Holt Abwehrspielerin die Torkrone? Schwedens Ilestedt - Amanda die Große
Amanda Ilestedt spielt eine außergewöhnliche WM. Die Abwehrspielerin sorgt dafür, dass bei den Schwedinnen hinten fast nichts anbrennt, aber auch für die wichtigen Tore. Sie verkörpert das Spiel des Teams, das am Dienstag (15.08.2023, 10 Uhr MESZ, im Audiostream und Live-Ticker auf sportschau.de) im Halbfinale gegen Spanien um das erste Endspielticket kämpft.
Amanda Ilestedt konnte es noch gar nicht so richtig fassen. Nach dem Sieg im Viertelfinale gegen Japan (2:1) war Schwedens Innenverteidigerin erneut die gefragte Heldin. Die verschiedenen Medien wollten von ihr hören, wie das Team es geschafft hatte, die vorher so herausragenden Asiatinnen zu bezwingen, wie die Defensive um sie die Offensive stoppen konnte - und wie es sein kann, dass die 30-Jährige nach einem weiteren wichtigen Treffer tatsächlich die Chance hat, Torschützenkönigin der WM zu werden.
Ilestedt muss dieser Fakt fast unheimlich sein. Ihr geht es freilich um den mannschaftlichen Erfolg, die Schwedinnen verfolgen das große gemeinsame Ziel, endlich Weltmeister zu werden, nachdem es in der Vergangenheit bereits dreimal zu Platz drei und einmal zu Platz zwei gereicht hatte. Doch die Taktik von Trainer Peter Gerhardsson ist auf Ilestedt (und ihre Abwehrpartnerin Magdalena Eriksson) ausgelegt. Schweden will stark verteidigen und bei Standardsituationen zuschlagen - und das macht Ilestedt par excellence.
Das Team steht für Ilestedt im Vordergrund
In der Vorrunde hatte die 1,78 Meter große Spielerin gegen Südafrika (2:1) in der 90. Minute das Siegtor erzielt, gegen Italien (5:0) sogar zweimal getroffen - jeweils per Kopf nach ruhenden Bällen. Auch das Tor gegen Japan zur 1:0-Führung resultierte aus einer Freistoßflanke, Ilestedt behielt als einzige in dem Gewusel die Übersicht und feierte dann ihr erstes Erfolgserlebnis mit dem Fuß.
"Es ist völlig verrückt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es fühlt sich an, als wäre ein Traum wahr geworden. Es fühlt völlig unwahrscheinlich an, aber es macht Spaß", sagte sie nach dieser Partie. Kein Wunder, schließlich ist es vor allem Ilestedt, die die Mannschaft so weit gebracht hat - auch wenn sie sich natürlich unterordnet. "Es geht nicht um eine Person, sondern um ein Team. Wir spielen fantastischen Fußball und jede Einzelne gibt in jedem Sprint alles. Wir zeigen, dass wir ein tolles Team sind", sagte die Spielerin, die ab der kommenden Saison für den FC Arsenal aufläuft.
Eriksson: "Amanda für die Torjägerkrone"
Ihre Kolleginnen sind in Bezug auf die Person Ilestedt schon etwas euphorischer als sie selbst. "Das ist fantastisch, wir sind so gut bei Standardsituationen und werden auch weiterhin gut darin sein. Es macht unglaublich viel Spaß, Amanda da draußen zu sehen", sagte Fridolina Rolfö, die selbst zu den schwedischen Standardschützinnen zählt und für den ersten Schritt der größten Gefahrenmomente des Teams zuständig ist, in der Vorrunde.
Eriksson ging nach dem Japan-Spiel, das ihr 100. Einsatz für Schweden war, sogar einen Schritt weiter. Sie will nicht nur ihrem Land den WM-Titel ermöglichen, sondern auch Ilestedt den der besten Torjägerin. "Ich bin hier, damit Amanda Torschützenkönigin wird. Das kann man als Schlagzeile haben: Amanda für die Torjägerkrone", sagte sie im Überschwang der Gefühle.
Und Ilestedt hat durchaus gute Chancen. Nur die Japanerin Hinata Miyazawa (fünf Tore) traf häufiger als sie und von den Spielerinnen, die mit ihr auf Augenhöhe sind, ist keine mehr im Turnier vertreten. Ilestedt hat zwei Spiele Zeit, um als erste Abwehrspielerin noch den Tor-Thron zu erklimmen - damit würde auch die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Schweden den WM-Gipfel erklimmt.
Jahr | Spielerin, Land | Tore |
---|---|---|
1991 | Michelle Akers, USA | 10 |
1995 | Ann Kristin Aarones, Norwegen | 6 |
1999 | Sissi, Brasilien / Sun Wen, China | 6 |
2003 | Birgit Prinz, Deutschland | 7 |
2007 | Marta, Brasilien | 7 |
2011 | Homare Sawa, Japan | 5 |
2015 | Celia Sasic, Deutschland / Carli Lloyd, USA | 6 |
2019 | Megan Rapinoe, USA / Alex Morgan, USA / Ellen White, England | 6 |
Vier Jahre in Deutschland, Krönung in Down Under?
Ilestedt hat in ihrer Karriere zwar schon einige Erfolge gefeiert, der Triumph in Australien und Neuseeland wäre aber ganz klar die Krönung ihrer bisherigen Laufbahn. In Schweden wurde sie unter anderem fünfmal Meister, in Deutschland schaffte sie es auch einmal mit dem FC Bayern München (von 2017 bis 2021 spielte die Verteidigerin je zwei Jahre für Turbine Potsdam und die Bayern in Deutschland), mit Paris St. Germain wurde sie Pokalsiegerin in Frankreich.
Auf Klubebene will sie ab der nächsten Saison Erfolge in England feiern, erst aber mit ihrer Nationalmannschaft in Australien und Neuseeland. Der persönliche Titel der Torschützenkönigin wäre dann eigentlich nur eine Nebensache.