ARD-Expertin und Ex-Nationalspielerin Almuth Schult

Olympiasiegerin von 2016 Karriereende von Almuth Schult - Revolutionärin aus dem Wendland

Stand: 31.03.2025 12:59 Uhr

Die ehemalige Nationaltorhüterin Almuth Schult hat das Ende ihrer Profikarriere bekannt gegeben. Die 34-Jährige war zuletzt vereinslos und erwartet im Oktober ihr viertes Kind. Schult spielte 66 Mal für Deutschland und wurde 2016 in Rio Olympiasiegerin. Neben dem Platz wurde sie wie keine Zweite zum Sprachrohr, kämpfte für bessere Bedingungen im Frauenfußball und führte nachhaltige Veränderungen herbei.

Von Inka Blumensaat

Zuletzt hatte Almuth Schult bis Ende 2024 für Kansas City Current (KCC) in der US-amerikanischen NWSL gespielt und mit dem Club die Play-offs erreicht. Sie überzeugte noch einmal auf der großen Bühne, traf beispielsweise im Spiel gegen Orlando Pride noch einmal auf Marta - und parierte die Schüsse der sechsmaligen Weltfußballerin aus Brasilien brillant.

"Es macht mich stolz, wenn andere mich als Vorbild sehen. Es braucht Idole, die vorangehen, die aufzeigen, was möglich ist."
— Almuth Schult

Im August war Schult zu KCC gewechselt und binnen Wochen die neue Nummer eins geworden. "Es ist schön, dass ich das Vertrauen des Clubs zurückzahlen konnte. Ich bin froh, dass ich noch einmal unter Beweis stellen konnte, dass ich auf höchstem Niveau spielen kann. Und ein bisschen Genugtuung war natürlich auch dabei", sagte sie rückblickend im NDR Interview.

Erfolgreicher Abschluss bei Kansas City Current

Schult wurde im April 2020 Mutter von Zwillingen, im August 2023 kam ihr drittes Kind zur Welt. Nach beiden Schwangerschaften kämpfte sie sich zurück ins Tor. Leicht war das nicht, Clubs aus der Bundesliga und dem europäischen Ausland hatten Bedenken, die Torhüterin zu verpflichten - der Weg führte dann in die USA. "Das Comeback bei KCC nach der Geburt meines dritten Kindes war sehr emotional. Schon nach meiner ersten Schwangerschaft mit den Zwillingen gab es so viele Zweifel von außen, Menschen, die mir eine Rückkehr nicht zugetraut haben. Ich hatte gehofft, dass es leichter wird und dass der Glauben an mich größer ist. Aber es gab viele Vorbehalte", so Schult.

Almuth Schult im Trikot von Kansas City Current

Almuth Schult im Trikot von Kansas City Current.

In Kansas City erlebte sie eine erfolgreiche Zeit und viel Bestätigung. Eine Verlängerung des Engagements in den USA über die vergangene Saison hinaus kam aus familiären Gründen nicht in Frage. Die Monate in der NWSL aber bedeuten ihr viel. "Meine älteren Kinder haben mich jetzt bewusst Fußball spielen sehen, sie haben eine Idee davon bekommen, was Leistungssport bedeutet. Diese Erinnerungen nehmen sie mit."

Titel und Triumphe - vor allem mit Wolfsburg

Schult wuchs im niedersächsischen Wendland auf und begann beim FC Samtgemeinde Gartow mit dem Fußballspielen. 2006 lief sie erstmals für ein DFB-Nachwuchsteam auf, die U15-Nationalmannschaft, 2010 holte sie mit der U20 den WM-Titel - gemeinsam mit Alexandra Popp, Dzsenifer Maroszan und Marina Hegering. Nach zwei Jahren beim Bundesligisten Bad Neuenahr zog es sie 2013 zum VfL Wolfsburg, wo sie eine Ära prägte, in der sie die Champions League, sechs Meistertitel und achtmal den DFB-Pokal gewann.

Verabschiedung am 8. April in Wolfsburg

In Wolfsburg wird sich der Kreis für sie schließen, wenn Schult im Vorfeld des Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland in der VfL-Arena am 8. April (ab 17.45 Uhr, live im Ersten und bei sportschau.de) offiziell verabschiedet wird. "Ich wertschätze, dass ich in außergewöhnlichen Vereinen spielen durfte, und natürlich ist es nach der langen Zeit beim VfL Wolfsburg eine Ehre, sich dort im Stadion verabschieden zu dürfen", erklärte Schult.

Deutschland gegen Schottland, am 08.04. ab 17.15 Uhr

Sportschau, 08.04.2025 17:15 Uhr

Almuth Schults Karriere

Erfolge: Olympiasiegerin (2016), Europameisterin (2013), Champions-League-Siegerin (2014), Deutsche Meisterin (2014, 2017, 2018, 2019, 2020, 2022), DFB-Pokalsiegerin (2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022)
Nationalmannschaft: 66 Spiele
Vereine: SC 07 Bad Neuenahr (43 Spiele), VfL Wolfsburg (137), Angel City FC (1), Hamburger SV (4), Kansas City Current (11)

Schult überzeugte mit außergewöhnlicher Reaktionsschnelligkeit und Robustheit, ihrer Antizipation und ihrer Furchtlosigkeit, allein mit ihrer Ausstrahlung brachte sie viele Stürmerinnen zur Verzweiflung und sicherte ihrem Club auch mit Elfmeterparaden wichtige Erfolge. Von Verletzungen ließ sie sich nicht stoppen, so warf sich die Keeperin bei der WM 2019 trotz einer gravierenden Schulterläsion in Bälle und Gegnerinnen.

Olympiagold und Zuschauer-Weltrekord als Highlights

Debütiert hatte Schult im deutschen Tor 2012, drei Jahre später ernannte die damalige Bundestrainerin Silvia Neid sie zur deutschen Nummer eins. 2016 der größte Erfolg mit den Nationalteam: Olympiagold in Rio, für die Torhüterin eines der Highlights ihrer Karriere. "Es hat mich immer mit Stolz erfüllt, mein Land zu vertreten und die Hymne zu hören. Auch wenn es vermutlich mehr Spiele auf der Bank als auf dem Platz waren. Fußball ist ein Teamsport, und das macht so vieles aus", sagte die 34-Jährige

Als ein weiteres nennt sie das Champions-League-Halbfinale 2022, als der VfL Wolfsburg im ausverkauften Camp Nou vor knapp 92.000 Fans auf den FC Barcelona traf. "Obwohl wir hoch verloren haben, verbinde ich damit sehr positive Erinnerungen. Ich hatte es vorher nicht für möglich gehalten, dass über 90.000 Fans nicht nur zu einem Frauenfußball-Spiel kommen, sondern, dass das ganze Stadion auch noch wie elektrisiert singt und feiert. Das war phänomenal!"

"Sie hat als Torfrau und als Mensch Maßstäbe gesetzt. Almuth hat ihre Rolle ganzheitlich interpretiert, es geht ihr nicht nur um die sportliche, sondern auch um die gesellschaftliche Entwicklung."
— DFB-Sportdirektorin Nia Künzer

Den Fußball der Frauen insgesamt voranbringen - das war und ist ihre Mission. Schult verhandelte Gelder für Lehrgänge mit dem DFB, sie prangerte schlechte Bedingungen in der Bundesliga an, kritisierte Vereine und Verbände, sagte ohne Scheu immer ihre Meinung. "Sie hat als Torfrau und als Mensch Maßstäbe gesetzt. Almuth hat ihre Rolle ganzheitlich interpretiert, es geht ihr nicht nur um die sportliche, sondern auch um die gesellschaftliche Entwicklung", sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer. "Sie war und ist eine unserer starken Persönlichkeiten mit Strahlkraft, die auch Mutmacherin für viele andere Frauen ist."

Revolution im FIFA-Reglement

"Ich wollte Veränderungen anstoßen. Dass ich aber an so etwas Großem beteiligt sein könnte, hätte ich früher nicht gedacht", sagte Schult mit Blick auf die veränderten FIFA-Regularien zur Rückkehr von Spielerinnen aus dem Mutterschutz. An den Empfehlungen der Fußballerinnengewerkschaft FIFPro an den Weltverband hatte sie selbst mitgearbeitet. Nach der Geburt ihres dritten Kindes war sie die erste Spielerin weltweit, die davon profitierte. Auch beim VfL Wolfsburg und im Nationalteam hat ihr Engagement für mehr Offenheit gegenüber Müttern geführt, Schult hat eine Vorreiterrolle. "Es macht mich stolz, wenn andere mich als Vorbild sehen. Es braucht Idole, die vorangehen, die aufzeigen, was möglich ist."

"Ohne den DFB-Torwarttrainer Michael Fuchs wäre meine Karriere nicht möglich gewesen. Er hat mich als Spielerin und Charakter geformt. Und natürlich bin ich auch meiner Familie unendlich dankbar, dass sie mir diesen Weg ermöglicht hat."
— Almuth Schult

Comeback als Mutter im Nationalteam

Nach der Geburt ihrer Zwillinge bestritt Schult zwei weitere Länderspiele und schrieb somit Geschichte - als erste Torhüterin, die nach ihrer Schwangerschaft in die DFB-Auswahl zurückkehrte. Im November 2022 spielte sie zum 66. und letzten Mal für Deutschland. "Ohne den DFB-Torwarttrainer Michael Fuchs wäre meine Karriere nicht möglich gewesen. Er hat mich meine gesamte Nationalmannschaftskarriere begleitet, mich als Spielerin und Charakter geformt. Und natürlich bin ich auch meiner Familie unendlich dankbar, dass sie mir diesen Weg ermöglicht hat."

Schult und ihr Mann erwarten das vierte Kind

Anfang des Jahres hatte Schult, die seit 2022 zum Expertenteam der ARD im Männer- und Frauenfußball gehört, zunächst noch gehofft, von einem Club in Europa unter Vertrag genommen zu werden: "Nach meiner erfolgreichen Zeit bei Kansas City hatte ich gehofft, dass es leichter wird. Dass es in der Winterpause nicht geklappt hat, war schon enttäuschend." Nun erwarten Schult und ihr Mann das vierte Kind - eine erneute Rückkehr in den Profisport kann sie sich nicht vorstellen. "Der Weg zurück ist irre schwer und ich werde ihn nach dieser Schwangerschaft nicht mehr gehen. Ich bin jetzt bereit, aufzuhören", sagt Schult und setzt mit einem Lächeln hinzu: "Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste."

Ende der Profikarriere - im Fußball soll es weitergehen

Ein Comeback auf dem Platz allerdings visiert sie durchaus an - und zwar ganz unten: Das Männerteam ihres Heimatvereins FC Samtgemeinde Gartow spielt in der Kreisklasse, seit einiger Zeit dürfen in den Amateurligen auch Frauen zum Einsatz kommen. Schult freut sich schon drauf: "Ich sehe mich da als Feldspielerin und könnte zum Beispiel aus der Abwehr heraus meinem Bruder, der Stürmer ist, ein paar Bälle in den Lauf spielen."

Freddie Schürheck, Sportschau F – Inspirierende Frauen aus dem Sport, 01.03.2025 20:51 Uhr