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Interview im Wintersport Podcast Eva Pinkelnig: Wie die Skispringerin grinsend mit Rollenbildern bricht
Eva Pinkelnig ist Skispringerin, Ausnahme-Sportlerin und für viele ein Vorbild. Bei der Nordischen Ski-WM hat sie mit ihren Teamkolleginnen schon Silber geholt. Und das auch, weil sie bei sich und ihren Werten bleibt – allen Widerständen und Kritikern zum Trotz.
Wer Eva Pinkelnig trifft, trifft immer auch ihr breites Grinsen – mit dem sitzt die Skispringerin auf dem Balken, beantwortet auch im strömenden Regen von Trondheim geduldig Interviewfragen oder schultert ihre Skier abseits der Schanze. Pinkelnig ist Profi und so kommt sie, wenig überraschend, auch mit einem Strahlen zum Interview mit der Sportschau.
Im blauen Trainingsanzug wirkt sie – mitten im Trubel der Nordischen Ski-WM – gelöst und doch bei sich. Die Österreicherin ist Skispringerin, Sprecherin der Athletinnen und für viele ein Vorbild. In einer Rolle aber fühlt sie sich am wohlsten: "Am liebsten bin ich einfach die Eva", sagt Pinkelnig im Sportschau Wintersport-Podcast und grinst fast unwillkürlich.
Auf eine der anderen Rollen aber will sie sich nicht festlegen. Pinkelnig ist offen, neugierig – und will sich selbst keine Grenzen setzen, auf und fernab der Schanze. Vorbild aber will die 36-Jährige schon sein. "Das heißt einfach, dass all die Kämpfe, die ich in den vergangenen 36 Jahren gekämpft, jede Träne, die ich vergossen habe, schon wertvoll war, wenn es anderen Menschen hilft", sagt sie. Die Kämpfe hat Pinkelnig auch deshalb gekämpft, weil ihr die Karriere als Skispringerin kaum jemand zugetraut hat.
Skispringen erst Hobby, spät Beruf
Zwar hat sie schon als Fünfjährige fasziniert davon gesprochen, einmal so weit mit Skiern zu springen, ihren Traum vom Skispringen oder eben -fliegen aber hat sie sich dann fast zwanzig Jahre später erfüllt. "Da habe ich die Chance bekommen, Skispringen als Hobby zu erlernen", verrät Pinkelnig. Zwei Jahre später ist das Hobby ihr Beruf und sie im Weltcup am Start. "Das ist eine crazy Story", sagt sie und grinst. Dass ihr Karriereweg nicht linear verlaufen, die Liebe zum Sport nicht immer nur einfach war, hilft ihr heute, Dinge besser einzuordnen.
"Ich weiß, wo ich herkomme. Und – in dem Alter, in dem meine Teamkolleginnen jetzt sind, da habe ich in einem Sportgeschäft Skier verkauft", erzählt die Österreicherin. Dass sie später einmal den Gesamtweltcup gewinnt, Sportlerin des Jahres wird, Medaillen bei Weltmeisterschaften holt - all das hätte sich Pinkelnig einst im Einzelhandel nicht träumen lassen.
Werte als Kompass
"Deshalb auch der Grinser am Balken, wenn ich oben sitze. Mit allem, was ich erleben musste, aber auch schon erleben durfte, bin ich dann einfach ich, sitze hier und gebe mein Bestes. Das genieße ich am Skispringen." Mit dieser Überzeugung hat sie es auch all jenen gezeigt, die der Späteinsteigerin die große Karriere im Skispringen nicht mehr zugetraut haben. "Ich habe gelernt, auf die eigene, auf die innere Stimme zu hören", sagt Pinkelnig.
Es sind Werte, die ihre Familie, "die Oma", ihr mitgegeben haben. Das sichere Netz, die Liebe, die sie - aufgewachsen auf dem Land - mitbekommt, es ist bis heute spürbar, fast greifbar, wenn die 36-Jährige von ihrem Umfeld erzählt. Das gibt ihr Sicherheit, hilft, wenn sie doch einmal abrückt, von all dem, was ihr sonst so wichtig ist. Pinkelnig ist eine Frau mit Prinzipien - inzwischen steht sie dafür kompromisslos ein.
"Bittere Tränen der Erkenntnis"
Das aber, verrät sie, war nicht immer so. "Ich habe angefangen, meinen Wert als Mensch, über Platzierungen zu definieren." Sie habe ihre eigentlichen Werte vernachlässigt, sich neu definiert. "Das waren sehr bittere Tränen der Erkenntnis. Ich musste mir eingestehen, dass ich voll abgewichen bin." Die bittere Erkenntnis, sie stellt sich bei Pinkelnig nach schweren Stürzen und Verletzungen, schließlich einem Milzriss 2020 ein. Weil sie während der Corona-Pandemie niemand im Krankenhaus besuchen durfte, blieb der Ausnahmeathletin auf ihrem harten Weg zur Genesung viel Zeit zum Nachdenken.
"Ich glaube, dass manchmal Dinge zerbrechen müssen, dass etwas Gutes daraus entstehen kann", sagt sie heute über die herausfordernde Zeit. Pinkelnig ist auch daran nicht zerbrochen. Der Kampf ums Überleben und schließlich um die Rückkehr auf die Schanze aber hat sie auf ihre Grundfesten zurückgeworfen, ihre Sicht auf die Dinge verändert. Sie ist dankbar, dass sie noch immer das machen kann, was sie so liebt und hat eben jene Dankbarkeit auch an einem WM-Morgen im verregneten Trondheim fest in ihre Rituale zwischen wach werden und Kaffee aufgenommen. "Ich darf hier eine WM springen, mit allem, was ich schon erlebt habe", sagt sie. "Megageil."
Pinkelnig passt in keine Schublade
Dass ihr Weg zum Skispringen im Allgemeinen, aber auch zu den großen Wettkämpfen wie einer WM, ein anderer, ein vielleicht nicht ganz gewöhnlicher war, gefällt Pinkelnig. "Es ist schon ganz gut, wenn wir Rollenbilder hin und wieder brechen", sagt sie überzeugt. In Schubladen habe sie ohnehin noch nie so recht gepasst. "Muss ich auch nicht." Und dann ist es wieder da - das Grinsen, das zu Eva Pinkelnig dazugehört, wie der ausgelassene Jubel nach einem starken Sprung, die deutlichen Worte in Interviews und die Überzeugung, dass nicht jeder Weg, ein geradliniger ist.