Erster Einzel-Olympiasieg seit 1996 Christian Kukuk springt in Versailles zu Gold
Erstes Einzel-Gold für die deutschen Springreiter seit 1996: Christian Kukuk hat in Versailles mit zwei fehlerfreien Ritten den Olympiasieg geholt. Er setzte sich im Stechen gegen den Schweizer Steve Guerdat und den Niederländer Maikel van der Vleuten durch.
Als Christian Kukuk an diesem Dienstagmittag (06.08.2024) in den Stechparcours ritt, war er schon ein Sieger. Nur drei Null-Fehler-Ritte hatte es gegeben, eine Medaille war ihm also nicht mehr zu nehmen. Für den 34-Jährigen ging es auf seinem westfälischen Wallach Checker 47 gegen Schweizer Steve Guerdat sowie den Niederländer Maikel van der Vleuten nur noch um ihre Farbe.
Kukuk legte - als Langsamster der Fehlerlosen - vor. Und wie. Wieder blieben alle Stangen liegen und auch die Zeit von 38,34 Sekunden war ein Statement. Es war ein Traum-Ritt im perfekten Moment. Er setzte die Konkurrenten damit unter Druck - und die konnten nicht mehr kontern. Guerdat mit Dynamix de Belheme und van der Vleuten mit Beauville Z leisteten sich beide je einen Abwurf.
Kukuk: Dank an Checker-Mitbesitzer Thomas Müller
Das hatte Kukuk alleine auf dem Abreiteplatz verfolgt. Er bangte - und als die Sensation schließlich feststand, ging er in die Knie. Er konnte gar nicht richtig fassen, was er da geschafft hatte. Das war auch Minuten später im Sportschau-Interview noch so. "Es dauert noch ein bisschen, bis ich überhaupt realisiert habe, was jetzt hier heute gerade passiert ist", sagte er. Es sei "ganz wenigen Menschen gegönnt, eine olympische Goldmedaille zu gewinnen. Ich bin jetzt einer davon. Das ist etwas Unfassbares."
Er dankte vielen - auch Thomas Müller. Der Bayern-Star ist mit Madeleine Winter-Schulze nämlich Besitzer von Checker 47. "Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, das Pferd weiterreiten zu können", sagte Kukuk. Sonst wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen, denn "er ist in einer eigenen Liga unterwegs. Das hat er heute hier eindrucksvoll bewiesen."
Bereits früh im Parcours
Die Grundlage für den Gold-Ritt hatten Kukuk und Checker 47 schon früh am Vormittag gelegt. Zum ersten Mal war der 34-Jährige um 10:22 Uhr im Parcours von Versailles gestartet. Sein zeitiger Auftritt im ersten Umlauf des Einzel-Finales war gewissermaßen noch die Last des Vortags. Als 24. hatte Kukuk den Einzug in die Medaillenentscheidung der besten 30 Paare geschafft. Es war eine ziemliche Zitterpartie gewesen in einer Qualifikation, die für das deutsche Trio insgesamt enttäuschend verlief.
Nun wurde in umgekehrter Reihenfolge gestartet. Für Kukuk hieß das: Er war bereits im ersten Drittel des Finalfeldes dran. Und auf ihm lasteten die letzten Hoffnungen der deutschen Springreiter auf eine Medaille in Versailles. Philipp Weishaupt - mit Zineday als zweites Paar gestartet - hatte sich nämlich einen Abwurf und einen Zeitfehler geleistet und bereits keine Chance mehr auf eine Top-Platzierung. Am Ende wurde er Zwölfter. Richard Vogel war nach Platz 55 in der Qualifikation nur Zuschauer.
Dem Druck getrotzt
Der Druck war also groß, als Kukuk im ersten Umlauf in der komplett gefüllten 15.000-Zuschauer-Arena auf das erste von 19 Hindernissen zuritt. Doch der 34-Jährige aus dem Stall des viermaligen Olympiasiegers Ludger Beerbaum ("Er hat den aller-, aller-, allergrößten Anteil an dieser Goldmedaille. Er hat mich dahin gebracht, wo ich bin.") hielt stand und ballte nach 82,38 Sekunden seine Faust. Bundestrainer Otto Becker klatschte begeistert, vor allem aber auch erleichtert. Kein Fehler war Kukuk unterlaufen, zu diesem frühen Zeitpunkt als Erstem überhaupt an diesem Vormittag.
"Ein absoluter Wow-Moment. Da weiß man, wieso man so viel in Kauf nimmt und all die Jahre dafür arbeitet", sagte er wenig später im Sportschau-Interview - und blickte bereits nach vorne auf das Stechen: "Die Reise geht weiter. Jetzt heißt es, kurz durchatmen und sich wieder straffen. Ich werde alles geben, um eine Medaille mit nach Hause zu nehmen", sagte der Reiter aus Riesenbeck.
Dass das klappen sollte, war dann eine gute Stunde später sogar schon vor dem Stechen klar. In dem Moment, als sich Frankreichs stürmisch gefeierter Publikumsliebling Julien Epaillard mit Dubai du Cedre - Sieger der Qualifikation - einen Abwurf leistete. Nur Guerdat und van der Vleuten waren noch fehlerfrei geblieben. Bronze war damit sicher, mindestens. Es wurde sogar Gold.
Erfolgreiche Spiele für die deutschen Reiter
Kukuk sorgte im sechsten und letzten Wettbewerb für den vierten Olympiasieg der deutschen Reiter bei diesen Sommerspielen. Die Dressur-Equipe gewann im Team und bejubelte im Einzel mit Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth - nun erfolgreichste deutsche Olympionikin - einen deutschen Doppelsieg. Zuvor hatte in der Vielseitigkeit Michael Jung mit Chipmunk triumphiert.
Für die Springreiter ging eine lange Durststrecke zu Ende: 2000 in Sydney gab es das letzte Gold in der Mannschaft, im Einzel liegt der letzte Olympiasieg durch Ulrich Kirchhoff in Atlanta gar 28 Jahre zurück. "Wir haben hier viele gute Runden, aber auch viel Pech erlebt. Dass wir jetzt so nach Hause fahren können, ist einfach mega", sagte Bundestrainer Becker.
Kukuk unterstrich: "Es war auch wichtig, dass wir Springreiter ebenfalls bei der Vergabe von Edelmetall dabei waren." Besonders war diese Medaille übrigens noch aus einem weiteren Grund: Wie der Weltverband FEI errechnete, war es die 100. für den deutschen Pferdesport bei Olympia.