Merle Menje und Lise Petersen Ziemlich beste Paralympics-Freundinnen
Vor drei Jahren feierten die Leichtathletinnen Lise Petersen und Merle Menje ihr Paralympics-Debüt. Ausgerechnet im Corona-Sommer 2021 in Tokio mit all den Einschränkungen. Nun sind die Freundinnen auch in Paris wieder dabei - und wollen die Veranstaltung gemeinsam genießen.
Hier ein kleiner Plausch mit anderen Athleten in der Pariser Sonne. Da ein kleiner Shopping-Bummel im Paralympischen Dorf. Oder doch ein ausgiebiges, entspanntes Mittagessen in der großen Mensa. Speerwerferin Lise Petersen und Rennrollstuhlfahrerin Merle Menje ist deutlich anzumerken, dass ihnen die ersten Tage an der Seine richtig gut gefallen.
"Es ist entspannter, als es in Tokio war. Die Leute sind gelassener, weil es keine Corona-Auflagen gibt. Hier können sich alle frei bewegen - ohne Maske. Man sieht die anderen und die Stimmung ist megagut. Es macht richtig Spaß, hier zu sein", sagt die 19-jährige Petersen.
"Tokio war super, um Erfahrungen zu sammeln"
Man könnte meinen, es wäre der denkbar schlechteste Zeitpunkt für die erste Paralympics-Teilnahme gewesen. Ausgerechnet im Corona-Jahr 2021 mit den strikten Regeln in Japan. Aber die ein Jahr ältere Menje winkt ab: "Wir hatten in Tokio keinen Vergleich, wie Paralympics sonst ablaufen. Es war für uns groß, überhaupt da zu sein. Aber umso schöner ist es jetzt, so haben wir noch ein zweites Paralympics-Debüt."
Und Menje blickt weder aus sportlicher Sicht noch der fehlenden Zuschauer wegen mit Wehmut zurück: "Für uns war es sogar super, weil wir Erfahrungen sammeln und ganz entspannt rangehen konnten. Davon können wir jetzt nur profitieren."
Freundschaft auf über 1.000 Kilometer Entfernung
Für beide ist es wichtig, dass sie wieder zusammen unterwegs sind. Wie immer belegen sie gemeinsam ein Doppelzimmer. Das ist längst Standard, fragen muss sie da keiner mehr. Dabei führen die beiden eine "Fernfreundschaft".
"Wir sehen uns eigentlich nur, wenn es drauf ankommt", sagt Petersen und lacht. Sie wohnt und studiert mittlerweile in Hamburg. Menje, die nach wie vor für den Stadt-Turnverein Singen startet, trainiert bei Paul Odermatt in der Schweiz. Dort wo auch ihr großes Idol Marcel Hug, viermaliger Paralympics-Goldmedaillengewinner von Tokio, zum Star der Szene geworden ist.
"Lise und mich trennen über 1.000 Kilometer, aber wir halten zwischen den Wettkämpfen Kontakt", erzählt Menje und Petersen fügt hinzu: "Dementsprechend groß ist dann die Vorfreude, wenn die Nominierung für beide kommt und wir wissen, dass wir wieder zwei Wochen zusammen auf einem Zimmer sind."
Petersen weint bei Nominierung wieder vor Freude
Apropos Nominierung. Vor drei Jahren ging ein Video von der jüngeren Lise im Internet viral, das sie bei der Bekanntgabe des Paralympics-Kaders zeigte und wie ihr die Gesichtszüge entglitten, als sie unverhofft nominiert wurde. Auch diesmal gibt es ein Video. Und auch wenn es ihr diesmal gelang, die Fassung zu wahren - ein paar Tränen verdrückte sie doch vor Freude.
Ich habe einfach gehofft, dass es für die Nominierung gereicht hat. Ein paar Tränchen sind gekullert, aber es ist mir nicht wieder alles aus dem Gesicht gefallen wie beim letzten Mal.
Petersen erzählt: "Für das Video hat meine Mama gesorgt. Ich war diesmal angespannter, weil ich mit mehr Erwartungen an die Nominierung herangegangen bin. In dem Moment ist einfach super viel Anspannung von mir abgefallen."
Menje im Dauereinsatz, Petersen nur an einem Tag gefordert
In Paris genießen die Freundinnen ihre wettkampffreien Tage. Allerdings werden die Spiele für Menje schnell wieder zum Dauerwettkampf. Sie startet schon am Freitag im Vorlauf über die 5.000 m. Nach dem Finale am Samstag stehen noch die Rennen über 800 m (1. September), 1.500 m (2.) und zum Abschluss der Marathon (8.) an.
Mein Ziel ist es, ins Finale zu kommen. Ich würde nicht behaupten, dass mein Ziel eine Medaille ist. Einfach weil es unrealistisch ist.
Am größten sind Menjes Medaillenchancen, in Tokio war sie zweimal Vierte, über die beiden kürzeren Strecken. Sie ist als Weltmeisterin über die 800 m nach Paris gekommen. Im japanischen Kobe holte sie sogar einen kompletten Medaillensatz - Silber gab es über die 5.000 m, Bronze über die 1.500 m. Allerdings waren bei der WM nicht alle Top-Athletinnen am Start. Eine Medaille in Paris bezeichnet sie als "unrealistisch".
Die eine Freundin inspiriert die andere
Petersen muss sich bis zu ihrem Speerwettkampftag noch bis zum 6. September gedulden. "Ich finde es inspirierend zu sehen, wie Merle mit ihrem Rennrollstuhl die Bahn zum Brennen bringt und da bekomme ich auch Bock, alles zu geben", sagt die gebürtige Schleswig-Holsteinerin.
Was ist möglich für die Siebte von Tokio? "Ich habe in den letzten zwei Jahren vier Meter Weite draufgepackt bei der Bestleistung und habe von Tokio zur WM trotzdem nur einen Platz gutgemacht." Das Ziel ist deshalb keine genaue Platzierung: "Wir wollen beide denen da oben Druck machen und sie ein bisschen ärgern."
Große Freude über den Zuschaueransturm
Aber jetzt soll es auch so langsam mal losgehen mit ihrem zweiten Paralympics-Debüt. Besonders die Gedanken an ein ausverkauftes Olympiastadion sorgen für Vorfreude. "Für uns im Behindertensport geht es in die richtige Richtung. Immer mehr Menschen erkennen uns als Sportler an und sehen unsere Leistungen", freut sich Menje.
"Man muss sich voll das Grinsen verkneifen, wenn man darüber nachdenkt, dass sich solche Menschenmengen überlegen, nicht nur die olympischen Athleten, sondern auch uns anzufeuern", sagt Petersen. "Vielleicht kann ich vorher bei Merle schon mal einen Wettkampf angucken - wenn die Leute da sind und einem zujubeln. Ich freue mich mega drauf."
Die Freundinnen wollen füreinander da sein
Und egal, wie es ausgehen sollte, die Freundinnen wollen füreinander da sein. "Auch wenn wir beide nicht in derselben Disziplin sind, versteht Lise meine Gedanken und Gefühle. Da können wir uns gegenseitig unterstützen und vertrauen - gerade auch, weil wir alles zum ersten Mal gemeinsam erlebt haben", betont Menje.
Petersen fügt hinzu: "Wenn man von seinem Wettkampf zurück ins Zimmer kommt, dann kann es schon ein einsamer Moment sein." Egal ob es gut oder schlecht ausgegangen ist, in diesem Moment falle die Anspannung ab. "Dann sitzt man da und muss das erst mal verarbeiten. Es ist einfach mega viel wert, dass ich das mit Merle teilen kann. Dass man aufs Zimmer kommt und weiß: Da ist jemand und ist stolz, unabhängig davon, wie es lief."