Läuft für ihn und Celtic Glasgow: Nicolas Kühn

Vor Old Firm gegen die Rangers Celtics Nicolas Kühn - vom "Super-Bubi" zum Spielentscheider

Stand: 15.03.2025 11:22 Uhr

Nicolas Kühn galt in Deutschland schon als großes Talent, da war er noch ein Kind. Nicht immer lief es nach Plan. Sein Glück fand er bei Celtic Glasgow. Die Sportschau hat mit Kühn über das Old Firm gesprochen, über Tore und Träume.

Am ersten Tag des Jahres hatte Nicolas Kühn Besuch von der Familie, zusammen feierten sie seinen Geburtstag. Über den Tag danach spricht er nicht so gerne. Es lag nicht an den Geschenken und auch nicht am Alkohol. Er trinkt nicht. Am zweiten Tag des Jahres fand ein Fußballspiel statt, dessen Verlauf für Kühn und seinen Arbeitgeber Celtic Glasgow ein ziemliches Ärgernis war. Gegen die Rangers, den großen Rivalen, verloren sie 0:3.

Fernsehkameras hielten in den Sekunden nach dem Schlusspfiff all das fest: Zehntausende, die jubelten. Viele trugen irgendwas in Blau: Trikot, Schal, Mütze. Blau ist die Farbe der Rangers. Natürlich waren da auch sehr viele Menschen, die kein Blau trugen. Kühn gehörte zu ihnen. Er trug ein grün-weißes Trikot, auf dem Rücken die Nummer zehn. Er jubelte nicht. Niemand in Grün und Weiß jubelte.

Ein Vierteljahr später, wenige Tage vor dem Wiedersehen mit den Rangers (So., 16.03.2025, ab 13.30 Uhr), sitzt Kühn, 25, in einem Raum auf dem Trainingsgelände von Celtic und blickt in eine Laptopkamera. Auf der Wand hinter ihm ist das Logo des Klubs zu sehen. Im Interview mit der Sportschau spricht er auch über seine erste Niederlage in einem Old Firm, wie das Derby zwischen Celtic und den Rangers genannt wird. Die Niederlage, sagt Kühn, habe er "aus dem Kopf gestrichen. So gut es geht."

Das Old Firm - viel mehr als nur Fußball

Celtic und die Rangers sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Ihre Rivalität ist keine, die sich nur aus sportlichen Duellen speist, es wird auch eine religiöse, eine weltanschauliche Komponente verhandelt. Celtic gegen Rangers meint auch: Katholiken gegen Protestanten, vereinfacht dargestellt. Es geht auch um Politik.

Kühn ist noch nicht lange bei Celtic, er kam im Januar 2024 von Rapid Wien, aber was ein Old Firm den Menschen in der Stadt Glasgow bedeutet, hat ihm niemand erklären müssen. "Jedes Derby ist unglaublich", sagt er. "Darauf fiebert man hin."

In Kühns Zeit bei Celtic war das Spiel ganz am Anfang des Jahres eine Ausnahme. Zuvor hatte er mit seinem Klub fünf Mal gegen die Rangers gespielt, aber nie verloren. Auch deshalb haben Kühn und sein Arbeitgeber zusammen schon drei Titel gewonnen. In diesem Jahr könnten sie erneut Meister werden. Der Vorsprung auf die Rangers beträgt drei Spieltage vor Ende der regulären Saison 16 Punkte.

Anschließend beginnt etwas, das sie in Schottland Meisterrunde nennen. Der Modus ist kompliziert, das Ergebnis leicht zu verstehen: Meister wird fast immer Celtic, zwölf Mal in den vergangenen dreizehn Spielzeiten. Kaum vorstellbar, dass die Serie in dieser Saison endet.

Wie einst Arjen Robben, nur mit Haaren

Bei Celtic also träumen sie vom 55. Meistertitel, und das hat eine Menge mit Kühn zu tun. In dieser Saison hat er in 41 Pflichtspielen 18 Tore erzielt und 13 Vorlagen gegeben. Bei den Fans kommt das gut an. Sie haben Kühn, dessen Nachnamen sie in Schottland natürlich ohne Umlaut aussprechen, einen eigenen Song gewidmet. Er handelt von einem Flügelspieler, der seinen Flügel gerne verlässt, der Tore schießt und vorbereitet. Am Ende singen sie: "Super Nicolas Kuhn."

Und tatsächlich ist das eine Bewegung, die Kuhn, der eigentlich Kühn heißt, gerne macht. Wenn er seine Position vorne rechts auf dem Spielfeld verlässt, um mit dem Ball ins Zentrum zu dribbeln und dann mit dem linken Fuß abzuschließen, ist das für den Gegner kein gutes Zeichen. Das erinnert an Arjen Robben, nur die Frisur ist anders.

Kühn spielte mit Musiala, aber auf den Durchbruch musste er warten

Kühn galt in Deutschland schon als großes Talent, da war er noch kein Teenager. Mit neun wechselte er von einem niedersächsischen Dorfklub zum FC St. Pauli, zwei Jahre später zu Hannover 96, mit 15 ging er zu RB Leipzig, wo Ralf Rangnick auf ihn aufmerksam geworden war. Die "Bild" schrieb: "Rangnick klaut diesen Super-Bubi".

Es folgten Jahre, in denen Kühn zwar die "Fritz-Walter-Medaille" in Gold gewann, eine Auszeichnung für den besten Jugendspieler eines Jahrgangs. Der Durchbruch aber gelang ihm nicht in Leipzig, wo die Gegenpressing-Lehre von Rangnick nicht zum Dribbler Kühn passte. Er gelang ihm auch nicht bei Ajax Amsterdam, wo er in der Reservemannschaft spielte, aber nicht bei den Profis.

Und dann war da noch die Zeit in München, sie war keine leichte. Kühns Vater starb. Das Leben in der Stadt war geprägt von der Pandemie. Und ihn plagten Muskelverletzungen. Er spielte in der zweiten Mannschaft, manchmal an der Seite von Jamal Musiala. Hans-Dieter Flick, damals Trainer der Bayern-Profis, setzte ihn nie ein.

Jamal Musiala (l) und Nicolas Kühn gemeinsam im Einsatz für die zweite Mannschaft des FC Bayern München

Jamal Musiala (l) und Nicolas Kühn gemeinsam im Einsatz für die zweite Mannschaft des FC Bayern München

Es waren Jahre des Rätselns. In ihnen ist manchmal darüber diskutiert worden, ob der "Super-Bubi" Kühn vielleicht doch nicht das außergewöhnliche Talent war, für das ihn Experten so früh gehalten hatten. Manuel Baum hat das nicht nachvollziehen können. Er war als Trainer in der Bundesliga tätig für Augsburg und Schalke, hat Kühn in der U20-Nationalmannschaft trainiert. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte Baum den Satz: "Ich glaube, dass er viel zu lange zu gut war."

In Aue sprach Kühn von der Nationalmannschaft

Erst in der Saison 2021/22 spielte Kühn in einer ersten Mannschaft, da stand er als Leihspieler bei Erzgebirge Aue in der 2. Liga unter Vertrag. In 27 Spielen erzielte er drei Tore und gab vier Vorlagen, auch seine Dribblings fielen auf. Er fiel aber auch dadurch auf, dass er in Interviews als Ziele Einsätze in der Champions League und in der Nationalmannschaft nannte.

Das Jahr in Aue habe ihm "gut getan", sagt Kühn. "Es ging darum, zu beweisen, dass es im Männerfußball geht und nicht irgendwo bei einer zweiten Mannschaft." Das ist ihm gelungen. Von Aue ging es für ihn zu Rapid Wien, wo er zum ersten Mal in einer ersten Liga spielte und im Europacup. Nach anderthalb Jahren wechselte er nach Schottland.

Kühn sagt: "Zeigt, was Celtic für ein Riesenverein ist"

In Glasgow hat Kühn die Innenstadt zuletzt gemieden, weil ihn immer irgendwann einer erkannt hat. Er sagt: "Das zeigt natürlich, was Celtic für ein Riesenverein ist, wie die Leute hier den Fußball lieben." Beim Einkaufen trägt er nun lieber eine Mütze.

Auf dem Fußballplatz hat Kühn kein Interesse daran, sich zu verstecken. Zu beobachten war das auch in der Champions League. In der Vorrunde spielte er mit Celtic gegen seinen Ex-Klub Leipzig und erzielte zwei Tore. In den Playoffs setzten sich die Bayern durch. Kühn durfte immerhin über ein eigenes Tor jubeln. "Schöne Momente" seien das gewesen, sagt Kühn. Mehr nicht. Von wegen Genugtuung.

"Wer Fußball liebt", sagt Kühn, müsse "mal hier gewesen sein in Glasgow." Es ist möglich, dass er noch einige Jahre bei Celtic bleibt. Sein Vertrag endet 2029. Vielleicht aber spielt er dann schon ganz woanders, er träumt von einer Top-5-Liga und der Nationalmannschaft. Er sagt: "Schauen wir mal, was zuerst kommt."