Nach dem WM-Aus Diesen Fragen muss sich Gislason jetzt stellen
Aus im Viertelfinale - die Handball-WM endete enttäuschend für das deutsche Team. Enttäuschend auch deshalb, weil der Handball, den Bundestrainer Alfred Gislason spielen ließ, viel zu selten begeisterte. Unter dem Strich bleibt die Bilanz des Isländers trotz des Abschneidens bei den Olympischen Spielen und der gewonnenen Silbermedaille somit mager.
Die Verbitterung war riesig bei den deutschen Handballern nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Portugal. Bei Alfred Gislason hielt sich die Enttäuschung augenscheinlich in Grenzen. Einen Rückschlag könne er nicht erkennen, vielmehr sei die Mannschaft während des Turniers gewachsen.
Das verwundert, denn dass sich die Mannschaft weiterentwickelt hat, davon war während der Tage in Dänemark und Norwegen wenig bis nichts zu sehen.
Die Deutschen, die im Vorfeld des Turniers zu den Mitfavoriten zählten, ackerten sich mehr schlecht als recht durch die Vorrunde und hatten gegen Gegner wie Polen und die Schweiz, die weit von der Weltspitze entfernt sind, große Mühe. In der Hauptrunde war es nicht anders. Auch gegen Italien ließ Gislason einen Handball spielen, der die Fans nicht von ihren Sitzen riss. Gegen das Ausnahmeteam Dänemark war ein riesiger Klassenunterschied zu sehen.
Keine Leichtigkeit, keine Ausstrahlung
Das deutsche Spiel wirkte statisch und phasenweise quälend - eine vom Bundestrainer vorgegebene Spielkonzeption war selten zu erkennen, von Begeisterung oder Brillanz im Spiel und taktischen Varianten ganz zu schweigen. Es fehlten Leichtigkeit und positive Ausstrahlung.
Viel zu sehr war Deutschland von Individualisten wie Juri Knorr und Renārs Uščins abhängig, die dank ihrer Klasse wenigstens für den einen oder anderen Aha-Moment sorgten. Alleine konnten sie auch nicht mehr richten. Das galt natürlich auch für die beiden Torleute Andreas Wolff und David Späth, ohne die wahrscheinlich selbst das Viertelfinale nicht erreicht worden wäre.
Fehlende Alternativen
Der junge Uščins, der bei Olympia noch heldenhaft triumphiert hatte, musste am Ende sogar zu viel Verantwortung tragen. Gislason hatte keine Alternativen, um ihn zu entlasten.
Der Isländer hatte im März 2020 das Bundestraineramt von Christian Prokop übernommen. Prokop, das sei am Rande bemerkt, formte in den vergangenen Jahren den Bundesligisten Hannover-Burgdorf zu einem echten Spitzenteam mit Nationalspielern wie Renārs Uščins, Justus Fischer und Lukas Stutzke. Auf den Hannover-Block setzte auch Gislason.
Olympia als Ausreißer nach oben
Die Bilanz in fünf Jahren Alfred Gislason: ein 12. Platz bei der WM 2020, der schlechtesten Platzierung einer deutschen Mannschaft bei Weltmeisterschaften, das Viertelfinal-Aus bei Olympia 2021. Ein 7. Platz bei der EM 2022 und ein 5. Platz bei der WM 2023 folgten, und es blieb jeweils die Enttäuschung, dass es bis ganz oben wieder nicht gereicht hatte.
Im vergangenen Jahr war Olympiasilber ein Ausreißer nach oben, der aber auch nur zustande kam, weil ein französischer Weltklassespieler im Viertelfinale einen Fehler machte, den man - böse gesagt - sonst nur bei einem Jugendspiel sieht. Das Verpassen einer Medaille (4. Platz) bei der Heim-EM 2024 war ebenfalls der Kategorie Ernüchterung zuzuordnen.
Schwächelnde Konkurrenz
Dabei waren die Voraussetzungen doch eigentlich gut, um bei dieser WM näher an die Weltspitze heranzurücken. Ehemalige Top-Nationen wie Spanien, Schweden und Norwegen schwächelten bedenklich und sind längst nicht mehr die Kaliber der vergangenen Jahre.
Mit einem in der Breite im Vergleich zu anderen Teams topbesetzten Kader hätte das DHB-Team die Chance bei dieser WM nutzen können, wenn nicht müssen. Warum dies erneut nicht gelang, dieser Frage wird sich Gislason bei der Aufarbeitung der verkorksten Weltmeisterschaft 2025 stellen müssen.