Vor FIFA-Kongress Palästinensischer Antrag setzt Israels Fußballverband unter Druck
Der palästinensische Fußballverband will beim FIFA-Kongress am Freitag Sanktionen gegen Israel zum Thema machen - ein politisch aufgeladener Tagesordnungspunkt steht damit auf der Agenda.
In einem Schreiben vom 11. März reichte der palästinensische Fußballverband (PFA) bei der FIFA einen Antrag ein, der in seiner Gesamtheit auf eine Suspendierung des israelischen Verbands (IFA) als FIFA-Mitglied abzielt. Das Schreiben gibt dem FIFA-Kongress, der Versammlung aller 211 Mitgliedsverbände, viel Brisanz. Denn der Antrag wurde von der FIFA entsprechend ihren Statuten als Diskussionspunkt auf die Tagesordnung bei der Veranstaltung in Bangkok am 17. Mai gesetzt.
Die palästinensische Terrororganisation Hamas hatte Israel am 7. Oktober aus dem Gazastreifen heraus angegriffen. Dabei ermordeten die Terroristen mehr als 1.200 Menschen und nahmen zahlreiche Geiseln. Israel reagierte mit Angriffen aus der Luft und einer Bodenoffensive, um nach eigenen Angaben die Strukturen der Hamas zu zerstören. Den Vereinten Nationen zufolge wurden dabei mehr als 30.000 Menschen getötet.
Palästinensischer Verband: "Israel verstößt gegen Menschenrechte"
Der palästinensische Verband beruft sich in seinem Antrag bei der FIFA auf "Menschenrechtsverletzungen" durch den Staat Israel und unterstellt dem israelischen Verband dabei "eine Mittäterschaft". Einige der konkreten Vorwürfe:
- Die Maßnahmen der israelischen Regierung im Gazastreifen stellten eine existenzielle Bedrohung dar, sie seien ein "Völkermord".
- Bei dem militärischen Vorgehen Israels seien Fußballspieler und Schiedsrichter getötet sowie Sportstätten zerstört worden.
- Der israelische Verband verhindere eine unabhängige Tätigkeit des palästinensischen Verbands und lasse wiederholt Rassismus und Diskriminierung gegen palästinensische Teams und Spieler zu.
- Klubs aus israelischen Siedlungen würden entgegen der FIFA-Statuten auf dem Gebiet eines anderen Verbandes - dem palästinensischen - in einem Ligabetrieb spielen.
Die PFA beruft sich auf Artikel 4 der FIFA-Statuten. Dieser besagt, dass "jegliche Diskriminierung gegen ein Land oder eine Gruppe von Menschen" mit "Suspendierung oder Ausschluss" bestraft werden kann. Unterschrieben ist der Antrag von Verbandschef Jibril Rajoub. Rajoub ist neben seiner Tätigkeit beim Fußballverband Generalsekretär des Zentralkomitees der Fatah im Westjordanland und bezeichnete den Sport kürzlich in einem Interview als "Teil unseres Widerstands".
Der palästinensische Verbandschef Jibril Rajoub
Der israelische Außenminister Israel Katz sorgte mit einem Post bei X für diplomatische Verstimmungen. Katz nannte den palästinensischen Verbandspräsidenten Rajoub einen "Terroristen im Anzug", den man im Zweifel einsperren werde. Israels Verband versuchte nach Informationen der Sportschau daraufhin schriftlich, bei der FIFA die Wogen zu glätten.
Israelischer Verband: "Wir sind gut vorbereitet"
Zum palästinensischen Antrag allgemein teilte der israelische Verband auf eine Anfrage der Sportschau mit, dass dieser ein "zynischer und schamloser Schritt" sei. "Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter und sind gut auf den Kampf in dieser Frage vorbereitet." Die IFA baue dabei auf "ihre Freunde in der FIFA, der UEFA sowie anderen Konföderationen und Verbänden auf der ganzen Welt".
Moshe Zuares, Präsident des israelischen Verbands
Auf eine Anfrage der Sportschau, ob es zu einer Abstimmung über den Antrag des palästinensischen Verbands kommen könnte, antwortete die FIFA nicht. Die Tagesordnung sieht wörtlich bislang lediglich eine "Diskussion" vor.
Eine Suspendierung oder sogar ein Ausschluss des israelischen Verbands ist als Ergebnis am Ende des Kongresses daher unwahrscheinlich. Denn laut Statuten muss der FIFA-Rat eine solche Maßnahme dem Kongress explizit vorschlagen. Das ist bislang nicht passiert. Der FIFA-Rat traf sich in Bangkok am Mittwoch (15.05.2024) zu einer Sitzung vor dem Kongress. In einer Pressemitteilung des Verbands zu den Ergebnissen des Treffens wurde das Thema nicht angesprochen.
DFB-Präsident Neuendorf: "Stehen fest an der Seite Israels"
Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), ist Mitglied im FIFA-Rat. Auf eine Anfrage der Sportschau zum Antrag des palästinensischen Verbands verwies der DFB auf eine Mitteilung vom 14. Oktober, also eine Woche nach dem Angriff der Hamas. "In dieser schwierigen Situation steht der Fußball in Deutschland fest an der Seite unserer Freunde und Partner in Israel", wurde Neuendorf damals zitiert.
Seine Solidarität habe er auch in einem Telefonat mit IFA-Präsident Moshe Zuares zum Ausdruck gebracht. Diese Position habe "nach wie vor ihre Gültigkeit", teilte der DFB mit.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf
UEFA widerspricht dem Vergleich mit Russland
Israel ist seit 1994 Mitglied der UEFA, weil das Land in Asien politisch und damit auch sportlich isoliert war. Beim UEFA-Kongress in Paris im Februar kam ebenfalls die Frage nach Sanktionen gegen Israel auf. UEFA-Generalsekretär Theodore Theodoridis sagte damals, dass es in der UEFA "keine Diskussion über einen Ausschluss" Israels oder gar "die Absicht" dazu gebe.
Mit Blick auf die aktuell weiter gültige Suspendierung russischer Teams nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verwies Theodoridis auf den vorangegangenen Angriff der Hamas, was "eine komplett andere Situation" als bei Russland darstelle. Auf die Verbände der UEFA, die 55 der 211 FIFA-Mitglieder stellt, wird sich Israels Verband zum großen Teil verlassen können. Aber nicht ausnahmslos, auch in Europa gibt es kritische Stimmen. "Wenn es zu einer Abstimmung kommen sollte, können wir nicht dagegen stimmen", sagte Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness im norwegischen Portal Idrettspolitikk. "Wir können dazu nicht schweigen." Sie bezweifele jedoch, dass es zu einer Abstimmung kommen wird.
UEFA-Generalsekretär Theodore Theodoridis mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Israels Verbandschef Zuares sucht derweil weitere Fürsprecher. Vor wenigen Wochen war Zuares beim südamerikanischen Verband CONMEBOL zu Gast, wo er eine Grundsatzvereinbarung zur Zusammenarbeit mit CONMEBOL-Chef Alejandro Dominguez unterschrieb. Der Termin fiel mit dem Kongress der CONMEBOL zusammen. Israels Verbandschef tauschte sich dort auch mit FIFA-Chef Gianni Infantino aus. Der hatte im Oktober dem israelischen sowie dem palästinensischen Verband angesichts "der schrecklichen Gewalt" kondoliert.
Fußballverbände aus Nahost forderten "Isolierung" Israels
Der palästinensische Vorstoß könnte bei einigen FIFA-Mitgliedern, vor allem in Asien und Afrika, auf Zustimmung stoßen. Beim Kongress der asiatischen Konföderation am Donnerstag (16.05.2024) in Bangkok - vergleichbar mit der UEFA - sprach Präsident Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa dem palästinensischen Verband in Anwesenheit von Gianni Infantino seine Unterstützung für den Antrag bei der FIFA aus. In einer Pressemitteilung hieß es, man unterstütze den Antrag des palästinensischen Verbands vollumfänglich.
Zwölf Nationalverbände aus dem Nahen Osten, die als westasiatische Fußballverbände einen Regionalverband betreiben, hatten vom Weltverband FIFA bereits zuvor gefordert, Israel wegen des Kriegs gegen die Hamas "zu isolieren".
Prinz Ali Al Hussein, Verbandschef in Jordanien
Die Initiative wurde von Prinz Ali bin Al Hussein aus Jordanien, dem Präsidenten des westasiatischen Fußballverbandes und ehemaligem FIFA-Präsidentschaftskandidaten, angeschoben. Auch die sportpolitisch derzeit einflussreichen Verbände aus Katar und Saudi-Arabien haben laut dem US-Nachrichtensender "CNN" das Schreiben unterzeichnet.