Viertelfinale gegen Spanien Yamal und Williams - die "spanischen Wunderkinder"
Spanien trifft im Viertelfinale der EM 2024 auf Gastgeber Deutschland. Bei den Südeuropäern stehen mit Lamine Yamal und Nico Williams zwei Youngster besonders im Fokus.
Es war eine Situation wie gemalt für Nico Williams: Einen langen Pass von Fabián Ruiz aus der eigenen Abwehr nahm der spanische Linksaußen beim Stand von 2:1 gegen Georgien kurz hinter der Mittellinie an. Der 21-Jährige beschleunigte zunächst, verzögerte ein wenig, um dann wieder Tempo aufzunehmen, seinen Gegenspieler wie ein Trainingshütchen stehen zu lassen, den Torwart auszugucken und mit rechts unhaltbar unter die Latte abzuschließen. Das 3:1 für Spanien in der 75. Minute (Endstand 4:1) - ein toller Treffer.
Williams und Yamal bereichern das spanische Spiel
Ein Tor, das exemplarisch dafür stehen könnte, warum Williams auf dem linken Flügel und Lamine Yamal, sein Pendant auf der rechten Seite, bei der EM 2024 in aller Munde sind. Beide werden von den deutschen Medien wahlweise als "spanische Wunderkinder" oder als "Wamal" bezeichnet - letzteres in Anlehung an das deutsche Duo Florian Wirtz und Jamal Musiala, genannt "Wusiala".
Trotz ihrer Jugend - Williams ist 21, Yamal sogar erst 16 Jahre alt - bereichern die beiden Außenbahnspieler das spanische Spiel ungemein. Sie geben dem Tiki-Taka, also dem Kurzpassspiel, das sich in der Vergangenheit auch immer mal wieder an sich selbst berauscht hat, eine vertikale Zielstrebigkeit, die "La Roja" guttut. Williams und Yamal sind ein belebendes Element, das für Tiefe sorgt. "Tiki-Taka mit Wumms", sozusagen.
Beide sind ähnliche Spielertypen. Technisch stark, kaum vom Ball zu trennen und mit enormem Tempo. Die beiden "Winger" haben einen großen Anteil daran, dass Spanien als einzige Nation sämtliche Spiele bei der EM 2024 gewonnen hat. Sie gehören trotz ihres jungen Alters zu den Protagonisten - und übernehmen bereits Verantwortung. So obliegt Williams und Yamal etwa die Ausführung der Standardsituationen. Und beide sind die fleißigsten Zweikämpfer im spanischen Team: Yamal bestritt bereits 75 direkte Duelle, Williams kommt auf 68 Eins-gegen-eins-Situationen.
Auf Yamal trifft die Bezeichnung "Wunderkind" tatsächlich zu. Er hat bei diesem Turnier bereits für einige Rekorde gesorgt. Mit gerade einmal 16 Jahren und 338 Tagen war er mit seinem Einsatz im ersten spanischen Spiel gegen Kroatien (3:0) jüngster Spieler der EM-Historie. "Es ist ein Traum, mit 16 Jahren die EM zu spielen", hatte der Teenager anschließend in einer Mischung aus Ehrfurcht und Begeisterung zu Protokoll gegeben.
Lamine Yamal auf den Spuren von Cristiano Ronaldo
Der Jungstar vom FC Barcelona wartet zwar noch auf sein erstes EM-Tor, hat aber schon zwei Vorlagen. Damit ist Yamal der erste Teenager seit Cristiano Ronaldo bei der EM 2004, der mehr als einen Assist in der Statistik stehen hat. "Er kann noch mehr leisten", kündigte der spanische Trainer Luis de la Fuente mit Blick aufs Spiel gegen Deutschland (05.07.2024, 18 Uhr, live im Ersten und auf sportschau.de) an. Für den Coach ist klar: Auf dem Papier ist Yamal vielleicht noch ein Kind, auf dem Feld hat er die Reifeprüfung längst bestanden.
Die Leistung gegen Georgien macht jedenfalls Lust auf mehr. Gegen die Osteuropäer stellte Yamal mit sieben Torschüssen und 13 Torschussbeteiligungen zwei neue Rekorde für das bisherige Turnier auf. Fehlt eigentlich nur noch sein erstes EM-Tor, das ihn zum jüngsten Torschützen der Historie machen würde.
Williams indes hat bekanntlich bereits getroffen. Wie auch Yamal trumpfte der 21-Jährige gegen Georgien bärenstark auf. Der Linksaußen bereitete das zwischenzeitliche 1:1 vor und erzielte das 3:1 selbst.
Kampfansage von Nico Williams
Williams wurde bei dieser EM bisher von Spiel zu Spiel stärker. Er glänzt vor allem, wenn er Platz bekommt. Seinem Antritt konnte bislang kaum ein Gegenspieler folgen. Mit den Leistungen wuchs das Selbstvertrauen. "Schritt für Schritt haben wir gezeigt, dass wir eine große Nation sind", so Williams.
Kommen nach der EM die Angebote?
Was Yamal und Williams eint: Beide dürften mit ihren Auftritten bei der EURO 2024 Begehrlichkeiten geweckt haben. Der nur noch bis 2026 an den FC Barcelona gebundene Yamal soll das Interesse von Paris St. Germain hervorgerufen haben. Die spanische Sportzeitung "Mundo Deportivo" berichtete, dass der französische Meister bereit sei, eine Ablösesumme in Höhe von 250 Millionen Euro für das Megatalent zu zahlen.
Hinter Williams sollen laut "Sport" indes der FC Chelsea und der FC Barcelona her sein. Dem Bericht zufolge habe der Angreifer von Athletic Bilbao eine Ausstiegsklausel von rund 60 Millionen Euro im bis 2027 laufenden Vertrag. Allerdings weiß Nico Williams auch, was er im Baskenland hat. Dort spielt er mit seinem acht Jahre älteren Bruder Iñaki zusammen, der wie eine Vaterfigur für ihn ist. Und Nico Williams könnte mit Athletic in der nächsten Spielzeit internationale Erfahrung sammeln. Als Sieger der "Copa del Rey" spielen die Basken dann in der Europa League.
Klar ist: Auf die deutschen Außenverteidiger Joshua Kimmich (rechts) und mutmaßlich David Raum (links) wird im Viertelfinale eine Menge Arbeit zukommen.
Beide freuen sich indes auf die Herkulesaufgabe. "Ich habe noch keinen Angstschweiß", sagte Raum. "Das wird ein harter Brocken - aber für beide Seiten", befand Kimmich.
"Wamal" auch mit Schwächen
Und bei aller Euphorie rund um die "spanischen Wunderkinder" - sie haben auch ihre Schwächen. Jugendliche Verspieltheit etwa, die trotz aller Reife immer mal wieder aufblitzt. Oder Naivität in bestimmten Situationen. Dazu kommen der große Druck gegen Gastgeber Deutschland und das Wissen, dass jeder achtlose Ballverlust in diesem Viertelfinale eine entscheidende Rolle spielen kann.
Bisher trotzen beide bei der EM 2024 der riesigen Erwartungshaltung. Und beide wollen diese auch vor dem Duell mit dem DFB-Team nicht an sich heranlassen. Breite Brust heißt stattdessen die Devise. "Die Deutschen sind schwer zu knacken. Aber wir haben eine wunderbare Mannschaft und wenn wir unser Level erreichen, werden wir gewinnen", sagt Williams. Eine Prognose, in die Yamal mit einstimmt: "Ich sehe keine bessere Mannschaft als unsere. Wir haben große Lust und wollen ins Halbfinale."