Paralympics 2024 in Paris Das sind die deutschen Medaillenhoffnungen für Paris
Die Weitspringer Markus Rehm und Léon Schäfer, Triathlet Martin Schulz, Tischtennisspieler Valentin Baus, Kanutin Edina Müller: Bei den Paralympischen Spielen in Paris gehen viele Deutsche mit Medaillenchancen an den Start. Sportschau stellt einige von ihnen vor.
Markus Rehm
Den Weitsprung-Weltrekordler und viermaligen Paralympics-Sieger treibt ein Traum an: Als erster Mensch der Welt will der 36-Jährige über die Neun-Meter-Marke fliegen. Rehm ist im 14. Jahr seiner internationalen Karriere ungeschlagen. Der einseitig oberschenkelamputierte Prothesenspringer gewann schon 2012 bei den Paralympics Gold. 2016 in Rio (dazu war er Teil der goldenen 4x100-Staffel) und auch 2021 in Tokio holte Rehm den Titel. Im vergangenen Jahr verbesserte er seinen eigenen Weltrekord auf 8,72 Meter. Wie weit hinaus geht es für ihn am 4. September im Stade de France?
Edina Müller
Die 41-Jährige gehört zu den erfahrensten deutschen Athleten in Paris - und zu den erfolgreichsten. Müller, die querschnittsgelähmt ist, brachte das Kunststück fertig, nach Silber (2008) und Gold (2012) im Rollstuhlbasketball auch Silber (2016) und Gold (2021) im Kajak aus paralympischen Gewässern zu fischen. Mit "im Gepäck" hatte sie vor drei Jahren in Tokio aber auch ihr ganz persönliches Glück: Sohn Liam durfte die Reise nach Japan mit antreten. In Paris wird der mittlerweile Fünfjährige wohl schon besser verstehen, was es mit den kleinen runden Metallscheiben an Mamas Hals auf sich hat. Das Finale im Kajak-Einer der Frauen über 200 m wird am 6. September ausgefahren.
Valentin Baus
Zwei Paralympics-Starts, zwei Medaillen: Nach Silber in Rio holte der mittlerweile 28 Jahre alte Tischtennisspieler von Borussia Düsseldorf in Tokio den Paralympics-Sieg im Einzel. Es war die erste Tischtennis-Goldmedaille für Deutschland seit 2012 in London. Baus hat die Glasknochen-Krankheit und spielt im Rollstuhl. In Paris rechnet er sich neben dem Einzel in der Klasse 5 (03.09.2024), im Doppel mit seinem Klubkollegen Thomas Schmidberger (31.08.2024) und im Mixed an der Seite von Jana Spegel (01.09.2024) Chancen aus.
Elena Krawzow
Ihren großen Gold-Moment von Tokio über 100 m Brust konnte die Schwimmerin - die auch nach ihrer Hochzeit statt ihres neuen Namens Semechin weiter als Elena Krawzow schwimmt - leider nicht lange genießen: Bei ihr wurde kurz nach den Spielen ein Hirntumor diagnostiziert. Die mittlerweile 30-Jährige zog noch vor der Operation die geplante Hochzeit mit ihrem Trainer durch und kämpfte sich nach OP und Chemotherapie in beeindruckender Weise zurück. Im vergangenen Jahr wurde sie Weltmeisterin auf ihrer Spezialstrecke und in diesem Jahr Europameisterin. "Der Krebs hat sich die Falsche ausgesucht", lautet ihre Kampfansage. In Paris startet Krawzow, die nur noch über zwei Prozent Sehkraft verfügt, über 50 m Freistil (02.09.2024) und 100 m Brust (05.09.2024).
Léon Schäfer
Gold-Favorit im Weitsprung - das war er schon vor den Paralympics in Tokio, doch dann entriss ihm der Südafrikaner Ntando Mahlangu mit fünf Zentimetern Vorsprung den Sieg. In diesem Jahr war lange Zeit auch kein Athlet in Sicht, der Schäfer in der Prothesenklasse T63 das Wasser hätte reichen können. Bis der Niederländer Joel de Jong Anfang Juli 7,67 m weit springt und seinen Weltrekord pulverisiert. Am 31. August kommt es im Stade de France zum Showdown zwischen den beiden Favoriten.
Leon Schäfer
Natascha Hiltrop
Die Gewehrschützin vom SV Lengers holte in Tokio das erste Schützen-Gold seit 2004 nach Deutschland, dazu kam Silber im Dreistellungskampf - und die Auszeichnung, bei der Schlussfeier die deutsche Fahne ins Stadion tragen zu dürfen. Auch in Chateauroux gehört die Inspektoranwärterin, die eine inkomplette Querschnittslähmung hat, wieder zu den Favoritinnen: Hiltrop startet mit dem Luftgewehr (01.09.2024), im Dreistellungskampf (03.09.2024) und im Mixed mit dem Luftgewehr (05.09.2024).
Martin Schulz
Europameister, Weltmeister, Paralympics-Sieger - der Triathlet hat offensichtlich ein Sieg-Abo abgeschlossen. Auch für Paris hat sich der mittlerweile 34-Jährige die Goldmedaille als Ziel gesetzt, es wäre der dritte Paralympics-Sieg nacheinander für den Leipziger, dem seit der Geburt der linke Unterarm fehlt. Vor dem Schwimmen in der Seine hat Schulz Respekt, nicht nur wegen der Wasserqualität, sondern vor allem wegen der fiesen Strömung. Am 1. September um die Mittagszeit wird klar sein, wie er die Herausforderung bewältigt hat.
Niko Kappel
Weltmeister, Weltrekordhalter - und (fast) immer gute Laune: Das ist Niko Kappel. Der kleinwüchsige Kugelstoßer holte in Rio vor acht Jahren Paralympics-Gold, hatte dann ein sportliches Tief, meldete sich aber rechtzeitig vor Paris zurück. Als erster Kugelstoßer seiner Startklasse (F41) übertraf Kappel im Mai die 15-Meter-Marke (15,07 m). Der 29-Jährige ist auch als Lokalpolitiker aktiv - er sitzt für die CDU im Gemeinderat der Stadt Welzheim in Baden-Württemberg. Sein Hauptthema: Sport und Inklusion, ein Betätigungsfeld, das sich der redegewandte Kappel auch für die Zeit nach seiner Karriere vorstellen könnte. Im Stade de France ist Kappels großer Auftritt für den 2. September geplant.
Annika Zeyen-Giles
Gold im Zeitfahren, Silber im Straßenrennen - die Medaillenträume erfüllten sich für die Handbikerin vom SSF Bonn gleich bei den ersten Spielen nach ihrem Umstieg. Zeyen-Giles ist eine Paralympics-"Veteranin". Von 2004 bis 2016 nahm die seit einem Reitunfall querschnittsgelähmte Sportlerin als Rollstuhlbasketballerin teil, mit dem Höhepunkt des Paralympics-Sieges der deutschen Frauen in London 2012. Seither macht sie den Straßenradsport "unsicher". In Paris startet sie erneut im Zeitfahren (04.09.2024) und im Straßenrennen (05.09.2024).
Taliso Engel
Paralympics-Sieger von Tokio, Europameister, Weltmeister und Weltrekor-Inhaber - wer soll Taliso Engel den Weg zu seiner zweiten Goldmedaille über 100 m Brust versperren? Der fast blinde Schwimmer von Bayer Leverkusen kämpfte zuletzt mit Problemen am rechten Ohr. Der 21-Jährige hört auf dem Ohr nichts mehr, im vergangenen September wurde ihm ein Implantat eingesetzt. Im Becken scheint ihn das aber nicht zu beeinträchtigen. Am 5. September will er in der La-Defense-Arena sein zweites Paralympics-Gold holen. Auch über 50 m Freistil (02.09.2024) und 200 m Lagen (03.09.2024) geht er in Paris an den Start.
Felix Streng
"Streng genommen ziemlich schnell", lautet der Wahlspruch des Sprintkönigs von Tokio, der in der Klasse T64 Gold (100 m) und Silber (200 m) holte. Der Prothesensprinter vom Sprintteam Wetzlar fehlt der rechte Unterschenkel. Vor Tokio hatte er die starke Leverkusener Sprint-Trainingsgruppe mit Johannes Floors, Léon Schäfer, Markus Rehm, David Behre und Irmgard Bensusan verlassen. Für ihn offenbar die richtige Entscheidung. Streng ist in Paris wieder über 100 m (02.09.2024) und 200 m (07.09.2024) am Start, vielleicht auch in der gemischten Staffel.
Jana Majunke
Doppel-Gold im Zeitfahren und im Straßenrennen: Bei ihren zweiten Paralympics in Tokio trumpfte die Cottbuserin, die mit dem Dreirad startet, groß auf und kehrte als die erfolgreichste deutsche Para-Athletin von den Spielen in Japan heim. Wiederholen will sie das Kunststück auf den Straßen um Clichy-sous-Bois am 4. September (Zeitfahren) und am 7. September (Straßenrennen).
Johannes Floors
Drei Medaillen hat der Prothesenläufer bereits in seiner Sammlung - in Paris sollen weitere dazukommen. Nach Gold in Tokio gilt der Athlet von Bayer Leverkusen auf der Stadionrunde erneut als Topfavorit in der Klasse T62 und hat den Paralympics-Sieg als Ziel ausgegeben. Floors ist mit einem Fibula-Gendefekt zur Welt gekommen. Seine Unterschenkel und Füße waren deformiert, die Wadenbeine fehlten. Mit 16 ließ er sich nach jahrelangen Schmerzen beide Unterschenkel amputieren. Der Orthopädietechnik-Mechaniker bezeichnet diesen Schritt selbst als die beste Entscheidung seines Lebens. Zu sehen ist Floors in Paris am 2. September (100 m), am 6. September (400 m) und eventuell in der Staffel.