
Junge Generation macht Druck Kann Alexander Zverev noch einen Grand-Slam-Titel gewinnen?
Alexander Zverev fehlt noch der ganz große Titel - und die jungen Spieler machen dem 27-Jährigen das Leben schwer. Der ehemalige Weltklassespieler Andreas Maurer glaubt an das Potenzial des besten deutschen Tennisprofis - wenn dieser etwas ändert.
Es ist und bleibt der ganz große Traum von Alexander Zverev: Der Gewinn mindestens eines der vier Grand-Slam-Turniere ist eine seiner ganz großen Obsessionen. Ohne einen Titelgewinn bei den Australian Opern, bei Roland Garros, in Wimbledon oder bei den US Open würde der derzeit immer noch mit Abstand beste deutsche Tennisspieler seine Karriere wohl als unvollendet ansehen.
Diesem Traum läuft der 27-Jährige allerdings schon viele Jahre hinterher. Immer dann, wenn er die Gelegenheit hatte und das Finale - etwa in New York (2020), in Paris (2024) oder in Melbourne (2025) - erreichte, ging er als Verlierer vom Platz.
Innere Dämonen
"Er muss vor allem seine inneren Dämonen besiegen, um diesen ganz großen Erfolg zu schaffen", sagt der ehemalige Weltklassespieler und -Trainer Andreas Maurer der Sportschau. Zverev setze sich seit langer Zeit zu sehr selbst unter Druck.
"Immer dann, wenn er seine Dämonen bei kleineren Turnieren im Griff hat, dann laufen seine Schläge, vor allem die manchmal etwas wacklige Vorhand, wie am Schnürchen", so die ehemalige Nummer 24 der Welt, die einst mit dem deutschen Davis-Cup-Team um Boris Becker im Finale (1995) stand. Dieses i-Tüpfelchen bei den Grand-Slam-Turnieren fehlte bisher bei Zverev.

Boris Becker (l.) und Andreas Maurer im Davis Cup
Gefangen im Sandwich
Zverevs großes Problem zudem: Er ist das Kind einer (Übergangs-)Zeit, in der er zunächst mit den großen drei - Roger Federer, Rafael Nadal und Novk Djokovic - bei den größten Turnieren um Titel kämpfen musste - und sich nie durchsetzte.
Nach dieser außergewöhnlichen Ära im Profitennis (nur der 37 Jahre alte Djokovic ist noch dabei) folgt nun nahtlos eine Generation von jungen Wilden, die derzeit dabei ist, den jetzt etablierten Spielern wie Zverev, Stefanos Tsitsipas, Daniil Medwedew, Grigor Dimitrov und Co. schon in frühen Jahren den Rang abzulaufen. "Die Generation um Zverev ist wie in einem Sandwich gefangen zwischen den alten Weltklassespielern und den neuen Emporkömmlingen", sagt Maurer.
Junge Turniersieger
Jannick Sinner (23 Jahre) und Carlos Alcaraz (21) sind die wohl bekanntesten neuen Namen, weil sie bereits einige große Titel gewinnen und an Zverev und Co. vorbeiziehen konnten. Doch es folgen einige weitere hoch talentierte Spieler.
Die jüngsten 1000er-Turniersieger in Indian Wells und Miami, Jack Draper (23, Großbritannien) und Jakub Mensik (19, Tschechien) haben ihr großes Können eindrucksvoll nachgewiesen.
Holger Rune (21, Dänemark) ist nach einem längeren Formtief wieder auf dem aufsteigenden Ast. Arthur Fils (20, Frankreich) hat Zverev bereits zweimal - zuletzt in Miami - besiegen können, Ben Shelton (22, USA) ist der große amerikanische Hoffnungsträger, Lorenzo Musetti (23, Italien) ist nur eines einiger viel versprechender Italienischer Talente, Giovanni Mpetshi Perricard (21, Frankreich) gilt als neues Aufschlagwunder nach dem Karriereende von John Isner (USA).
Jugendliche Unbeschwertheit als Vorteil
"Diese jungen Spieler sind natürlich talentiert, aber sie spielen auch mit dieser Unbekümmertheit, die junge Menschen oft ausmacht und die ihnen eine besondere Leichtigkeit verleiht", sagt Maurer. Über diese könne Zverev altersbedingt nicht mehr verfügen. Aber dennoch müsse es der Deutsche häufiger schaffen, näher an der Grundlinie zu spielen und offensiver zu agieren. "Und er muss mehr Konstanz auf höchstem Niveau in seine Schläge bekommen", sagt Maurer.
"Vor allem aber braucht er diese ganz besondere Abgeklärtheit in den entscheidenden Situation, die Jannik Sinner so ausmacht und die auch die großen drei allesamt hatten", so Maurer. Also: die nötige Ruhe bei den entscheidenden Bällen bewahren und den Mut haben, den jeweiligen Plan bis zum Ende durchzuziehen.
Sportliche Krise bei Zverev
Zuletzt hatte sich Zverev zu allem Überfluss auch noch in einer sportlichen Krise befunden. Nach dem Erreichen des Finales in Melbourne setzte es auf seiner Südamerika- und Amerika-Tour eine frühe Turnier-Niederlage nach der anderen.
"Ich habe in letzter Zeit viele Spiele verloren, bei denen ich das Gefühl hatte, dass ich sie nicht kontrollieren konnte", sagte Zverev nach dem Aus gegen Fils in Miami. "Ich muss auf mich schauen, mehr als auf alles andere."
So wie Leverkusens Fußballer?
Nun geht es weiter auf der Tour in Europa, mit Zverevs Lieblingsbelag, der roten Asche. In seiner Wahlheimat spielt er beim traditionsreichen Monte Carlo Masters mit, bis es dann zu den French Open nach Paris geht.
"Da wird Alexander Zverev eine gute Chance haben, weil der Boden dort am warmen Tagen so hart und schnell wie ein Hartplatz ist und er über einen fantastischen Aufschlag verfügt", sagt Maurer. "Und vielleicht platzt ja dieses Mal der berühmte Knoten, so wie bei Bayer 04 Leverkusen, die nie die Meisterschaft gewinnen konnten und dann ist es im vergangenen Jahr doch gelungen. Die spielerischen Möglichkeiten für einen ganz großen Triumph hat Zverev allemal."