Leichtathletik bei den Paralympics Léon Schäfer - Enttäuschung, Bewunderung und ein Plan B
Mitfavorit Léon Schäfer ging am Samstag im Weitsprung leer aus. Der Leverkusener ärgert sich über eigene Experimente, bewundert die Konkurrenz - und hat einen Plan B für das ersehnte Paralympics-Gold.
Der Frust saß tief bei Léon Schäfer. Minutenlang ließ sich der 27-jährige nach dem Wettkampf im Para-Weitsprung von seinen Freunden trösten. Danach wollte der Gold-Mitfavorit das Stade de France wortlos verlassen. Schäfer war enttäuscht – darüber, dass er die angepeilte Goldmedaille verpasst hatte. Darüber, dass er in Paris ganz ohne Weitsprung-Medaille bleiben wird. Darüber, dass er sogar unter der 7-Meter-Marke blieb. Statt Gold blieb dem Deutschen nur Blech – der vierte Platz war weit hinter den Ansprüchen des Weltmeisters und Silber-Gewinners von Tokio.
"Gemacht für die großen Momente"
Der Sportschau gab Schäfer schließlich doch ein Interview. Ein ratloses Interview: "Ich bin eigentlich gemacht für die großen Momente. Ich kann es mir nicht erklären", sagte der zweifache Paralympics-Medaillengewinner von Tokio 2021. "Das Niveau, das die Jungs heute gesprungen sind, habe ich normalerweise auch drin. Ich konnte es heute einfach nicht abrufen."
Vier Bestmarken im Finale - nur nicht bei Schäfer
Der Unterschied zwischen Schäfer und der Konkurrenz: Vier der sieben Finalisten im Para-Weitsprung-Wettbewerb der Startklasse T63 konnten am Samstag in Paris persönliche Bestweiten abrufen. Goldmedaillengewinner Joel de Jong verbesserte den eigenen Weltrekord um einen Zentimeter auf 7,68 Meter, der Däne Daniel Wagner (7,39 Meter) und der Niederländer Noah Mbuyamba (7,01 Meter) stellten neue persönliche Bestmarken auf.
Schäfer: "Zu viel getestet"
Schäfer blieb dagegen mit 6,93 Metern rund mehr als 30 Zentimeter hinter seinem Leistungsvermögen. "Die letzten Wochen waren nicht einfach", suchte der fünffache Weltmeister nach Gründen für den enttäuschenden Wettkampf: "Ich habe in den vergangenen Wochen zu viel herumgetestet und hatte zu wenig Sicherheit in den Sprüngen. Ich habe die Sprünge in mir, aber heute hat die Unsicherheit übernommen."
Popow: "Tut extrem weh"
Kurz vor den Paralympics hatte Schäfers Top-Konkurrent de Jong bei einem Wettkampf in Leverkusen mit 7,67 Metern Schäfers bisherigen Weltrekord (7,25 m) pulverisiert. Ein mentaler Tiefschlag für den Deutschen, der mit seinem Mentor Heinrich Popow fieberhaft nach einer Lösung suchte, zurückzuschlagen - und dabei zu viel experimentierte. Popow: "Er hat in den letzten vier bis sechs Wochen die Sicherheit verloren. Ich konnte sie ihm auch nicht geben. Es tut mir extrem weh, was heute passiert ist", so der frühere Paralympics-Sieger und heutige Orthopädietechniker und Trainer in der Sportschau.
Bewundernd blickte Schäfer auf die weiten Sätze der Konkurrenz: "Ich denke, es geht noch mehr. Wir können an die acht Meter ranspringen. Ich finde es geil."
"Gehyped für die 100 Meter"
Noch im Interview drehte sich bei Schäfer schon der Fokus - auf den 100-Meter-Lauf. Hier wurde er bei den Paralympics 2021 Dritter, bei der WM in diesem Jahr siegte er aber. "Ich glaube, der Sprint hat zuletzt übernommen", so der oberschenkelamputierte Leichtathlet. Schäfer schaltete am Samstagabend noch in den "Jetzt erst recht"-Modus, der ihn auszeichnet. In der Quali für den 100-Meter-Lauf am Sonntag und danach im Finale am Montag (2. September 2024) soll der Gold-Knoten platzen: "Ich konnte heute nicht abrufen, was in mir steckt. Umso mehr bin ich gehyped für die 100 Meter."