Gianni Infantino (l.), Spielerberater Roger Wittmann

Streit um Beschränkungen für Spielervermittler Nächste Niederlage für die FIFA vor Gericht

Stand: 13.03.2024 11:59 Uhr

Die FIFA ist mit einer Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gescheitert und darf ihr Reglement für Spielervermittler weiterhin nicht anwenden. Am Ende wird wohl der Europäische Gerichtshof entscheiden müssen, ob der Fußball-Weltverband die Provisionen der Berater deckeln darf. Und auch darüber, ob die FIFA das milliardenschwere Transfergeschäft unter ihre Kontrolle bringt.

Im abgeschotteten Verbandskosmos des Weltfußballs hatte Gianni Infantino zuletzt kaum Widerstand zu befürchten. Es brauchte schon das Landgericht Dortmund, um die Kreise des FIFA-Patrons einzudämmen bei einem seiner Herzensprojekte: Die Dortmunder Richter hatten im Mai 2023 eine einstweilige Verfügung erlassen und Infantinos Fußball-Weltverband untersagt, sein neues Spielervermittler-Reglement anzuwenden.

OLG Düsseldorf: FFAR verstoßen gegen Kartellverbot

Dagegen war die FIFA gemeinsam mit dem DFB in Berufung gegangen, kassierte aber am Mittwoch (13.03.2024) vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf die nächste Niederlage: Der 1. Kartellsenat am OLG wies die Berufung zurück und bestätigte die Entscheidung des Dortmunder Landgerichts, das zuvor den von der FIFA erlassenen Regelkatalog für Spielervermittler in den Kernpunkten für wettbewerbswidrig erklärt hatte.

Die "FIFA Football Agent Regulations", kurz FFAR, verstießen gegen das Kartellverbot, hieß es nun auch in der Mitteilung des OLG. Demnach beschränkten die FFAR-Auflagen "die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der außerhalb der Fifa sowie des DFB und ihrer Verbandshoheit stehenden Spielervermittler".

Mehrere deutsche Spielervermittler hatten erfolgreich gegen die FFAR geklagt. Sie sahen in den vom Weltverband verfügten Beschränkungen, darunter die Offenlegung von Transferzahlungen und eine Deckelung von Provisionen, einen Verstoß gegen das Kartellrecht.

Ordnungsgelder für Fifa und DFB

Damit nicht genug: Die FIFA und der Deutsche Fußball-Bund (DFB), als nationaler Verband für die Umsetzung der FFAR-Vorschriften zuständig, erhielten von den Richtern Ordnungsgeldbescheide in Höhe von 150.000 Euro. Außerdem wurden ihnen gerichtlich weitere Strafzahlungen angedroht, sollten sie den Spielerberatern weiter die FFAR- Beschränkungen aufzwingen oder sie nicht ausreichend über die konkreten rechtlichen Auswirkungen aufklären.

FFAR-Vorschriften bleiben ausgesetzt

Die FIFA hatte daraufhin klein bei gegeben und die Nationalverbände im vergangenen Dezember angewiesen, das umstrittene Beraterreglement vorerst nicht mehr anzuwenden. Dies wird auch nach der Entscheidung im Berufungsverfahren so bleiben: Die klagenden Spielervermittler hätten weiterhin Anspruch auf Unterlassung, betonte das OLG Düsseldorf. Anderenfalls riskierten die Verbände weitere Klagen und Strafzahlungen.

Weitreichende Auswirkungen des Urteils für Transfermarkt

Die Entscheidung der NRW-Gerichte hat weitreichende Auswirkungen, sie gilt nicht etwa nur für die Tätigkeit von in Deutschland registrierten Spielervermittlern. Viele Transfers finden international, in einem grenzüberschreitenden Markt statt. Das OLG Düsseldorf betonte in diesem Zusammenhang, dass die weltweit geltenden FFAR "vorhersehbar auch den EU-Binnenmarkt" beträfen. Damit sei deutsches und gemeinschaftsrechtliches Kartellrecht anwendbar - und die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben. Dies war von den FIFA-Anwälten in Frage gestellt worden.

Kernaspekt der FFAR: Provisionsdeckel für Beraterhonorare

Rechtsstreitigkeiten zwischen den Fußballverbänden und der Vermittlerbranche werden seit mehreren Jahren, vor Gerichten weltweit, ausgetragen. Der DFB hatte schon im Jahr 2015 einen ersten Regulierungskatalog für Spielervermittler verabschiedet. Darin vorgeschrieben waren unter anderem eine generelle Registrierungspflicht für Berater und die Anerkennung der Verbandsgerichtsbarkeit sowie ein Verbot von Provisionen bei Folgetransfers eines Spielers.

Die FIFA-Regeln für die Beraterbranche gingen in Teilen noch weiter, indem sie nun Obergrenzen für Vermittlerprovisionen festlegten: Bis zu sechs Prozent des Jahresgehalts eines Spielers, oder bei einem Transfer maximal zehn Prozent der Ablösesumme. Der DFB, der diese Regularien für den deutschen Markt umsetzen müsste, wollte sich auf Sportschau-Anfrage nicht dazu äußern und verwies auf das laufende Gerichtsverfahren.

814 Millionen Euro - Spielerberater kassieren Rekordprovisionen

Das Geschäftsgebaren der Spielerberater stärker zu kontrollieren, erscheint zunächst einmal als vernünftiges Anliegen: Nach FIFA-Angaben zahlten die Klubs im vergangenen Jahr alleine bei internationalen Spielertransfers 814 Millionen Euro an Beraterhonoraren, so viel wie nie zuvor. Von den deutschen Klubs flossen Provisionszahlungen in Höhe von 82 Millionen Euro an Spielerberater.

Klub-Manager, aber auch viele Fans, beklagen schon länger, dass die Berater zuviel Macht ausübten. Die ungesunde Dynamik am Transfermarkt und die fortgesetzte Preistreiberei, die zugleich die Vorherrschaft einiger weniger Großklubs zementiert, wurden in der Vergangenheit auch den umtriebigen "Star-Beratern" zur Last gelegt.

FIFA unter Kartellverdacht

Allerdings sind die Vereine, allen voran auch die FIFA, Teil des Milliardenspiels. Schon allein deshalb wirkt es verdächtig, wenn nun ausgerechnet Infantinos Weltverband den Beratern ans Geld gehen möchte.

Juristisch, im kartellrechtlichen Sinne, stellt es sogar ein echtes Problem dar: Sportverbände wie die FIFA seien Unternehmen, die ihre marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen dürften, sagt Dr. Björn Christian Becker, Kartellrechtsexperte von der Universität Würzburg: "Sie dürfen als Unternehmensvereinigungen außerdem keine wettbewerbsbeschränkenden Beschlüsse fassen. Wenn die FIFA für andere Marktteilnehmer, zum Beispiel Spielervermittler, Regelungen aufstellt und ihnen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, kann darin aber sehr schnell eine Wettbewerbsbeschränkung liegen."

Becker hat die juristischen Auseinandersetzungen um das FFAR verfolgt und auch ein Gutachten für eine klagende Vermittlungsfirma verfasst. Besonders problematisch, so der Wirtschaftsjurist, sei dabei das Festsetzen von Preisen, wie die von der FIFA vorgegebenen Maximalvergütungen für Spielerberater, Becker spricht in diesem Zusammenhang von "Hardcore-Kartellverstößen".

Kartellrechtler Becker: Warum Provisionsobergrenzen für Spielerberater problematisch sind

Sportschau

Clearing-Stelle für Transfers - die FIFA als Kassenwart

Als besonders brisant gilt ein weiterer FFAR-Passus, der die Machtposition der FIFA weiter stärken könnte: Nach Artikel 13 sollen alle Vergütungszahlungen an Spielervermittler künftig über eine zentrale Clearing-Stelle beim Weltverband laufen. FIFA-Boss Infantino würde damit zum obersten Kassenwart im Transfergeschäft aufsteigen.

Für Sportrechtsexperte Dr. Philipp Wehler, der sich ebenfalls mit den laufenden Fällen befasst, würde dies die globale Marktmacht der FIFA zementieren: "Wenn man die Finanzströme steuert, dann kontrolliert man den Markt umfassend. Die FIFA kann Beträge zurückhalten, alle Streitigkeiten liefen über FIFA-Gremien. Die Marktakteure wären komplett im FIFA-System gebunden. Darin liegt eine große Gefahr."

Auch dagegen zogen Spielervermittler in mehreren Ländern vor Gericht, von England, Spanien, den Niederlanden bis nach Brasilien. Nur einmal, bei einer Verhandlung vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, wurde das FIFA-Regelwerk bislang nicht beanstandet. Beim Großteil der übrigen Gerichtsverfahren entschieden die Richter zugunsten der Spielervermittler, oder sie verwiesen weiter an den Europäischen Gerichtshof.

Spielervermittler-Reglement vor dem Europäischen Gerichtshof

Dort wird am Ende wohl auch eine endgültige Entscheidung darüber getroffen werden, ob die großen Fußballverbände überhaupt befugt sind, die Geschäfte der Berater zu regeln. Beim EuGH liegen bereits zwei Fälle zur sogenannten Vorabentscheidung: Einer betrifft die FFAR-Vorschriften, der zweite das DFB-Reglement für Spielervermittler. Dagegen geklagt hatte Deutschlands wohl bekanntester Spielerberater Roger Wittmann.

Mit einer Entscheidung des EuGH ist wohl frühestens Ende des Jahres 2024 zu rechnen. Mit Prognosen halten sich auch Experten zurück. Denn ob die strengen kartellrechtlichen Auflagen auf alle Bereiche des kommerziellen Sports anwendbar sind, ist unter Juristen umstritten.

Super-League-Entscheidung mit Signalwirkung

Allerdings hat der EuGH im vergangenen Dezember mehrere Urteile über Kartellstreitigkeiten im Profisport gefällt, unter anderem zur Super League, die Signalcharakter für den Rechtsstreit um das FFAR haben dürften: Bisher galt bei der Frage, ob Sportverbände vom Kartellverbot ausgenommen werden können, das sogenannte Meca-Medina-Urteil aus dem Jahr 2006 als Referenzmodell. Seinerzeit ging es um die Anti-Doping-Bestimmungen des IOC, die rein kartellrechtlich auch einen unzulässigen Eingriff darstellen. Der EuGH ließ sie aber gelten, weil er die Integrität des sportlichen Wettbewerbs höher bewertete.

EuGH lässt sportliche Ziele nur noch bedingt gelten

Bei der Entscheidung zur Super League, wo es ebenfalls um mögliche Kartellverstöße ging, stellten die EuGH-Richter das Visier aber nun etwas schärfer: Demnach könne bei Markteingriffen, die objektiv betrachet den Zweck haben, den Wettbewerb zu beschränken, keine Abwägung mehr mit möglicherweise legitimen, sportlichen Zielen erfolgen.

Solche Eingriffe in den Wettbewerb gelten dann in den meisten Fällen als unzulässig. Juristen sprechen von "bezweckter Wettbewerbsbeschränkung". Darunter, so Kartellrechtsexperte Becker, fielen in der Regel auch Preisabsprachen, wie die im Spielervermittler-Reglement vorgesehene Obergrenze für Vergütungen.

Verlängerung vor dem EuGH in Luxemburg

Auch das Düsseldorfer Oberlandesgericht bezog sich schon bei der Eröffnung des Berufungsverfahrens ausdrücklich auf die jüngsten EuGH-Entscheidungen. Bei seiner Berufungsentscheidung bezeichnete der Kartellsenat die FFAR-Maßnahmen nun grundsätzlich als unverhältnismäßig und im Falle der Vergütungsobergrenzen sogar als ungeeignet, um etwa die Häufigkeit von Transfers zu reduzieren. Bei einem Provisionsdeckel sei eher das Gegenteil wahrscheinlicher, hieß es vom Senat, "nämlich der Anreiz, mehr Vermittlungen herbeizuführen". Der Streit zwischen FIFAS und Spielervermittlern dürfte damit in die Verlängerung gehen - dann vor dem EuGH.