1:2 gegen Kolumbien Zweikampfstarke DFB-Frauen vergessen ihre Stärken
Nach dem Torfestival zum Auftakt galt bei Deutschland im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien die volle Konzentration der Defensive. Dafür gelang dem Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach vorne kaum etwas. Und dann patzten die Spielerinnen auch hinten noch zweimal folgenschwer.
Als der Abpfiff ertönte, starrten sich Alexandra Popp und Lea Schüller ausdruckslos an. Beide zuckten die Schultern und klatschten kurz ab. Das hatten sich die deutschen Spielerinnen ganz anders vorgestellt - dass sie trotz des späten Ausgleichs dann auch noch verloren, war doppelt bitter.
"Extrem enttäuschend", nannte Kapitänin Popp die 1:2-Niederlage gegen Kolumbien in der letzten Sekunde durch eine Schläfrigkeit bei einer Ecke. Und Schüller sagte zur entscheidenden Szene: "Das war einfach eine sehr schlecht verteidigte Standardsituation."
So verloren die DFB-Frauen Platz eins der Gruppe H an die Kolumbianerinnen. Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea am Donnerstag (03.08.2023, 12.00 Uhr) hat Deutschland die Qualifikation für das Achtelfinale allerdings nach wie vor "in den eigenen Füßen", wie Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sagte.
Deutschland hält gegen Kolumbien gut dagegen
Eigentlich hatten die DFB-Frauen fast alles von dem umgesetzt, was sie sich vorgenommen hatten. "Defensiv war das ein sehr gutes Spiel von uns", erklärte Popp. "Wir können uns eigentlich gar nicht so viel vorwerfen", sagte ihre Stellvertreterin Svenja Huth.
Mir hat das Spiel eigentlich Spaß gemacht.
Und wirklich, das Team hatte sich sehr gut auf das erwartet zweikampflastige kolumbianische Spiel eingestellt. Angeführt von Popp, die ihrer Gegenspielerin schon nach wenigen Sekunden einen Schubser versetzte, und von der rechtzeitig von ihren Oberschenkelproblemen genesenen Lena Oberdorf. "Mir hat das Spiel eigentlich Spaß gemacht", sagte die defensive Mittelfeldspielerin, die selbst ordentlich austeilen kann.
Bühl und Brand können sich außen nicht durchsetzen
Womöglich hatten die Deutschen sich aber zu sehr auf die Zweikämpfe konzentriert. Denn nach vorne ließen sie fast alles vermissen, was sie gegen Marokko (6:0) noch stark gemacht hatte. Besonders das schnelle Spiel über die Außen ging ihnen diesmal vollkommen ab.
Probleme dabei, "Chancen zu kreiieren", hatte Oberdorf erkannt und fügte hinzu: "Wir hätten mehr Flanken reinschlagen müssen." Doch weder Klara Bühl noch Jule Brand, die gegen Marokko noch eine bärenstarke Flügelzange gebildet hatten, konnten sich durchsetzen.
Was nicht nur Schüller bedauerte, die extra für den Schlussspurt eingewechselt worden war und neben Popp die zweite Mittelstürmerin gab: "Wir waren von der Größe überlegen. Mit mehr Flanken hätten wir mehr ausrichten können."
Zweites Gruppenspiel wird zum "Auswärtsspiel"
Womöglich krankte das deutsche Spiel aber auch daran, dass es einer seiner größten Stärken beraubt worden war. Wofür die Kolumbianerinnen allerdings nicht direkt etwas konnten. Die Deutschen konnten einfach nicht wie gewohnt miteinander kommunizieren - weil die Fans der Südamerikanerinnen für einen ohrenbetäubenden Lärm sorgten.
Es war eine krasse Stimmung. Man konnte sich kaum verständigen mit den Nebenspielerinnen.
Sie waren nicht nur zahlenmäßig deutlich überlegen - viele junge Kolumbianerinnen und Kolumbianer kommen zum Studieren und Englisch lernen nach Australien, und viele bleiben. Sie hatten schon bei den Nationalhymnen mit ihrem lautstarken Mitsingen ein Ausrufezeichen gesetzt. Und leiser wurde es danach nicht.
Sjoeke Nüsken fand die Stimmung "krass" und erklärte: "Man konnte sich kaum verständigen mit den Nebenspielerinnen." Schüller fand die Stimmung von den Rängen "irgendwie cool". Die Münchnerin sagte aber auch: "Das habe ich so selten gehört. Das war für uns ein Auswärtsspiel."
Popp vergibt, Kolumbien schlägt eiskalt zu
Wahrscheinlich hätte Popp kurz vor der Pause für den Stimmungskiller gesorgt - sie vergab aber die große und eigentlich auch einzige Chance zum 1:0. Beim 0:1 leistete sich die deutsche Abwehr dann den ersten schwerwiegenden Fehler. Pech hatten die DFB-Frauen, dass ein abgefälschter Ball genau bei Linda Caicedo landete. Einfach nicht gut stellten sich dann Sara Däbritz und Svenja Huth im Kampf um den Ball an.
Dass es trotz eines offensiv weiterhin sehr überschaubaren Auftritts noch zum nicht unverdienten 1:1 reichte, führte Popp auf eine "Wahnsinns-Moral" zurück. Nach starker Vorarbeit von Däbritz und Schüller umkurvte Oberdorf Torhüterin Catalina Perez und wurde gefoult. Popp verwandelte den Strafstoß sicher.
Das Remis hätte dazu gereicht, Platz eins der Gruppe zu verteidigen. Aber die deutschen Spielerinnen wollten gewinnen. Ließen aber stattdessen noch eine Ecke für Kolumbien zu und kassierten, weil sich die deutsche Abwehr im Kollektivschlaf befand, den entscheidenden zweiten Gegentreffer.
Voss-Tecklenburg hat Gesprächsbedarf
Voss-Tecklenburg fand das Spiel ihrer Mannschaft nicht "konstruktiv" genug, sie bemängelte fehlende Geduld und vermisste "eine klare Idee". Das 1:1 sei "total verdient" gewesen, umso mehr haderte sie: "Dann musst du mit dem 1:1 aus dem Spiel gehen. Das steht außer Frage. Das sind die Momente, in denen du lernen musst. Darüber müssen wir sprechen."
Es war die erste Vorrunden-Niederlage seit 28 Jahren. MVT will nun als "Vorbild vorweg gehen. Jetzt beginnt die Vorbereitungsphase mit Südkorea einen Ticken intensiver, weil du einfach weißt, du musst dieses Spiel gewinnen. Und das werden wir tun", ist die Bundestrainerin überzeugt. Hält sie Wort, wird es am Donnerstagnachmittag nach dem letzten Gruppenspiel wieder strahlende Gesichter geben.