Katar - WM der Schande Folge 5 ein Jahr danach

Amnesty-Bericht ein Jahr nach Katar-WM FIFA und DFB weiter in der Kritik

Stand: 17.11.2023 15:30 Uhr

Ein knappes Jahr nach der Fußball-WM in Katar gibt es weiter Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Demnach habe sich die Lage der Gastarbeiter in Katar kaum verbessert. Organisationen wie Amnesty International sehen neben dem Fußball-Weltverband FIFA auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der Pflicht.

Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat sich die Lage der Gastarbeiter in Katar ein Jahr nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM am 20. November 2022 kaum verbessert. Auch die von vielen Seiten geforderten Entschädigungen für die Arbeiter, die im Zusammenhang mit Bauarbeiten im Rahmen der Weltmeisterschaft Menschenrechtsverstöße erlitten haben, bleiben laut Amnesty weiter aus.

"Katar versäumt es, seine vor der Fußball-Weltmeisterschaft eingeführten Arbeitsreformen voranzutreiben oder auch nur ordnungsgemäß durchzusetzen. Das ist nicht das positive Erbe, das die katarische Regierung den Arbeitsmigrant*innen mit der WM versprochen hatte", sagte Nahost-Expertin Katja Müller-Fahlbusch: "Wir fordern die Regierung dringend auf, den Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten zu verbessern - vor allem im Hinblick auf illegale Anwerbegebühren, Lohndiebstahl und Arbeitsplatzwechsel."

Amnesty International: "Missbrauch von Arbeitsmigranten geht unvermindert weiter"

Der Missbrauch von Arbeitsmigranten gehe ein Jahr nach der WM unvermindert weiter, hieß es in einem nun vorgelegten Untersuchungsbericht von Amnesty International. "Kaum dass Katar nach der WM wieder aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit verschwand, sanken auch die Bestrebungen der Regierung, sich für faire und bessere Arbeitsbedingungen für die Hunderttausende Männer und Frauen einzusetzen, die geholfen haben, Katars Traum von einer Weltmeisterschaft zu verwirklichen", hieß es in dem Bericht.

Auch Human Rights Watch (HRW) bestätigte, dass ein Jahr nach der WM in Katar Menschenrechtsverletzungen nach wie vor an der Tagesordnung und versprochene Arbeitsrechtsreformen zu großen Teilen nicht umgesetzt worden seien. "Die WM war eine Katastrophe für den Fußball, für die Spieler, für die Fans und für die Gastarbeiter", sagte HRW-Direktorin Minky Worden: "Es ist ein schrecklicher Fleck in der Geschichte der FIFA."

Auch die Redaktion von WDR Sport inside hatte im fünften Teil der Doku-Serie "WM der Schande" aufgedeckt, was ein Jahr nach dem Turnier von den Versprechungen der WM-Organisatoren und der FIFA übrig geblieben ist.

Dies gilt auch für die gefordeten Entschädigungen für ausbeuterische Arbeit auf den WM-Baustellen. "Die FIFA und Katar müssen sich endlich auf konkrete Fahrpläne zur angemessenen Entschädigung für alle Betroffenen von Rechtsverstößen einigen", forderte Amnesty-Expertin Müller-Fahlbusch: "Entschädigungen dürfen nicht weiter verweigert oder verzögert werden."

Auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Einrichtung der UN, hat in den vergangenen Tage einen Bericht zur Lage der Gastarbeiter veröffentlicht. Die ILO erkenne "anhaltendes Engagement" der katarischen Regierung, gleichzeitig gebe es "zweifellos bedeutende Herausforderungen", die noch bestünden, heißt es unter anderem. Seit 2018 betreibt die ILO ein gemeinsames Projekt mit der katarischen Regierung, um den Reformprozess im WM-Gastgeberland zu unterstützen. Katar finanziert dieses Projekt insgesamt mit 25 Millionen US-Dollar.

DFB in der Pflicht - Neuendorf im FIFA-Council

Die Menschenrechtsorganisationen sehen auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der Pflicht. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte stets die Forderung nach einem Entschädigungsfonds in Höhe von rund 400 Millionen Euro für verletzte oder getötete Arbeiter unterstützt. Neuendorf war auch für die Einrichtung eines Anlaufzentrums für die Arbeitsmigranten. Dabei sah er die katarische Regierung und die FIFA in der Pflicht.

Im vergangenen April übernahm Neuendorf selbst ein Amt im FIFA-Council - ob und wie er als FIFA-Funktionär für Verbesserungen kämpft, ist unbekannt. Der DFB-Präsident hatte zuvor immer mehr Transparenz bei Entscheidungen der FIFA gefordert, davon ist bislang jedenfalls wenig zu erkennen.

WM 2034 wahrscheinlich in Saudi-Arabien: "DFB verrät seine eigenen Werte"

Dies gilt auch für die schon jetzt umstrittene Vergabe der Fußball-WM 2034. Die Entscheidung, dass das Turnier 2024 in Saudi-Arabien stattfinden wird, ist zwar nicht offiziell, gilt aber als sicher - trotz aller Kritik an der dortigen Menschenrechtslage.

Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, kritisierte in diesem Zusammenhang auch den DFB-Präsidenten und FIFA-Funktionär Neuendorf, der Teil des Systems ist: "Der DFB verrät seine eigenen Werte, die Werte des Sports. Wenn man nachfragt, heißt es immer nur: Wir haben doch auch nicht so viel Einfluss, und viele andere stört es ja nicht – was sollen wir da machen? Das ist ein bequemes Sich-Herausreden", sagte Michalski. Der Verband müsse "anfangen, die Ärmel hochkrempeln und Druck auf die FIFA" ausüben: "Ich sehe nicht, dass sie das machen."

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte mitgeteilt, man wolle vor einer Bewertung der Vergabe die offizielle Bewerbung abwarten, die aber erst im Juli bei der FIFA vorliegen muss.Die FIFA hatte sich, nach ihrem verfügten Rotationsprinzip, für die WM 2034 frühzeitig auf einen Bewerber aus Asien und Ozeanien festgelegt, und damit dem Regime in Saudi-Arabien als einzigem Bewerber die WM auf dem Silbertablett serviert.

Human Rights Watch: WM 2034 "das nächste Menschenrechtsdesaster"

"Die FIFA läuft in das nächste Menschenrechtsdesaster", sagte HRW-Direktor Michalski mit Blick auf die fast schon sichere Vergabe der WM 2034 an Katars großen Nachbarn Saudi-Arabien: "Das ist ein Hohn. Jeder, der geglaubt hat, dass die FIFA da ernst macht und eine seriöse Organisation ist, muss sich jetzt veräppelt fühlen. Saudi-Arabien ist in vielen Punkten schlimmer als Katar. Die Werte, die die FIFA und untergeordnete Verbände sich geben, sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden."

Auch Amnesty International will eine wahrscheinliche WM-Vergabe an Saudi-Arabien, das schon länger Sportswashing im großen Stil betreibt, nicht hinnehmen. "Die FIFA muss aus ihren Fehlern lernen und ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst nehmen", sagte Nahost-Expertin Müller-Fahlbusch: "Dazu gehört zwingend, Menschenrechte bei der Vergabe von zukünftigen Turnieren in den Mittelpunkt der Entscheidung zu stellen." Auch Amnesty appellierte an den DFB, "mehr Druck auf die FIFA" auszuüben.