Kai Havertz jubelt neben dem Dänen Joachim Andersen
analyse

Vom Provokateur zum Übeltäter Das Karma bestraft Dänemarks Andersen

Stand: 30.06.2024 16:00 Uhr

Joachim Andersen wäre beinahe der dänische Held gegen das DFB-Team geworden, am Ende wurde er die tragische Figur. Eine Provokation spielte eine entscheidende Rolle.

Von Sebastian Hochrainer, Dortmund

Für einen Moment fühlten sich die dänische Nationalmannschaft und Joachim Andersen dem Viertelfinale der EM 2024 ganz nah - und machten dann etwas, was im Profifußball ein provokatives Unding ist. Und was in diesem Fall umgehend bestraft wurde. Das gleich doppelt.

In der 48. Minute traf Andersen nach einer Kuddelmuddel-Standardsituation flach ins lange Eck des deutschen Tores zum 1:0. Der Verteidiger drehte ab, jubelte los und sprintete dabei in die Richtung der Dortmunder Südkurve, auf der die deutschen Fans trauerten, da ihre Mannschaft gerade vermeintlich in Rückstand gegangen war. Seine Mitspieler folgten Andersen ins "Deutsche Eck", bauten sich auf und zelebrierten ausgiebig.

Das aberkannte Tor von Andersen

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Zweimal Videobeweis, zweimal "verliert" Andersen

Zu voreilig. Wegen einer Abseitsposition wurde der Treffer annulliert, die dänische Führung war dahin, die deutschen Fans jubelten nun, als hätten sie ein eigenes Tor erzielt. Doch die Bestrafung für die dänische Jubelprovokation war noch nicht vorbei, der zweite Akt folgte nur zwei Minuten nach dieser Abseitsentscheidung. Bei einer Flanke von David Raum schob Andersen seinen Arm sehr weit hervor, weg vom eigenen Körper, und fälschte den Ball strafbar ab.

Zum zweiten Mal entlarvten die Videobilder die Dänen - deren 1:0-Jubel sich in kürzester Zeit zur 0:1-Tristesse wandelte. Und Elfmetertorschütze Kai Havertz ließ es sich dann auch nicht nehmen, sich bei Andersen und Co. nochmal persönlich zu revanchieren, jubelte diesmal vor den dänischen Fans. Das Karma bestrafte Andersen und Dänemark, Deutschland im Glück.

Hjulmand poltert wegen Videobeweis

Denn der Außenseiter war nicht nur wegen der kuriosen Geschichte zwischen der 48. und 52. Minute nah dran am Weiterkommen. Rasmus Höjlund hatte kurz vor der Pause die große Chance auf den Führungstreffer, insgesamt war Dänemark nach einer dominanten deutschen Startphase richtig gut in der Partie.

Am Ende scheiterte das Team von Kasper Hjulmand in erster Linie wieder daran, das es vor dem gegnerischen Tor zu ungefährlich war. In vier EM-Spielen erzielte "Danish Dynamite" nur zwei Treffer.

Viertelfinaleinzug beim Wasserspiel von Dortmund

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Doch Dänemarks Trainer kochte auf der anschließenden Pressekonferenz nicht deswegen vor Wut. Hjulmand zückte sein Handy und zeigte das Standbild der Abseitsposition vor dem vermeintlichen 1:0, als die Zehenspitzen von Thomas Delaney ein wenig voraus waren.

"Das Spiel wurde entschieden durch zwei VAR-Entscheidungen. So sollten wir nicht den Videoschiedsrichter benutzen, es geht um einen Zentimeter", sagte Hjulmand.

"Habe genug von dieser lächerlichen Handregel"

Noch mehr ärgerte ihn aber die Entscheidung, den Elfmeter zum deutschen 1:0 zu geben. "Ich habe echt genug von dieser lächerlichen Handregel, wir können von den Verteidigern nicht erwarten, dass sie mit den Händen auf dem Rücken laufen", sagte Hjulmand: "Das war eine normale Aktion. Der Ball kam aus einem Meter an seine Hand. Ich spreche selten über solche Entscheidungen, aber das war natürlich entscheidend. Das ist frustrierend."

Der 52-Jährige betonte, den VAR eigentlich zu mögen. "Die Technologie ist gut für en Sport", sagte er: "Aber wenn eine Entscheidung gut ist, sollte man das vom Mond aus sehen können und es sollte nicht um ein paar Zentimeter gehen. Und dann wurde uns in Seminaren die Handspielregel erklärt und gesagt, dass sowas kein Handspiel ist, weil das eine natürliche Position ist. Ich frage mich einfach: Was ist die Regel?"

Hjulmand sieht "große Zukunft" für dänische Mannschaft

Vor drei Jahren hatten es die Dänen bei der wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschobenen EM noch ins Halbfinale geschafft - nun reichte es nur für das Achtelfinale. Und auch das Erreichen der Runde der letzten 16 war beileibe kein großes Werk.

Auch Dänemark hatte seinen Anteil daran, dass die Gruppe C mit den Gegnern England, Slowenien und Serbien nicht gerade das Hochglanzprodukt des Turniers war.

Hjulmand schob das auch darauf, dass es für viele seiner Spieler das erste große Turnier war. Ein Beispiel dafür ist Stürmer Höjlund, der bei der EM nicht seine Klasse zeigen konnte wie bei Manchester United.

"Unsere jungen Spieler müssen noch Erfahrungen sammeln. Unsere Mission ist es, mit den Großen mithalten zu können, diesmal haben nur ein paar Details das Spiel entschieden", sagte Hjulmand, versprach aber: "Jetzt tut es weh und wir sind enttäuscht, aber diese Mannschaft hat eine große Zukunft vor sich."