Bundeskanzler Olaf Scholz besucht die DFB Frauen-Nationalmannschaft

WM der Frauen WM 2027 - deutsche Bewerbung Außenseiterin gegen Brasilien

Stand: 16.05.2024 17:57 Uhr

Die FIFA vergibt am Freitag (17.05.2024) die Fußball-WM der Frauen 2027. Die Bewerbung aus Deutschland, Belgien und Niederlande geht als Außenseiterin in die Abstimmung gegen Brasilien.

Mit einer Gesamtpunktzahl von 3,7 (Höchstnote 5,0) schnitt die Bewerbung aus Europa im Prüfbericht der FIFA schlechter ab als die einzige Gegenbewerbung aus Brasilien, die auf 4,0 Punkte kam. Das gab die FIFA am 9. Mai bekannt. Die europäische Bewerbung wurde in fast allen Kategorien besser oder gleich gut bewertet, aber in zwei Bereichen entscheidend herabgestuft: Sowohl bei den Stadien als auch bei den vertraglichen Bedingungen schätzte die FIFA das Risiko bei der Austragung als "mittel" oder "hoch" ein. Damit fällt die Bewerbung hinter die aus Brasilien zurück und geht als Außenseiterin in die Abstimmung am 17. Mai.

Mehrere staatliche Dokumente zur Unterstützung des Turniers seien "erheblich von den bereitgestellten Originalvorlagen der FIFA abgewichen", heißt es in dem Bericht. Das könne zu "erhöhten Kostenverpflichtungen" und zu einer "erheblichen Verwässerung der Rechte der FIFA" führen. Zwar hätten die Länder weitere Änderungen bei einem Zuschlag in Aussicht gestellt, doch "angesichts von Umfang und Ausmaß der Abweichungen, wird das Gesamtrisiko für die rechtlichen Rahmenbedingungen als hoch eingeschätzt", so die FIFA.

Bundesinnenministerium glaubt: "Chancen bleiben gut"

Das für Sport zuständige Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage der Sportschau mit: "Auch wenn die Gesamtnote geringfügig unter der der Bewerbung Brasiliens liegt, werten wir diese als Bestätigung unserer gemeinsamen Bewerbung mit Belgien und den Niederlanden." Welche von der FIFA kritisierten Dokumente unzureichend gewesen sind und ob diese vom DFB, den drei Staatsregierungen oder den geplanten Ausrichterstädten gekommen sind, ließ das Bundesinnenministerium unbeantwortet. Eine genaue Zuordnung der Kritikpunkte werde in Abstimmung mit dem DFB und den Partnern in Belgien und den Niederlanden erfolgen, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. "Die Chancen für die gemeinsame Bewerbung von Belgien, den Niederlanden und Deutschland bleiben vor dem Hintergrund der grundsätzlich positiven Bewertung der FIFA gut."

Auch der DFB gibt sich weiter zuversichtlich. "Ich glaube, es wird eine sehr spannende Entscheidung. Wir sind sehr selbstbewusst, wir glauben, dass wir eine ausgezeichnete Bewerbung vorgelegt haben und werden bis zum letzten Moment alles dafür tun, dass sie auch erfolgreich ist", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf der Deutschen Presse-Agentur.

Absolute Mehrheit für den Zuschlag nötig

Beide Bewerbungen wurden vom FIFA-Rat bei einer Sitzung am Mittwoch offiziell zur Abstimmung im Kongress am Freitag zugelassen, da sie dem Prüfbericht zufolge die Mindestvoraussetzungen erfüllen. In dem Bericht werden Aspekte wie die Infrastruktur mit Stadien und Unterkünften, Marketing, Nachhaltigkeit, Menschenrechte sowie rechtliche Fragen bewertet.

Der FIFA-Kongress ist die Versammlung der 211 FIFA-Mitglieder. Alle Verbände, die zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht suspendiert sind, dürfen abstimmen. Ausgenommen davon sind die Verbände, die an den Bewerbungen beteiligt sind. Deutschland, Belgien und die Niederlande sowie Brasilien dürfen also nicht mit abstimmen. Europa hat damit 52 Stimmen, Südamerika neun. Hinzu kommen die Kontinentalverbände aus Afrika (54), Asien (46), Nord-/Mittelamerika (35) und Ozeanien (11).

Im ersten Wahlgang ist eine absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent unter den stimmberechtigten anwesenden Mitgliedern nötig. Sollte diese nicht zustande kommen, reicht im zweiten Wahlgang eine einfache Mehrheit unter Abzug von Enthaltungen. Die Verbände sind bei ihrer Abstimmung nicht an die Ergebnisse des Berichts gebunden. Im Verlauf der vergangenen Monate stieg zunächst Südafrika aus und zuletzt zogen auch die USA und Mexiko ihre gemeinsame Bewerbung zurück.

Der FIFA-Kongress stimmt über die Ausrichtung ab.

Der FIFA-Kongress stimmt über die Ausrichtung ab.

Südamerika noch nie Ausrichter der WM der Frauen

Brasiliens Verband, der im Januar zwischenzeitlich vor einer Suspendierung durch die FIFA stand, hat über die Prüfberichte hinaus ein gutes Argument für sich: Deutschland richtete zuletzt 2011 die WM aus, Europa war mit Frankreich erst 2019 Gastgeber - Südamerika dagegen noch nie. Beim Kongress von Südamerikas Verband CONMEBOL (vergleichbar mit der UEFA) sagte Verbandschef Alejandro Dominguez in Anwesenheit von FIFA-Präsident Gianni Infantino: "Ich appelliere: 2027 muss die Frauen-WM zum ersten Mal in der Geschichte in Südamerika gespielt werden." Man müsse die Entwicklung des Frauenfußballs vorantreiben.

Alejandro Dominguez, Präsident des südamerikanischen Dachverbands CONMEBOL

Alejandro Dominguez, Präsident des südamerikanischen Dachverbands CONMEBOL

Durch die Männer-WM 2014 ist noch viel Infrastruktur vorhanden, mehrere Stadien von damals sind bei einem Zuschlag für die WM der Frauen 2027 vorgesehen. Von den 13 geplanten Stadien waren zehn schon 2014 in Gebrauch. Brasiliens Sportminister André Fufuca schrieb bei X: "Gehen wir dem Sieg entgegen."

Frauen-WM
Jahr Teams Land Siegerinnen
1991 12 China USA
1995 12 Schweden Norwegen
1999 16 USA USA
2003 16 USA Deutschland
2007 16 China Deutschland
2011 16 Deutschland Japan
2015 24 Kanada USA
2019 24 Frankreich USA
2023 32 Austr./Neuseel. Spanien
2027 32 ? ?

Europäische Bewerbung auch politisch unter Druck

Die europäische Bewerbung wird sich zumindest auf einen Großteil der Stimmen aus der UEFA stützen können. Allerdings sorgte die "One Love"-Posse bei der WM der Männer 2022 in Katar bei vielen Ländern für Unmut, das Verhältnis zur FIFA war zeitweise sehr angespannt. Abstimmungen werden in FIFA-Versammlungen oft genutzt, um abzustrafen, Rechnungen zu begleichen oder politische Machtverhältnisse zu klären.

Wiederholt wird berichtet, Saudi-Arabien stehe kritisch zur europäischen Bewerbung und nehme Einfluss. Ein Hintergrund: DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig hatte im ZDF mit Blick auf die de facto nach Saudi-Arabien vergebene Männer-WM 2034 gesagt, er habe "Jamal Kashoggi nicht vergessen". Kashoggi war ein kritischer saudi-arabischer Journalist, der in der Türkei von einem Killerkommando ermordet wurde. Einem UNO-Untersuchungsbericht zufolge soll die Anweisung dazu aus höchster Regierungsebene in Saudi-Arabien gekommen sein.

Jamal Khashoggi (Archivfoto: Dezember 2014)

Jamal Khashoggi (Archivfoto: Dezember 2014)

Männerturniere 2030 und 2034 spielen eine Rolle

Die Männerturniere 2030 und 2034 spielen möglicherweise im Hintergrund ebenfalls eine Rolle. Die Sieger stehen längst fest, für beide Turniere gibt es jeweils nur eine Bewerbung. 2030 soll die WM auf Vorschlag des FIFA-Rats in Spanien, Portugal und Marokko stattfinden, wegen des Jubiläums 100 Jahre nach der ersten WM in Uruguay sollen zudem Spiele in den südamerikanischen Ländern Uruguay, Argentinien und Paraguay stattfinden.

Diesem Deal im FIFA-Rat, in dem DFB-Präsident Bernd Neuendorf Mitglied ist, folgte ein weiterer: Wegen 2030 wurden die drei beteiligten Kontinente für 2034 ausgenommen, auch Nordamerika war wegen der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko außen vor. Somit blieb realistischerweise nur Asien übrig - und der dortige Verband unterstützte sofort die saudi-arabische Bewerbung, die ohne Konkurrenz in die Abstimmung für die WM 2034 gehen wird.

Brasilien ist eine der wichtigsten Fußballnationen der Welt, ging im Gegensatz zu drei anderen südamerikanischen Ländern bei der WM 2030 der Männer aber leer aus, Südamerika erhielt ohnehin nur drei Spiele. Eine Vergabe der WM 2027 der Frauen nach Brasilien könnte auch eine versöhnliche Geste sein - zum Nachteil der Bewerbung aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden.

DFB-Generalsekretärin Ullrich - "Große Portion Stolz"

Sportschau, 08.12.2023 11:05 Uhr