Heim-Weltcups im Gelben Trikot Franziska Preuß - "Ich habe mein Ding durchgezogen"
Franziska Preuß erlebt gerade einen herausragenden Biathlon-Winter. Im Wintersport-Podcast spricht die 30-Jährige über die Gründe für ihre Konstanz und erzählt, wie sie mit der neuen Situation als "Gejagte" umgeht.
Sportschau: Sie sind aktuell Gesamtführende im Biathlon-Weltcup. Wie fühlt sich das an?
Franziska Preuß: Es ist für jeden Sportler die Motivation, dass man mal ganz vorne steht. Es fühlt sich noch ein bisschen unrealistisch an, aber es ist natürlich für mich eine große Ehre. Und ich weiß es sehr zu schätzen, weil ich auch die Kehrseite von diesem ganzen Zirkus kenne. Ich freue mich darauf, jetzt die deutschen Weltcups (in Oberhof und Ruhpolding, Anm. d. Red.) in Gelb zu starten. Ich genieße es.
Sportschau: Spüren Sie die Euphorie der Fans, den Support auch in den sozialen Medien?
Preuß: Es freut uns immer, wenn wir den Sport ein bisschen in die 'normale Bevölkerung' bringen und wenn eine Euphorie entsteht. Und man merkt es auch, wenn man beispielsweise im Dorf zum Einkaufen geht. Man wird schon angesprochen, das ist mega nett.
Es freut mich, wenn viele mitfiebern. Die, die mich kennen, haben auch Jahre gehabt, in denen sie mitgelitten haben. Deshalb ist es jetzt schön, wenn sie sich auch mal freuen können.
Sportschau: Wie haben Sie den Jahreswechsel verbracht? Gibt es Vorsätze oder Wünsche?
Preuß: Recht unspektakulär auf der Couch. Daheim hat der Biathlon nicht so die große Rolle. Ich wäre einfach ganz happy, wenn es so weiterlaufen würde wie bisher, dass ich gesund bleibe, weiter Freude habe, das Ganze genießen kann und mit einer gewissen Lockerheit an die Wettkämpfe herangehe. Da wäre ich schon sehr happy - mehr wünsche ich mir gar nicht.
Sportschau: Sie hatten im Sommer eine OP an der Nase, um besser Luft zu bekommen. Hat sich das ausgezahlt? Und haben Sie erwartet, dass der Winter so gut laufen würde?
Preuß: So gut hätte ich es nicht erwartet. Ich habe schon gewusst, dass ich gut durch den Sommer gekommen bin, ich habe im Training wenige Kompromisse gemacht und mein Ding wirklich durchgezogen, viel alleine trainiert und auf das gesetzt, von dem ich weiß, dass es effektiv für mich ist.
Franziska Preuß im September beim City-Biathlon in Dresden
Die Leistungstests sahen auch gut aus, ich konnte mich weiterentwickeln. Und auch vom Kopf her merkt man das, wenn man quasi keine Trainingseinheit dabei hat, bei der man sich denkt: Wofür mache ich das eigentlich? Ich habe gespürt, dass ich einfach stabil bin, habe mich im Sommer belastbarer gefühlt - ich glaube ein Stück weit durch die OP, weil einfach ein Entzündungsherd weg war, auf den ich zuvor immer ein bisschen aufpassen musste.
Sportschau: War das Ihr Geheimrezept?
Preuß: Es war im Endeffekt kein Hexenwerk. Ich habe das trainiert, was ich auch in den Jahren zuvor gemacht hab, als Sportler spürt man einfach, welche Einheiten einem etwas bringen. Ich habe meine Linie durchgezogen, war bei fast keinen Lehrgängen dabei, weil mir da ein bisschen die Überzeugung fehlt. Ich bin seit elf, zwölf Jahren im Weltcup - für mich ist es keine Motivation mehr, auf offizielle DSV-Lehrgänge zu fahren.
Ich habe dieses Jahr versucht, eher alleine wegzufahren. Wenn man dann selbst alles organisieren muss, wo schlafe ich, wo sind kurze Wege zum Stadion, wie läuft es mit der Verpflegung? Und wie trainiere ich dann, welcher Rhythmus, Belastung, Erholung - das war für mich eine coole Motivation. Da steht man anders dahinter, so habe ich jeden Tag optimal genutzt und die Balance, glaube ich, ganz gut gefunden.
Sportschau: Wie kommt das an? Sind alle begeistert, wenn Sie alleine trainieren, oder müssen Sie auch verteidigen, dass Sie das so machen?
Preuß: Die Situation bei uns ist echt cool, gerade auch für mich als erfahrene Athletin. Es wird immer alles ehrlich besprochen und die Trainer sind offen für alles. Man muss keine Energie verschwenden für irgendwelche Diskussionen. Ich sage ihnen: So wäre mein Plan, hier wäre jetzt eine rote Linie für mich. Dann versuchen die Trainer mich bestmöglich zu unterstützen.
Sportschau: Als Weltcupführende ist der Druck groß. Wie gehen Sie damit um?
Preuß: Ich muss ehrlich sagen, ich spüre den Druck für mich selbst gar nicht so. Für mich steht mehr im Vordergrund, dass das cool ist, dass ich jetzt bei den Heim-Weltcups Gelb tragen darf, das ist ein Erfolg. Daran denke ich eher, als daran, dass ich das verteidigen muss.
Biathletin Franziska Preuß im Gelben Trikot
Sportschau: Das Gelbe Trikot beflügelt also?
Preuß: Naja, im Wettkampf ist es schon hart mit Gelb. Da merkt man die Beflügelung wenig. Aber wie gesagt, ich habe schon die andere Seite kennengelernt, wenn jeder Wettkampf ein Kampf ist. Ich finde es einfach schön, dass es gerade läuft, dass ich mich auf meinen Körper verlassen kann. Ich merke die Lockerheit.
Sportschau: Auch Ihre Teamkolleginnen erleben eine gute Saison. Beim Massenstart in Annecy sind Sie als Führende auf die Schlussrunde gegangen, Selina Grotian hat Sie noch überholt - und Sie habt einen Doppelsieg geholt. War das etwas anderes, als wenn Athletinnen aus anderen Ländern an einem vorbeiziehen?
Preuß: Nein, eigentlich nicht, ich war da völlig fein mit mir. Ich war ja noch angeschlagen und einfach froh, dass ich es geschafft habe und gut punkten konnte. Ich hätte auf der Schlussrunde keine Chance gehabt, da muss man sie dann ziehen lassen.
Anders war es beim Massenstart in Kontiolahti, da war es ja ein deutsches Dreiergespann. Da pusht einen das schon, man mag sich natürlich nicht von 19- oder 20-Jährigen überholen lassen, da habe ich dann schon alle Körner mobilisiert und wollte dagegenhalten.
Sportschau: Wie blicken Sie generell gerade auf die Leistung des Teams, wie ist der Teamspirit bei all den Erfolgen?
Preuß: In Kontiolahti hat man das gemerkt: Wenn dann mal ein deutscher Zug entsteht, ensteht automatisch eine Dynamik: Die Jungen sind motiviert, die Älteren zu überholen, die Älteren wollen sich nicht überholen lassen. Ich finde das cool, wenn man das so positiv nutzt und diese Dynamik einfach entstehen lässt. Das motiviert dann alle. Auch eine Julia Kink weiß: Was eine Julia Tannheimer schaffen kann, das kann ich auch schaffen. Sie ist dann motiviert und brennt darauf.
Das gesamte Interview mit Franziska Preuß mit Themen wie der für Preuß unglücklich verlaufenen WM 2024 in Nove Mesto sowie ihrer Meinung zu den Regeländerungen im Biathlon gibt es im Wintersport-Podcast der Sportschau.