Wolfgang Niersbach

"Sommermärchen-Prozess" Niersbachs Erinnerungen - Lichtblicke und Lücken

Stand: 30.01.2025 18:55 Uhr

Mit Wolfgang Niersbach hat ein ehemaliger Angeklagter im "Sommermärchen-Prozess" als Zeuge ausgesagt. Sein Erinnerungsvermögen versagt genau an jenen Stellen, an denen es für das Gericht interessant und den Fall relevant wird.

Es gebe Tage in seinem Leben, auch lange zurückliegende, da könne er sich noch ganz genau an die Abläufe erinnern. Der 6. Juli 2000 sei solch ein Tag gewesen, sagt Wolfgang Niersbach am Donnerstag (30.01.2025) vor dem Landgericht in Frankfurt am Main. Er sitzt in dem Verfahren wegen schwerer Steuerhinterziehung im Zeugenstand, nachdem er mal angeklagt war. Das Verfahren gegen ihn war gegen die Zahlung von 25.000 Euro eingestellt worden.

Der 6. Juli 2000 also, Zürich. Ein wunderbarer Tag sei das gewesen, so der inzwischen 74 Jahre alte Niersbach. An jenem Tage habe Deutschland den Zuschlag erhalten, die Fußball-Weltmeisterschaft auszurichten, die als "Sommermärchen" in die Geschichte und Berge von Gerichtsakten einging.

Ominöse Zahlung an die FIFA

Es findet sich auch ein Fax in diesen Akten mit Datum vom 23. November 2004, in dem es um eine Zahlung des deutschen Organisationskomitees (OK) an den Weltverband FIFA geht. "Beitrag Kulturprogramm" steht in der Betreffzeile.

Mindestens zwei unterschiedliche Handschriften finden sich auf dem Fax. In der längeren Notiz wird vorgeschlagen, das "vereinbarte Honorar" für "H. L. D." an die FIFA zu überweisen und dann an ein anderes Konto weiterzuleiten.

"Das ist meine Handschrift", sagt Niersbach, und das ist das erste Mal, dass er zugibt, was ihm seit Jahren vorgehalten wird. Er habe aber "keine konkrete Erinnerung" mehr, wie die Notiz auf dem Fax gelandet sei.

Horst R. Schmidt (links), Dr. Theo Zwanziger (Mitte) und Wolfgang Niersbach bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2005

Horst R. Schmidt (links), Dr. Theo Zwanziger (Mitte) und Wolfgang Niersbach bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2005

Rolle von Robert Louis-Dreyfus

Hinter dem Kürzel "H. L. D." steckt Herr Robert Louis-Dreyfus, ein französischer Unternehmer, der Franz Beckenbauer im Jahr 2002 einen Kredit über zehn Millionen Schweizer Franken gewährte, die umgerechnet etwa 6,7 Millionen Euro ergeben, die ominöse Summe, die mit dem "Sommermärchen" so eng verbunden werden wie Jürgen Klinsmann und Oliver Neuvilles Tor gegen Polen.

Louis-Dreyfus hat mit dem Kulturprogramm bei der WM, vor allem einer Gala, die niemals stattfand, rein gar nichts zu tun.

Warum er offiziell ein Honorar in dem Zusammenhang bekommen soll, ist eine Frage, auf die vor der Vorsitzenden Richterin Eva-Marie Distler schon viele gekommen sind. Wolfgang Niersbach behauptet, er habe sich die Frage nicht gestellt, aber gutgläubig an der kreativen Lösung mitgewirkt, wie Dreyfus sein Geld samt Zinsen zurückerhielt.

Niersbach: Drei Jahre DFB-Präsident

Niersbach, gelernter Journalist, dann Pressechef beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und später Generalsekretär, ist im März 2012 zum Präsidenten des Verbandes gewählt worden. Drei Jahre später ist er nach einer legendären Pressekonferenz zurückgetreten. Er habe nichts gewusst, könne sich nicht erinnern, dies, das. Eines wisse er aber: Die WM sei wunderbar gewesen, und niemand habe Stimmen gekauft, um sie nach Deutschland zu holen.

"Wenn man von der FIFA was bekommt, muss man etwas geben." Dieser Satz steht auch in den Akten. Er soll von Franz Beckenbauer stammen, zu Protokoll gegeben von Wolfgang Niersbach.

Nein, sagt Niersbach, das habe sein Freund Franz nie gesagt. Vielleicht habe er das mal aufgeschnappt, dass ihm ein anderer das gesagt habe. Aber es ist lange her.

Wusste Niersbach vom Darlehen?

Horst R. Schmidt (ehemaliger Schatzmeister des DFB und zusammen mit Niersbach im OK der WM), dessen Verfahren im selben Prozess wegen Krankheit abgetrennt worden ist, und Theo Zwanziger (Niersbachs Vorgänger als Präsident des DFB und ebenfalls im OK gewesen) haben in den Vernehmungen ausgesagt, dass Niersbach sehr wohl schon seit spätestens 2004 von dem Darlehen Louis-Dreyfus’ an Beckenbauer wusste. Niersbach behauptet, erst 2015, wenige Wochen vor der Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" davon erfahren zu haben.

Richterin Distel und auch der Staatsanwalt melden erhebliche Zweifel an. Auch Zwanziger, einzig verbliebener Angeklagter und Niersbach seit Jahren in inniger Ablehnung verbunden, muss an einer Stelle genüsslich lachen.

Drei Stunden Zeugenstand - Erkenntnisgewinn ausbaufähig

Knapp drei Stunden hat Wolfgang Niersbach im Zeugenstand verbracht. Etliche Fragen sind ihm gestellt, etliche Vorhalte gemacht worden.

In einer alten Mail, die vorgelesen wird, schreibt Niersbach von der "ganzen Wahrheit". Auch der 19. Verhandlungstag endet mit der Erkenntnis, dass sie in diesem Verfahren nicht an Licht kommt.