Andreas Wellinger und Karl Geiger nach dem Weltcup in Ruka

Wie gut sind Geiger, Wellinger und Co.? Paschke und dann? Der Formcheck der DSV-Adler

Stand: 10.12.2024 13:14 Uhr

Der Gesamtweltcup-Führende Pius Paschke bestimmt derzeit die Schlagzeilen im Skisprung-Weltcup. Die anderen Deutschen um Andreas Wellinger und Karl Geiger kämpfen noch mit ihrer Flughöhe. Die Sportschau macht den Formcheck.

Ganz Wintersport-Deutschland staunt über Pius Paschke. Der 34-Jährige vom WSV Kiefersfelden feiert Sieg um Sieg und verteidigt nunmehr seit drei Wochen sein Gelbes Trikot. Nach Jahren des professionellen Existenzkampfes steht der schüchterne Oberbayer nun mitten im Rampenlicht.

Der Glanz des Ruhmes entlastet auch seine deutschen Teamkollegen, denn sie können so in Paschkes Schatten weiter nach ihrer Form für die Vierschanzentournee suchen. Neben erfreulichen Ausreißern haben Wellinger, Eisenbichler und Co. noch nicht das von ihnen angestrebte Niveau erreicht.

Andreas Wellinger – Wieder Tournee-Hoffnung?

Andreas Wellinger ist neben Paschke die größte Hoffnung für die Tournee. Vor einer Woche in Ruka, Finnland, meldete der Ruhpoldinger seine Ambitionen an, als er nach dem ersten Durchgang in Führung lag und nach dem witterungsbedingten Abbruch zum Sieger erklärt wurde.

Mit mittlerweile 29 Jahren kann Wellinger seine Leistungen nüchtern einordnen. Platz 22 in Wisla am vergangenen Samstag war beispielsweise "ein Satz mit X". Einen Tag später "arbeitete" sich Wellinger auf einen akzeptablen siebten Rang zurück. Sein Learning für den Heim-Weltcup in Titisee-Neustadt am dritten Advent: "Es ist eine kleine Änderung, die derzeit viel ausmacht an meinem Sprung." Als Weltcup-Gesamt-Sechster ist er immerhin noch ganz vorn dabei.

Karl Geiger - die Suche nach dem Flow

Was für Wellinger gilt, gilt auch für Geiger: An richtig guten Tagen springt er dank seines Ausnahmekönnens aufs Podest, wie bei Wellingers Sieg in Ruka. Doch sein System ist anfälliger als früher. Nur eine Woche später in Wisla wollte es im Training und in der Qualifikation gar nicht klappen.

Karl Geiger beim Skispringen in Wisla

Im Wettkampf zeigte der 31-jährige Oberstdorfer dann noch seine besten Sprünge und gab sich mit Platz acht und 14 "alles in allem" zufrieden. Bundestrainer Stefan Horngacher fordert von Geiger mehr Stabilität. Heißt: regelmäßig in die Top 10 springen. Diesen Anspruch konnte er bereits im vergangenen Winter nach seinem furiosen Doppelsieg in Klingenthal nicht immer gerecht werden.

Markus Eisenbichler - die kontroverse Rückkehr

Auch mit 33 Jahren scheiden sich an Markus Eisenbichler die Geister. Die Fans lieben ihn, erinnern sich gerne an seine WM-Titel und seine kernigen Interviews. Doch das ist lange her, und sein Verhältnis zu Bundestrainer Horngacher ist nach dem Disput und seiner Degradierung vor einem Jahr angekratzt.

Markus Eisenbichler beim Skispringen in Wisla

Einen ganzen Winter lang musste Eisenbichler im zweitklassigen Continental Cup um seine Rückkehr kämpfen - nun ist er wieder dabei. Platz acht in Ruka war ein erstes Ausrufezeichen, allerdings verpasste er in den drei darauffolgenden Springen den zweiten Durchgang. "Er kommt leider Gottes nicht so ins Springen und kann seine Trainingsleistungen aktuell überhaupt nicht umsetzen", rätselt auch Horngacher.

Stephan Leyhe - das deutsche Uhrwerk

Der 32-Jährige ist vielleicht die beständigste Figur der vergangenen Jahre. (Fast) immer in den Top 30, allerdings auch selten in den Top 10. Eine große Ausnahme stellte Ruka 2023 dar, als er mit Platz drei und fünf richtig auftrumpfte.

Stephan Leyhe beim Skispringen in Planica

Ausgerechnet ein Jahr später an gleicher Stelle verpasste der Willinger erst die Qualifikation und einen Tag später den zweiten Durchgang. Doch schon am vergangenen Wochenende in Wisla meldete sich die Konstanz zurück, mit Platz 18 und 20. Horngacher attestierte ihm eine "deutliche Leistungssteigerung. Er ist auf dem richtigen Weg."

Philipp Raimund - was folgt nach dem Durchbruch?

Auffällig: In der bisherigen Liste finden sich nur etablierte Kräfte. Mit Philipp Raimund wächst nun langsam aber sicher ein frisches Talent heran, das an die Weltspitze heranrückt. Der 24-Jährige strotzt vor Enthusiasmus und sprang im Februar 2024 erstmals aufs Weltcup-Podest.

Philipp Raimund beim Skispringen in Ruka

Im aktuellen Winter hakt es noch: Zweimal verpasste er bereits den zweiten Durchgang, was in der gesamten letzten Weltcup-Saison nur dreimal passiert war. Auf der anderen Seite schaffte er am Samstag in Wisla einen guten 14. Platz.

Adrian Tittel - jung, frisch, frei

Gleich nochmal ein paar Jahre jünger ist Adrian Tittel. Mit 20 Jahren darf er sich im Weltcup beweisen. In Ruka und Lillehammer schaffte es der Sachse jeweils einmal in die Punkte. Trainer Horngacher gibt dem Vize-Juniorenweltmeister weiterhin viel Zeit.

Adrian Tittel beim Skispringen in Wisla

"Es ist für den jungen Adrian Tittel eine Herausforderung, hier bei dem starken Feld mitzumischen. Er hat das ganz gut gemacht", sagte Horngacher nach Wisla, wo es Tittel immerhin einmal in den Wettkampf schaffte.

Es kann ein goldener DSV-Winter werden

Die Karten im DSV-Team scheinen vor der Vierschanzentournee Ende Dezember neu gemischt. Pius Paschke marschiert vorne weg, gemeinsam mit Andreas Wellinger gibt es zwei heiße Kandidaten auf den ersten deutschen Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002. Karl Geiger ist derzeit nur unter guten Bedingungen eine Überraschung zuzutrauen.

Die Konkurrenz kommt vor allem aus den übrigen DACH-Ländern: Gerade die starken Österreicher (Tschofenig, Hoerl und Kraft auf den Gesamtplätzen 2 bis 4) bieten mächtig Paroli, dazu kommt der formstarke Schweizer Gregor Deschwanden.

Mit Stephan Leyhe und Philipp Raimund ist das Team auch auf der vierten Position gut aufgestellt, was für die Team-Wettbewerbe essenziell sein wird. Herausgefordert werden die Beiden von Routinier Markus Eisenbichler und Youngster Adrian Tittel, die sich aber noch stabilisieren müssen.