Viertelfinale gegen Kolumbien England selbstbewusst - "Das Beste kommt erst noch"
Wirklich überzeugt hat Europameister England bei der WM noch nicht. Die "Lionesses" glauben vor dem Viertelfinale gegen Kolumbien am Samstag (12.08.2023, 12.30 Uhr / im Liveticker und Audiostream bei sportschau.de) trotzdem an ihre Stärken - und wollen ihr volles Potenzial auf den Platz bringen.
Hier wird noch mal richtig rangeklotzt - das ist das klare Zeichen, das Sarina Wiegman beim Abschlusstraining vor dem Spiel gegen die Südamerikanerinnen setzt. Schon in den ersten 15 Minuten - danach werden die Medienvertreter freundlich gebeten, die Anlage zu verlassen - steht nicht nur lockeres Aufwärmen auf dem Programm.
Bei strahlendem Sonnenschein hat die Trainerin im Central Coast Stadium in Gosford in Sichtweite des Hafenbeckens diverse Sprint- und Kraftübungen auf den Trainingsplan gesetzt. Besonders anstrengend sind die Übungen mit dem kleinen Medizinball, der möglichst weit geworfen und dem dann im Sprint nachgesetzt werden soll. Kapitänin Millie Bright geht dabei mit gutem Beispiel und den weitesten Würfen voran.
"Wir wollen gegen Kolumbien unser bestes Spiel zeigen", erklärt die Niederländerin Wiegman, die ihr Team die Kraftübungen genau vor der Tribüne absolvieren lässt, auf der die Medienvertreter samt sechs Kamerateams ihren Platz gefunden haben. Was bisher gewesen ist, interessiere nicht mehr. Es gelte einzig, nun die beste Leistung abzurufen.
Engländerinnen von Spiel zu Spiel stärker?
Die Engländerinnen haben während der WM eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt. Auf eine Fast-Blamage gegen Haiti (1:0) folgte der ebenso knappe Sieg gegen Dänemark. Der Jubel über das 6:1 gegen China war groß, der Erfolg aber eher ein Strohfeuer, folgte darauf doch das unerwartet lange Achtelfinale gegen Nigeria, das Bright und Co. erst im Elfmeterschießen für sich entschieden haben.
"Wir können viel mehr", sah sich Starspielerin Lucy Bronze fast schon zu einer Rechtfertigung genötigt. Die ehemalige Fußballerin des Jahres in Europa und der Welt betonte aber auch: "Wir haben alle Probleme gelöst und sind weiter vorangekommen. Wir haben auf jede Leistung aufgebaut und aus jedem Spiel etwas gelernt." Ihre Hoffnung ist, dass "wir unsere besten Leistungen für die kommenden Spiele aufgespart haben".
Torhüterin Mary Earps, die bei der WM erst ein Gegentor kassiert hat, ist sich sicher: "Das Beste kommt erst noch." Die Gewissheit nehme sie aus der täglichen Arbeit mit dem Team. "Und ich kenne den Standard, den wir zusammen erreichen wollen."
Ausfall von James herber Verlust
Trotz der insgesamt überschaubaren Leistung blieben die englischen Medien nach dem Elfmeter-Krimi gegen Nigeria überraschend sittsam. Das lag allerdings auch daran, dass die Rote Karte von Lauren James so viel Gesprächsstoff geliefert hatte - und die übrig gebliebenen Zehn eben in Unterzahl trotzdem noch den Sieg feierten.
Das Wichtigste ist, dass wir unsere Spiel gewonnen haben. Und bei den ganzen Schwierigkeiten sind wir als Team noch weiter zusammengewachsen.
James, die gegen Kolumbien und in einem möglichen Halbfinale fehlen wird, war genauso wie alle anderen Spielerinnen im Abschlusstraining mit dabei. Ihr Ausfall ist ein herber Verlust, war die Stürmerin des FC Chelsea doch bisher mit je drei Toren und Vorlagen Erfolgsgarantin bei den "Lionesses".
Sowohl Wiegman als auch Earps, die zusammen bei der letzten Pressekonferenz vor dem Kolumbien-Spiel waren, betonten, sich über die Länge der Sperre von James keine weiteren Gedanken gemacht zu haben. Schließlich war klar, dass sie im Viertelfinale fehlen würde. "Und wir sind total auf dieses Spiel fokussiert", unterstrich Wiegman.
Es gelte, auf das körperliche Spiel der Kolumbianerinnen genauso vorbereitet zu sein ("smart und aggressiv") wie auf die starken Offensivspielerinnen um Linda Caicedo. Und dann soll sich bloß niemand von den für ihre Lautstärke mittlerweile berüchtigten kolumbianischen Fans durcheinanderbringen lassen. "Wir sind auch darauf vorbereitet."
Die richtige Mischung aus Lockerheit und Fokus?
Anders als das deutsche Team (Lena Lattwein: "Die schöne Einöde von Wyong.") hat sich das englische Team in Australien nicht von der Außenwelt abgeschottet. Im Ferienort Terrigal haben sie den Strand direkt vor ihrer Hoteltür. Dazu viele Restaurants, Cafés und kleine Läden. Wie weit sie diese Mischung aus Lockerheit und Fokus bringt, muss sich erst noch zeigen.
Wie heiß die Engländerinnen darauf sind, es gegen Kolumbien wieder allen zu zeigen, wurde auch noch beim Abschlusstraining unter den Palmen von Gosford deutlich. Unter den wachsamen Blicken von Wiegman, die ihre weiße Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen hatte, traten die Spielerinnen in zwei Zehnerteams gegeneinander an.
Immer zwei Spielerinnen eines Teams mussten versuchen, im Kreis aus acht Spielerinnen des anderen Teams möglichst oft den Ball zu erobern. Und als alle dran und die Ballgewinne ausgezählt waren, ließen Kapitänin Bright und ihr Team einen lauten Jubelschrei los. Nicht, als hätten sie gerade ein kleines Trainingsspielchen gewonnen, sondern eher ein WM-Viertelfinale.
- Spiele gegeneinander: 1 (Sieg England)
- FIFA-Ranking: England Platz 4 / Kolumbien Platz 25
- Beste WM-Platzierung: England - Dritter Platz 2015 / Kolumbien - Viertelfinale 2023
- Fun Fact: Englands Rechtsverteidigerin Lucy Bronze wurde 2019 als Europas Fußballerin des Jahres sowie 2020 sogar als Weltfußballerin ausgezeichnet. Das hatte vor ihr weder ein Mann noch eine Frau auf ihrer Position geschafft.