Wie Busemann vor 28 Jahren Zehnkämpfer Neugebauer krönt sein Olympia-Debüt mit Silber
Leo Neugebauer hat in Paris Silber und damit die erste Olympia-Medaille eines deutschen Zehnkämpfers seit 28 Jahren gewonnen. Es siegte der junge Norweger Markus Rooth.
Vollkommen ausgepumpt lag Neugebauer nach einem packenden Fight in den abschließenden 1500 m auf der lila Bahn des Stade de France, doch schnell konnte der Sonnyboy wieder lächeln.
In der letzten Disziplin nach schlauchenden zwei Tagen hatte er sich im ungeliebten abschließenden Lauf geschickt an die Fersen von Lindon Victor aus Grenada geheftet, der ihm im Kampf um Silber noch hätte gefährlich werden können - und brachte Platz zwei mit einer Energieleistung ins Ziel.
"Das bedeutet mir einfach alles, das hier vor so vielen Fans, Familie und Freunden geschafft zu haben. Ich danke allen, es hat so viel Spaß gemacht", sagte der 24-Jährige der Sportschau.
Er hat Silber mit einem soliden Zehnkampf geholt. Daran sieht man, was bei Leo möglich ist. Es wäre auch mehr drin gewesen. Aber Silber ist toll.
Als Topfavorit nach Paris gereist
Der Olympia-Debütant war als Topfavorit in den Kampf um die Krone der Athleten gestartet und hatte nach einem starken ersten Tag als Spitzenreiter übernachtet.
Doch dann blieb Neugebauer zu oft hinter seinen Bestleistungen zurück, ließ bei 14,51 Sekunden über die Hürden und besonders seinen 53,33 m mit dem Diskus Punkte liegen. Auch die 5,00 m im Stabhochsprung waren weit von seinem Optimum entfernt wie zusehends auch Gold, denn im Speerwurf und über die 1500 m hat der deutsche Rekordhalter Schwächen.
Dass wir nach 28 Jahren wieder eine olympische Medaille im Zehnkampf haben, ist Wahnsinn. Das ist das Größte, was geht.
"War ein solider Tag"
"Im Stabhochsprung hätte ich noch ein, zwei Höhen rausholen können. Generell war es ein solider Tag", bilanzierte der Stuttgarter, der seit einigen Jahren in den USA lebt und trainiert.
Anders als im Vorjahr, als er sich bei der WM in Budapest nach Platz eins zur Halbzeit am Ende mit Rang fünf begnügen musste, hielt der Modellathlet diesmal aber die Medaille fest. "Ich habe versucht, aus meinen Fehlern zu lernen und heute hat es für eine Silbermedaille gereicht", sagte er.
Rooth der König der Athleten
Den Zehnkampf seines Lebens machte aber ein anderer: Der erst 22-jährige U23-Europameister Markus Rooth steigerte sich in sieben von zehn Disziplinen und setzte sich in Saint-Denis nördlich von Paris schließlich mit 8.796 Punkten vor dem 24-jährigen Deutschen durch, der 8.748 Punkte sammelte. Victor kam auf 8.711 Zähler.
Luftküsschen fürs Publikum
Mit seiner Weltjahresbestleistung aus dem Juni von 8.961 Punkten, als er seinen eigenen deutschen Rekord verbesserte, wäre Neugebauer Olympiasieger geworden. Doch die Freude über den größten Triumph seiner Karriere überwog. Glücklich streckte er die Arme in den Pariser Himmel und schickte Luftküsschen ins Publikum, wo ihn Freunde und Familie feierten.
Kaul schafft mit Speer olympischen Rekord
Für Niklas Kaul, der ebenfalls als Medaillenkandidat gegolten hatte, lief es in Paris überhaupt nicht nach Plan, in seiner Lieblingsdisziplin Speerwurf gelang dem ehemaligen Welt- und Europameister dann aber ein Coup: Noch nie hat ein Zehnkämpfer bei Olympia 77,78 m weit geworfen. Mit 8445 Punkten wurde er Achter.
"Ich bin jetzt ganz froh, dass ich es durchgekriegt habe. Ich war mehrfach vor dem Aufhören hier", so der Mainzer. "Ich bin mit hohen Erwartungen reingegangen und dann ist nach dem Weitsprung mental alles in sich zusammengefallen. Das war schwierig." Nachrücker Till Steinforth belegte bei seinem Olympia-Debüt den 15. Platz.
Bis dato war die Silbermedaille von Frank Busemann 1996 in Atlanta das letzte olympische Edelmetall eines deutschen Zehnkämpfers gewesen. Gold holten Willi Holdorf 1964 und Christian Schenk 1988.