste die ganze Zeit irgendwelche Atemübungen machen, weil ich sonst den Wettkampf gar nicht überstanden hätte". Hustenanfälle ließen sie nachts nur schwer schlafen.
DLV: Keine stationäre Behandlung nötig
Teamarzt Andrew Lichtenthal hatte in der Sportschau bereits kurz nach dem Wettkampf Entwarnung gegeben. Mihambo habe als Nachwirkung ihrer Corona-Infektion mit Atemwegsproblemen zu kämpfen. Wegen des Wettkampfs habe sie keinen Hustenstiller genommen und dann einen Hustenanfall bekommen. Sie müsse nicht stationär behandelt werden.
Alle sechs Sprünge absolviert
Auch während des Wettkampfs hatte die Tokio-Olympiasiegerin schon Probleme beim Atmen offenbart, sie ließ trotzdem keinen der sechs Sprünge aus, zu eng ging es zu im Kampf um Gold, Silber und Bronze.
Mit dem fünften Sprung hatte sie den zweiten Platz mit 6,98 m bereits dingfest gemacht, nur die Amerikanerin Tara Davis-Woodhall (7,10) war besser, Bronze ging an Jasmine Moore (6,96/USA). Vor dem letzten Versuch mobilisierte Mihambo noch einmal alle Kräfte, vor drei Jahren in Japan hatte sie sich mit dem letzten Sprung noch Gold gesichert, das Beste unter Druck aus sich herauszuholen ist eigentlich ihre Spezialität.
Der Körper macht schlapp
Doch dafür reichte es diesmal nicht. Sie lief an und dann durch, der Anlauf passte nicht zusammen und es fehlte vielleicht auch die Kraft. Am Ende trennten sie 13 Zentimeter von Platz eins, aber Silber gewonnen, so musste man es sehen und so empfand es auch die zweimalige Welt- und Europameisterin, die sich eine Deutschland-Fahne schnappte. Nach der Ehrenrunde machte der entkräftete Körper aber endgültig schlapp.
Weinend saß sie an der Bande am Rand des Innenraums, Knapp eilte hinzu. Mihambo musste sich behandeln lassen, aus eigener Kraft konnte sie das Stadion nicht verlassen.
Das ist schlimm zu sehen. Das überfordert ihren Körper. Der Geist ist immer frisch, aber der Körper kriegt es nicht auf die Reihe.
Auch Lyles von Corona geschwächt
Es ging ihr damit wie Noah Lyles, der 100-m-Olympiasieger fühlte sich am Morgen furchtbar, ein Test brachte eine Covid-Infektion ans Licht. Der Amerikaner startete trotzdem über 200 m, wurde beim Sieg von Letsile Tebogo (Botswana) in 19,70 Sekunden - fast vier Zehntelsekunden von seiner Bestzeit entfernt - Dritter und blieb vollkommen erschöpft auf der lila Bahn liegen, bevor auch für ihn der Abend im Rollstuhl sitzend endete.
Der US-Verband hatte den Start genehmigt und war seit dem positiven Test einem Corona-Protokoll gefolgt. "Ich wollte laufen. Sie haben gesagt, das ist unmöglich. Es hat mich definitiv beeinflusst, aber ehrlich gesagt bin ich so stolz wie irgendwas auf mich, dass ich rausgegangen bin und trotzdem die Bronzemedaille geholt habe", sagte Lyles.
Es sind nicht die Olympischen Spiele, von denen ich geträumt habe, aber sie hinterlassen so viel Freude in meinem Herzen.
Der US-Verband teilte mit: "Nach einer gründlichen medizinischen Untersuchung hat sich Noah entschieden, zu starten. Wir respektieren seine Entscheidung und werden seinen Zustand weiterhin genau beobachten." Seine weiteren geplanten Starts in den Staffeln sagte Lyles dann aber einen Tag nach den 200 m ab.
DLV: Kein Start kurz nach positivem Test
Ein Olympia-Start kurz nach einem positiven Corona-Test? Für den DLV wäre ein Vorgehen wie das des Sprintstars keine Option gewesen. "Für uns wäre das nicht möglich gewesen, weil für uns die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler an erster Stelle steht und wir nicht in Kauf nehmen wollen, dass durch diese Infektionen andere in Mitleidenschaft gezogen werden", sagte DLV-Sportvorstand Jörg Bügner am Freitag (09.08.2024).
Der DLV verfolge eine "sehr viel striktere Policy, als es beispielsweise die momentane gesetzliche Grundlage ist. Wie das in anderen Nationen geregelt wird, das beschäftigt uns nicht. Wir sind da glasklar."
Erinnerungen an die Heim-EM in München
Mihambo war eigentlich in diesem Sommer in starker Form, mit dem zweitweitesten Sprung ihrer Karriere auf 7,22 m war sie in Rom Europameisterin geworden. Danach schwächte sie aber eine Covid-Infektion, sie wusste, es fehlt noch am Durchhaltevermögen. Nun forderten die Spätfolgen der Erkrankung ihren Tribut.
In Paris wurden damit Erinnerungen wach an die Heim-EM 2022, wo Mihambo ebenfalls von Corona geschwächt an den Start gegangen war und alles gewagt hatte. Auch damals wurde es Silber. Dabei hatte sie sich komplett verausgabt und erlitt kurz danach Schwächeanfälle. Sie selbst sprach von einer "Grenzerfahrung". Nun sei es "nach dem Wettkampf dasselbe wie vor zwei Jahren in München" gewesen.
Erfolgsliste wird immer länger
Damit bleibt Heike Drechsler (1992 und 2000) die einzige Weitspringerin der Geschichte mit zwei Olympia-Triumphen, doch auch Mihambos Erfolgsliste wird immer länger: Seit ihrer Goldmedaille 2018 bei der Heim-EM in Berlin hat sie bei jeder großen Meisterschaft, an der sie teilnahm, auch eine Medaille gewonnen.
Weitere sollen folgen: "Ich freue mich darauf, wieder völlig gesund zu sein und wieder in einer guten Form an Wettkämpfen teilzunehmen", sagte die dreimalige Sportlerin des Jahres nach ihrem schwer erkämpften Silber in Paris.