Lindsey Vonn jubelt über ihren Podestplatz in Sun Valley

Weltcup-Finale in Sun Valley Lindsey Vonn hat noch immer "Balls"

Stand: 24.03.2025 09:35 Uhr

Für ihr Comeback wurde Lindsey Vonn von vielen scharf kritisiert. Es sollte bis zum letzten Speedrennen der Saison dauern, um diese Kritiker verstummen zu lassen.

Es war ein Märchenbuch-Finale für Lindsey Vonn: Nachdem die Sensationsrückehrerin beim Heimrennen in Sun Valley, beim letzten Speedrennen der Saison, sensationell auf das Podest gerast war, brach sie in Tränen aus. Die Kameras fingen die 40-Jährige später ein, wie sie im Zielbereich kauerte und weinte. Und auch in den Interviews nach dem Rennen kullerten dicke Tränen über die Wangen der Rekord-Athletin. "Es war eine harte Saison, in der die Leute sagten, ich könne es nicht, ich sei zu alt, ich sei nicht mehr gut genug", sagte Vonn bei "NBC Sports" und ergänzte: "Ich glaube, ich habe es allen gezeigt."

Lindsey Vonns Fahrt in Sun Valley im Re-Live

Sportschau Wintersport, 23.03.2025 17:55 Uhr

Vonn zeigte es nicht nur den Kritikern, Vonn schrieb auch - oder wieder mal - Skigeschichte: Der zweite Platz in Sun Valley war ihr insgesamt 137. Mal auf einem Weltcup-Podium. Sie ist nun die älteste Frau, die jemals auf einem Super-G-Stockerl stand. Bisher hielt die Österreicherin Alexandra Meissnitzer diesen Rekord mit gerade mal 34 Jahren. Vonn ist ganze sechs Jahre älter.

Wasmeier, Klammer, Dorfmeister verschmähten Lindsey Vonn

Viele ehemalige Skigrößen verschmähten die Entscheidung der US-Amerikanerin, es noch einmal versuchen zu wollen: 40 Jahre alt. Nach über fünf Jahren Pause. Mit einer Knie-Teilprothese. Das schien die Vorstellungskraft vieler Menschen zu überschreiten. Die deutsche Ski-Legende Markus Wasmeier nannte Vonns Pläne eine "Verarschung", Franz Klammer attestierte ihr einen "Vollschuss", die Österreicherin Michaela Dorfmeister sagte, Vonn brauche einen Psychologen.

Vonn bekam um einiges mehr ab als etwa Marcel Hirscher, der ebenfalls nach langer Pause zurückgekehrt war, sich aber nach nur wenigen Weltcup-Rennen einen Kreuzbandriss zuzog. Wo Hirschers Comeback gefeiert und höchstens als "Marketing-Gag" für seine Skifirma bezeichnet wurde, griffen Vonns Kritiker sie verbal und persönlich an.

Marco Büchel wittert Sexismus in Vonn-Diskussion

Erst der ZDF-Alpin-Experte und ehemalige Skirennfahrer Marco Büchel witterte in der Diskussion Sexismus: "Marcel Hirscher wird in den Himmel gelobt, auf Lindsey Vonn drischt man ein", so fasste es Büchel zusammen. "Bei Hirscher war der Tenor positiv, bei Vonn negativ." Er stellte die Frage in den Raum: "Ist es, weil sie eine Frau ist? Oder weil sie ein Titan-Knie hat?"

Denn auch der Zustand von Vonns Knie sorgte für allerhand Aufregung und viele Schlagzeilen: Die einen bezeichneten es als Kunstknie, die anderen als Plastikgelenk, von einer Teilprothese war die Rede. Fakt ist: Vonn hatte schon während des ersten Teils ihrer Karriere mit ihrem Knie zu kämpfen, ein Eingriff erlaubt es ihr, jetzt wieder skizufahren - und zwar auf Top-Niveau.

Lindsey Vonn will Olympiamedaille holen

Am Sonntag zeigte sie: Ihr Knie kann selbst schwierigen Weltcup-Pisten wie der "Challenger"-Strecke standhalten: Die vielen eng aneinandergereihten Kurven, die steil abfallenden Hänge - ihr Gelenk trotzte allen Widrigkeiten. Dass Vonn am Sonntag Zweite wurde, ist aber auch beachtlich, weil die Stärken der US-Amerikanerin eigentlich beim Gleiten liegen. Gleitpassagen und flache Abschnitte, wo Vonn oft tief in die Hocke geht, die Skier gefühlvoll flachstellt, gab es auf dem Bald Mountain keine.

Die Funpark-ähnliche Strecke aber verlangte den Athletinnen eine Sache ab, von der Vonn ganz besonders viel hat: Mut. Immer wieder sorgte Vonn in ihren gewohnt lockeren Interviews für Schmunzler, wenn sie sagte, man müsse "Balls", also Eier haben, um schnell skizufahren. Am Sonntag bewies Vonn: Die "Balls" hat sie nach wie vor, das Knie hält, die Kritiker konnte sie fürs Erste stumm stellen.

Ihren letzten großen Traum als Skirennfahrerin aber will sie sich nächste Saison erfüllen: Auf ihrer Lieblingsstrecke in Cortina d'Ampezzo will sie sich eine Olympia-Medaille holen.