Einzug ins Viertelfinale Spanien bei der EM - Tiki-Taka mit Wumms
Sie spielen lange Pässe und treffen nach Kontern: Spaniens Nationalmannschaft hat eine Evolution durchgemacht. Zu sehen war das auch im EM-Achtelfinale gegen Georgien am Sonntag (30.06.2024).
Ganz am Ende eines langen Fußballabends, der für Spanien mit einem Ärgernis begonnen hatte, aber mit dem Einzug ins EM-Viertelfinale endete, ist der Trainer Luis de la Fuente nach seinem wichtigsten Spieler gefragt worden. Rodri, sagte de la Fuente, sei natürlich nicht einfach irgendein Fußballer. "Er ist die Achse von allem, was wir tun."
Zu beobachten war das auch im Achtelfinale gegen Georgien. Nach einer halben Stunde hatten die Spanier über 80 Prozent Ballbesitz, sie hatten sieben Torschüsse abgegeben, aber lagen zurück. Nun spielten sie Pässe manchmal überhastet, es fehlte ihnen an Struktur.
In dieser Situation bekam Rodri, 28, am Mittelkreis einen Pass. Er lief nicht nach vorne. Er trat auf den Ball. Seine Hände streckte er nach vorne, die Handflächen zeigten nach unten. Es war eine Mahnung in Richtung seiner Mitspieler: Ruhig, immer mit der Ruhe.
Rodri sagt: "Bin überzeugt, dass sie nicht glücklich sind"
Sieben Minuten später fiel der Ausgleich, der Torschütze war: Rodri. Er wurde später zum Spieler des Spiels gewählt. Er hatte 125 Ballkontakte, mehr als jeder andere. Von zehn Zweikämpfen gewann er neun. Er spielte die kurzen wie die langen Pässe mit einer Präzision, die beeindruckend war.
Es lag auch an ihm, dass Spanien noch drei weitere Tore erzielte und 4:1 (1:1) gewann. Im Viertelfinale ist Spaniens nächster Gegner am Freitag (05.07.2024, 18 Uhr live im Ersten und in der ARD Mediathek) Deutschland. "Ich bin überzeugt", sagte Rodri, "dass sie nicht so glücklich sind, dass sie uns als Gegner haben."
Mit dieser Einschätzung dürfte er nicht ganz falsch liegen.
De la Fuente als Nationaltrainer? Heute wundert sich niemand mehr
Allein die Zahlen: Spanien hat jedes seiner vier Spiele bei dieser EM-Endrunde gewonnen. Nur Deutschland (10) hat mehr Tore erzielt als Spanien (8). Das Gegentor gegen Georgien war das erste im Turnier - keine Mannschaft kassierte weniger Treffer.
Es ist auch das Werk des Trainers de la Fuente, 63, dass Spanien von allen Mannschaften bislang den besten Eindruck hinterlassen hat bei dieser Endrunde. De la Fuente war lange im Nachwuchsbereich tätig, mit der U21 seines Landes gewann er 2019 die EM.
Trotzdem war es für viele eine Überraschung, als der Verband ihn vor anderthalb Jahren zum Trainer der A-Nationalmannschaft machte. Heute ist überraschend höchstens noch, wie Spanien unter de la Fuente Fußball spielt.
Williams und Yamal - zwei für die Tiefe im spanischen Spiel
Die Zeiten, in denen sich die Nationalmannschaft vor allem über Ballbesitz und kurze Pässe definierte, gehören der Vergangenheit an. Unter de la Fuente hat das spanische Tiki-Taka eine Evolution durchgemacht. Er hat dem Chefstrategen Rodri im 4-3-3 einen weiteren Mann mit Sinn für Struktur an die Seite gestellt: Fabián Ruiz, 28, er ist eine Entdeckung dieser EM. Beide spielen manchmal sogar lange Bälle, so bereitete Ruiz das dritte Tor gegen Georgien vor. Das zweite hatte er selbst erzielt.
Doch die vielleicht wichtigste Veränderung hat de la Fuente im Angriff vorgenommen. Dort spielen auf den Flügeln Nico Williams, 21, und Lamine Yamal, 16. Der Ball ist bei ihnen gut aufgehoben, sie können dribbeln und tricksen, sie sind aber auch sehr schnell. Im spanischen Spiel sorgen sie für Tiefe, die früher oft fehlte.
Zu sehen war das auch gegen Georgien, als Ruiz mit einem langen Ball Williams fand. Seinem Gegenspieler lief Williams einfach davon, dann schlenzte er mit viel Gefühl ins Tor.
Spanien gewinnt jetzt auch mit weniger Ballbesitz
Überhaupt macht Spanien bei dieser EM manchmal Dinge, die man bei Länderspielen von Spanien lange nicht gesehen hat. Schon die Statistiken im ersten Spiel gegen Kroatien, als Spanien mit 47 Prozent Ballbesitz auskam, aber 3:0 gewann. Oder drei der Tore gegen Georgien: Rodri traf mit einem schnöden Fernschuss. Ruiz mit einem Kopfball. Williams nach einer Umschaltaktion.
Der Trainer de la Fuente ist kein Idealist, auch das ist eine Erkenntnis dieser EM. Tiki-Taka darf bei ihm auch Wumms haben. Als er später eine Szene hervorhob, war das dann auch kein Dribbling und kein Trick. Er erinnerte auch nicht an ein Tor.
Es ging ihm um Widerstände, die seine Mannschaft überwunden hatte. Er meinte die Minuten, nachdem der Verteidiger Robin Le Normand versehentlich ins eigene Tor getroffen und so Georgien in Führung gebracht hatte. "Manchmal", sagte de la Fuente, "muss man gegen die Strömung schwimmen - und diese Mannschaft hat gezeigt, dass sie das kann."