Die Italiener Chituru Ali (Silber 100 m), Marcell Jacobs (Gold 100 m) und Lorenzo Simonelli (v.l./Gold 110 m Hürden) bejubeln ihre Erfolge bei der Leichtathletik-EM in Rom.
Reportage

Leichtathletik-EM Italienischer Abend in Rom

Stand: 09.06.2024 07:07 Uhr

Nach schleppendem Beginn ist die Leichtathletik-EM in Rom angekommen. Unter dem frenetischen Jubel der Tifosi sammelten die hochgehandelten Gastgeber am Samstag (08.06.2024) gleich sechs Medaillen ein und stockten ihr Konto am zweiten Tag auf schon zehnmal Edelmetall (5/4/1) auf.

Von Bettina Lenner, Rom

Es war wahrscheinlich illusorisch zu denken, das gut 70.000 Zuschauer fassende Stadio Olimpico könne während der EM bis zum letzten Platz gefüllt sein. Doch der Vorverkauf der Tickets für die kontinentalen Titelkämpfe war dermaßen schlecht gelaufen, dass sich der Europäische Leichtathletik-Verband EAA schon große Sorgen machte - und wohl schließlich auch die Organisatoren, denn sie senkten kurz vor Beginn der Wettkämpfe in der italienischen Metropole die Preise um 40 Prozent.

Es dürfte möglicherweise dabei geholfen haben, dass am Samstag zumindest die Gegengeraden sehr gut gefüllt waren. Den Rest besorgten wohl die Aussichten der italienischen Athleten. Und die lieferten ab.

Sprint-Olympiasieger Jacobs der Star

Allen voran Olympiasieger Marcell Jacobs, der zwar nach größeren Verletzungsproblemen nicht unter zehn Sekunden blieb, aber unter dem tosenden Applaus seiner Landsleute zur erfolgreichen Titelverteidigung und EM-Gold über die prestigeträchtigen 100 m sprintete - in seinem Sog Chituru Ali, der trotz einer Verwarnung nach einem Fehlstart Zweiter wurde und den italienischen Doppelerfolg perfekt machte.

Die Zeit spiele keine Rolle, sagte Jacobs. Ihm sei es auf den Sieg angekommen "in meiner Stadt". Die Tifosi konnten jedenfalls ihr Glück kaum fassen und feierten ihre Helden.

So auch Kugelstoß-Vize-Weltmeister Leonardo Fabbri, der bei seinem Sieg mit 22,45 m und einem Meisterschaftsrekord glänzte, und über 110 m Hürden triumphierte Youngster Lorenzo Ndele Simonelli. Forza Italia!

Riesentalent Furlani zeigt eine tolle Show

Auf dem Zuschauer-nahen Weitsprung-Podest, einer Besonderheit bei dieser EM, lieferte der erst 19-jährige Mattia Furlani dem griechischen Olympiasieger und Weltmeister Miltiadis Tentoglou einen überragenden Kampf und seinem Heim-Publikum eine grandiose Show. Wer ihm auf diesem EM-Laufsteg bei der Arbeit zusah, der sah die Zukunft. Mit 8,38 m verbesserte er seinen U20-Weltrekord und holte Silber. Tentoglou sprang gleich zweimal auf 8,65 m, die Zuschauer riss es von den Sitzen.

Die italienische Begeisterung fürs Gehen hatte sich bereits am Eröffnungstag gezeigt, im da noch arg leeren Stadion war der Triumph von Olympiasiegerin Antonella Palmisano ein Stimmungsaufheller, besungen von hellen Kinderstimmen, denn die Bambini durften an ihrem letzten Schultag nebst Begleitpersonen für nur einen Euro ins Stadio. Eine weitere kurzfristige Maßnahme der Organisatoren, um die Ränge aufzufüllen.

Das gelang leidlich, denn kaum waren die ersten italienischen Medaillen im Sack, musste der Nachwuchs ins Bett und sagte arrivederci. Doch das erste italienische Gold gleich im ersten Wettbewerb und dazu auch noch Silber für Valentina Trapletti - das war ein Auftakt nach Maß für die Gastgeber.

Im Gehen geht was in Italien

Normalerweise gibt es bei Europameisterschaften im Olympiajahr keine Geh-Wettbewerbe, doch weil diese Disziplin in Italien einen so hohen Stellenwert hat, ist das diesmal anders. Die Veranstalter hatten bei ihren Plänen wohl auch Olympiasieger Massimo Stano im Sinn, der aber schließlich mit gebrochenem Fuß passen musste.

Im stimmungsvollen, aber auch geschichtlich belasteten Foro Italico sprang jedoch Francesco Fortunato in die Bresche und gewann Bronze. "Die Atmosphäre war super, die Italiener haben richtig Stimmung gemacht und uns getragen", schwärmte Leo Köpp, der als bester Deutscher Achter wurde.

Auch die internationalen Stars der Szene liefern

Und dann waren da noch die internationalen Stars der Szene, die der EM am zweiten Tag Schwung gaben. Die belgische Olympiasiegerin Nafissatou Thiam setzte sich zum dritten Mal in Folge die EM-Krone im Siebenkampf auf, Norwegens Ausnahmekönner Jakob Ingebrigtsen lief souverän zum Titel über 5000 m und peilt nun das dritte Gold-Double über 1500 und 5000 m an.

Die kroatische Seriensiegerin Sandra Elkasevic (früher Perkovic) sammelte mit dem Diskus ihr siebtes EM-Gold ein - sie zeigte die beeindruckende Zahl mit den Fingern an und verdrückte Tränen des Glücks.

Nur aus deutscher Sicht hatte dieses schöne Leichtathletik-Fest einen Schönheitsfehler: Das DLV-Team ging am italienischen Abend leer aus.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 09.06.2024 | 08:55 Uhr