Deutschlands Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl mit TSF Dalera BB
Reportage

Dressur bei Olympia 2024 Bredow-Werndl: "Hommage an Paris, an die Liebe - und an Dalera"

Stand: 04.08.2024 17:13 Uhr

Seit Jahren bestimmen Jessica von Bredow-Werndl und ihre Stute Dalera mit einer beeindruckenden Harmonie den Dressursport. Auf das Olympia-Gold im Team folgt nun in Paris auch das nächste im Einzel. Es war eine ihrer letzten gemeinsamen Vorstellungen.

Von Johannes Kirchmeier, Versailles

Nein, ich bereue nichts, "non, je ne regrette rien", schallte aus den Lautsprechern des Reitstadions von Versailles, das Chanson von Édith Piaf als Leitlied für die Kür von Jessica von Bredow-Werndl bei Olympia 2024 in Paris. "Nein, ich bereue nichts", so muss es sich von Bredow-Werndl auch selbst in diesem Moment gedacht haben. Als sie mit ihrer dunkelbraunen Trakehner-Stute Dalera gerade eine blitzsaubere Vorstellung im Viereck hinlegte.

Bredow-Werndl mit Dalera: Top-Paar im Dressursport

"Ich bin unfassbar gerührt, unfassbar dankbar und überwältigt", sagte sie im Sportschau-Interview einige Minuten später, nachdem sie sich nach Gold in der Mannschaft am Samstag (03.08.2024) auch den Olympiasieg im Einzel am Sonntag gesichert hatte. Gemeinsam mit Dalera bestimmt die 38-Jährige seit Jahren den Dressursport. Schon 2021 in Tokio gewannen die beiden zwei olympische Goldmedaillen, sie führen auch die Weltrangliste an - vor Silber-Gewinnerin Isabell Werth.

"Es ging heute einfach um Dalera und mich. Wir sind genug. Sie kann alles, ich kann alles. Und heute war es wieder diese perfekte Symbiose, ich bin einfach überwältigt von ihr", sagte sie. "Sie hat wieder mal ihr Herz für mich da drin gelassen. Es war mit Sicherheit der schönste Dancefloor unseres gemeinsamen Lebens."

Jessica von Bredow-Werndl im emotionalen Siegerinterview

Sportschau Olympia 2024, 04.08.2024 14:09 Uhr

Knapper Vorsprung vor Silber-Gewinnerin Isabell Werth

Tanzen, das ist es, was von Bredow-Werndl unter dem Dressursport versteht. Und wenn man ihr und ihrem Pferd so bei ihrer Übung zuschaute, da verstand man, was sie damit meint. Zu Piafs Musik trabte und galoppierte Dalera durchs Viereck, würdevoll im Takt, ganz liebevoll auf den Boden getupft.

Später stolzierte sie wiederum anmutig ins Eck, ehe sie im Galopp schier zu fliegen begann, in der Piaffe tanzten sie sich zur letzten Gruß-Aufstellung. "Es war ein emotionaler Orkan, einfach, weil ich so dankbar war, dass es wieder so gut war", sagte die gerührte Gold-Reiterin. Die pure Harmonie - 90,093 Prozent in der Wertung. Und damit der knappe Sieg vor der deutschen Rekord-Olympionikin Werth (89,614 Prozent) und der Britin Charlotte Fry (88,971 Prozent).

Von Bredow-Werndl verrät: Dalera geht in Dressur-Rente

Mit ihrem Zeigefinger wischte sich von Bredow-Werndl eine Träne aus dem linken Auge, auch bei der Siegerehrung empfing sie die Goldmedaille mit Tränen in den Augen auf dem Podest, sie winkte ins Publikum, bedankte sich bei den Zuschauenden für die Unterstützung. Alles schien noch ein wenig emotionaler zu sein als sonst. Warum, das verriet sie dann auch: "Es ist sehr emotional mit Dalera zu reiten, weil die Tage, an denen wir zusammen öffentlich auftreten, irgendwie auch gezählt sind."

Zwei, drei Auftritte gebe es wohl noch zusammen, "ich würde sie gerne nächstes Jahr besamen, in der Hoffnung, dass sie Mama werden kann. Davor können wir noch eine kleine Abschiedstournee machen". Im Alter von 17 Jahren ist Dalera kurz vor der Dressur-Rente angekommen, nahezu nie war sie verletzt. Immer hielt sie den hohen Anforderungen an sie stand.

Pferd Dalera wacht an der Hängematte der Reiterin

Für von Bredow-Werndl wurde sie über die Jahre zur Freundin, die sie zu all ihren Höhepunkten im Sport begleitete, Pferd und Reiterin sind eine echte Einheit, das haben die beiden auch in den vergangenen Tagen wieder gezeigt: "Einfach mit ihr Zeit verbringen zu dürfen, ist etwas Besonderes. Ich habe wirklich eine ganz tiefe Beziehung zu ihr und es wird auch bis zu ihrem letzten Atemzug so bleiben."

Nachempfinden kann man das auch ein wenig auf von Bredow-Werndls Social-Media-Kanälen, auf denen sie ihr Leben mit Dalera und den anderen Pferden daheim in Aubenhausen in Oberbayern teilt. Auch während Olympia in Paris postete sie ein Video auf Instagram, in dem sie in einer Hängematte schlief, neben ihr wachte Dalera.

Von Bredow-Werndls Kunststück schafften nur zwei andere Reiter

Auch diese Verbindung machte von Bredow-Werndl schließlich zur Ausnahmeathletin. Bei zwei Olympischen Sommerspielen hintereinander jeweils Gold im Einzel und Gold mit der Mannschaft in der Dressur zu gewinnen, dieses Kunststück war in der olympischen Reitsport-Geschichte seit 1912 lediglich dem Schweden Henri Saint Cyr 1952/1956 sowie der gebürtigen Duisburgerin Nicole Uphoff 1988/1992 auf dem Ausnahmepferd Rembrandt gelungen.

Dalera, das darf man an dieser Stelle anmerken, ist nun auch ein Ausnahmepferd. Mit all ihren WM- und EM-Titeln sowie Deutschen Meisterschaften, die sie neben den vier Olympiasiegen im Laufe der Jahre auch noch gesammelt hat.

Gut, und zwei Goldmedaillen bei diesen Spielen, das kann neben von Bredow-Werndl allerhöchstens noch ein Reiter der britischen Springer-Equipe am Dienstag schaffen. Die Bayerin ist also schon einmal die Königin von Versailles. "Ich weiß nicht, ob ich so etwas noch einmal erleben darf", sagte sie. "Ich hoffe es. Im Hintern habe ich es, noch einmal ein Pferd auszubilden bis dahin." Die aktuellen im Stall seien aber noch "zu grün" für internationale Titelkämpfe.

Besonderer Rahmen für die Dressur-Wettbewerbe

Diese Spiele waren zudem in einem besonderen Rahmen, die Reit-Wettbewerbe vor dem Schloss waren bis auf den letzten Platz ausverkauft. Es entwickelte sich eine besondere Stimmung in den Gärten von Versailles, darauf wies die Olympiasiegerin auch noch einmal hin: "Ich glaube nicht, dass wir jemals wieder eine solche Arena haben werden. Das war ein einmaliger Moment."

Und keine Disziplin fügt sich so sehr in diese herrschaftlichen Gärten ringsherum ein wie die Dressur. Denn da ist diese Anmut, mit der Dalera und die anderen Pferde in den vergangenen Tagen darauf durchs Viereck schritten, trabten und galoppierten. Nicht wilde Hüpfer stehen im Vordergrund. Sondern diese Ruhe, diese Harmonie, diese Leichtigkeit des Seins, ganz im Takt der Musik.

Musik "eine Hommage an Paris, an die Liebe und an Dalera"

"Nein, ich bereue nichts", sagte von Bredow-Werndl beim Interview. Édith Piafs Chanson für ihre Kür hatte sie beim Spazieren am Strand ausgewählt, "da wusste ich gerade, dass ich schwanger bin mit Ella. [...] Ich habe das Stück gehört, habe es meinem Mann vorgespielt und gesagt: 'Das ist es, ich habe Gänsehaut am ganzen Körper.'"

Und auch ihr Pferd war bei den ersten Proben davon angetan. So entschied sich die Reiterin schon vor mehr als zwei Jahren dafür, und konnte nun - am Ziel angekommen - schon wieder ein wenig emotional berührt bilanzieren: "Es war eine Hommage an Paris, an die Liebe - und an Dalera."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 04.08.2024 | 08:45 Uhr