FIFA WM 2022 Die WM 2022 - ein Turnier der schwachen Standards
Der Anteil an Toren nach Standardsituationen liegt bei der WM 2022 in Katar sehr niedrig. Nur jeder fünfte Treffer fällt bislang nach einem ruhenden Ball. Was sind die Gründe für diese Flaute?
Das Standardsituationen in Fußballspielen eine wichtige Rolle spielen oder diese gar entscheiden können, ist eine Binsenweisheit. Doch diese Regel gilt bislang kaum bei der WM 2022. Beim Turnier in Katar spielen die ruhenden Bälle stattdessen eine deutlich unterdurchschnittliche Rolle.
WM 2018 wird klar unterboten
Dies zeigt ein Blick auf die Zahlen: Im Golfstaat fielen in der Vorrunde und in den Achtelfinalspielen insgesamt gerade einmal 29 Tore nach Standardsituationen. Zum Vergleich: In Russland 2018 wurden im gesamten Turnier noch 68 Treffer auf diese Art und Weise erzielt.
Man muss kein Hellseher sein um zu prophezeien, dass dieser Wert 2022 deutlich unterboten werden wird. Schließlich folgen in Katar inklusive des WM-Endspiels nur noch acht Partien.
Die bislang 29 Tore nach Standards bei der WM 2022 bedeuten einen prozentualen Anteil von 19,2 Prozent an allen bislang erzielten Treffern. In Russland waren es 40,2 Prozent - mehr als doppelt so viel.
Auch in der Bundesliga sind die Standards effektiver
Das Turnier vor vier Jahren erreichte damit einen sehr hohen Wert. Doch auch 2014 in Brasilien und 2010 in Südafrika waren Standards mit jeweils knapp 25 Prozent Anteil an den Treffern erfolgsversprechender als aktuell in Katar. Bei diesen beiden Weltmeisterschaften hatte noch jeder vierte ruhende Ball zu einem Tor geführt.
Ein Quervergleich mit der aktuellen Bundesligasaison - hier liegt die Quote bei 25,3 Prozent - belegt ebenso, dass die aktuelle WM ein Turnier der harmlosen Standards ist.
In allen Bereichen schwächer als 2018
Schlüsselt man die Statistik für das Turnier in Katar einmal näher auf, sieht man, dass die Mannschaften in allen Standardbereichen schwächer als 2018 sind. Das inkludiert Elfmeter, Ecken, Freistöße und Einwürfe.
Kurze Vorbereitungszeit - keine Automatismen
Doch was sind die Gründe dafür, dass ein vergleichsweise einfach zu nutzendes Stilmittel zum Torerfolg in Katar so wenig genutzt wird? Der Hauptgrund ist sicherlich, dass die allermeisten Spieler bis kurz vor der WM 2022 mit ihren Klubs oft in mehreren Wettbewerben auflaufen mussten. Die Vorbereitungszeit mit den Nationalteams war extrem kurz, Automatismen bildeten sich deshalb nur wenige. Zahlreiche Standardvarianten konnten deshalb nicht eingeübt, sondern maximal theoretisch besprochen werden.
Zahlreiche Spezialtrainer für Standards
Eine Verschwendung von Ressourcen, denn viele Teilnehmer der WM 2022 haben für die ruhenden Bälle längst Individualtrainer angestellt. Die deutsche Nationalmannschaft baut in diesem Bereich etwa auf Mads Buttgereit. Die DFB-Auswahl erzielte in Katar sechs Treffer - einer davon war ein ruhender Ball: Der Elfmeter von Ilkay Gündogan zum 1:0 gegen Japan im ersten Gruppenspiel (Endstand 1:2).
Der Auftrag der Spezialcoaches: Die Optimierung von Standardsituationen. Für sie war es in der Kürze der Zeit vor dem Turnier schwer, die ruhenden Bälle ausreichend trainieren zu lassen oder gar innovative Ansätze zu implementieren. Kreative sowie neue Ideen sind deshalb in Katar bisher weitgehend Fehlanzeige.
Verteidigen ist einfacher als angreifen
Stattdessen dürften sich die Trainer deshalb darauf verlegt haben, ihre Mannschaften extrem gut zu schulen, was die Abwehr von ruhenden Bällen angeht. Hier greift dann eine alte Fußballweisheit: Verteidigen ist einfacher als angreifen. Und das trägt zu der Flaute bei.
Insgesamt spricht einiges dafür, dass die harmlosen Standards in Katar den speziellen Umständen der Winter-WM geschuldet sind. Und auch wenn durch Videoanalysen gerade bei einem Weltturnier alle Mannschaften bis aufs Letzte durchleuchtet sind, dürften die ruhenden Bälle auch in Zukunft ein gern genommenes Stilmittel sein, um Tore zu erzielen. Gerade, wenn aus dem Spiel heraus offensiv wenig geht.