Die FIFA-Zentrale in Zürich

Menschenrechtsorganisation kritisiert "Die FIFA ist nicht imstande, den Weltfußball zu führen"

Stand: 30.10.2024 20:03 Uhr

Die Menschenrechtsorganisation FairSquare kritisiert in einer Untersuchung "gravierende strukturelle Mängel" bei der FIFA und folgert: "Die FIFA ist nicht imstande, den Weltfußball zu führen." Ohne Reformen von außen werde sie weiterhin Menschenrechtsverletzungen und andere soziale Schäden verursachen.

"Fußball hat eine viel zu große soziale, politische und wirtschaftliche Bedeutung, um dermaßen schlecht geführt zu werden", sagte Nick McGeehan, Co-Geschäftsführer von FairSquare, in einer Mitteilung der Organisation zu dem Bericht. Die FIFA habe schlechte Strukturen und eine mangelhafte Führung.

Die FIFA habe es nicht geschafft, sich selbst zu reformieren, es sei sogar zu Rückschritten gekommen. Daher könne nur mit Reformen von außen verhindert werden, dass die FIFA "Menschenrechtsverletzungen und anderes soziales Leid verursacht oder verschlimmert".

Experten aus verschiedenen Bereichen beteiligt

Der Bericht basiert laut FairSquare auf mehr als 100 Interviews, unter anderem mit Fußballfunktionären, Menschenrechtsexperten, Soziologen, Ökonomen, Anwälten sowie Experten für Governance, Korruption und Steuern. In dem Bericht werden mehrere Argumente für den Schluss genannt, dass die FIFA verändert werden muss:

  • Entwicklungsgelder der FIFA würden so verteilt, dass die Nationalverbände dadurch motiviert werden, den Präsidenten politisch zu unterstützen, schreibt FairSquare. Die Organisation spricht von einer "Günstlingswirtschaft" und kritisiert, dass es keine Transparenz über die Verwendung der Gelder gibt. Überprüfungen der FIFA seien nicht öffentlich.
  • FairSquare wirft der FIFA vor, ihre Statuten "als politische Waffe" einzusetzen. In den Statuten ist ein Verbot der Einflussnahme durch Regierungen und Gerichte auf Nationalverbände festgeschrieben. Die FIFA nutze in solchen Fällen die Androhung von Sanktionen, um ihre Interessen durchzusetzen, schreibt FairSquare und bezieht sich auf Beispiele in Angola sowie in Trinidad und Tobago. Dort soll am Ende FIFA-Präsident Gianni Infantino profitiert haben - mit Stimmen bei seiner Wiederwahl oder beim Schutz eines bestimmten Funktionärs.
  • Wichtige Reformen in ihrer Struktur, die 2016 nach dem Skandal mit zahlreichen Verhaftungen von FIFA-Funktionären angestoßen wurden, seien mit den umfangreichen Statutenänderungen 2024 rückgängig gemacht worden.

Die Sportschau fragte die FIFA für eine Stellungnahme an, der Weltverband antwortete zunächst nicht.

FairSquare: EU könnte Rolle bei FIFA-Regulierung spielen

FairSquare gibt mehrere Empfehlungen für eine Verbesserung der Strukturen. Die Organisation spricht sich für mehr Transparenz aus und fordert die Abschaffung des "Rats-Ausschusses", in dem Infantino laut FairSquare gemeinsam mit den sechs Konföderationspräsidenten wie beispielsweise Aleksander Ceferin von der UEFA am FIFA-Rat vorbei entscheiden kann.

FairSquare nennt dieses Gremium "undemokratisch". Zudem müsse Infantino regelmäßig Pressekonferenzen geben. Zuletzt gab es kaum Möglichkeiten für Medien, Fragen an den Präsidenten zu richten. Bei einer Reform könne der Europäischen Union eine Rolle zukommen, schreibt FairSquare im Fazit des Berichts.

FIFA-Präsident Gianni Infantino

FIFA-Präsident Gianni Infantino

"Die EU ist immuner gegen den Druck der Sportverbände als einzelne Staaten, deren Mannschaften und Athleten leichter von Wettbewerben ausgeschlossen werden können", heißt es. Die europäische Gesetzgebung könne bei entsprechender Formulierung auch auf Akteure außerhalb der Union wirken. Das hätten Verordnungen mit Blick auf die "Big Tech"-Unternehmen in den USA gezeigt.

Kritik an Menschrechtsuntersuchung in Saudi-Arabien

Gemeinsam mit mehreren anderen Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Fanbündnissen hatte FairSquare in dieser Woche bereits Kritik an einer Menschenrechtsbewertung der saudi-arabischen WM-Bewerbung für 2034 geübt. Diese hatte die FIFA bei einer Anwaltskanzlei mit Sitz in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad in Auftrag gegeben.

"Wer Probleme anspricht, landet im Gefängnis"

Sportschau

"Die Bewertung enthält keine wesentliche Diskussion über umfangreiche und relevante Missbräuche in Saudi-Arabien, die von mehreren Menschenrechtsorganisationen und UN-Gremien dokumentiert werden", teilten die Organisationen mit. "Seit mehr als einem Jahr ist klar, dass die FIFA entschlossen ist, alle potenziellen Hindernisse zu beseitigen, um sicherzustellen, dass sie Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman die Weltmeisterschaft 2034 übergeben kann."

Formeller Beschluss über WM 2034 in Saudi-Arabien im Dezember

Am 11. Dezember findet laut FIFA ein digitaler Kongress aller 211 Mitgliedsverbände statt. Die Verbände haben nur eine Stimme, mit der sie gleichzeitig über die Vergabe der Weltmeisterschaften 2030 und 2034 abstimmen. 2030 soll das WM-Turnier der Männer in Spanien, Portugal und Marokko mit Eröffnungsspielen in Paraguay, Argentinien und Uruguay stattfinden, 2034 ist Saudi-Arabien vorgesehen.

Dieses Vorgehen einer Blockwahl hat der FIFA-Rat, in dem auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf Mitglied ist, einstimmig beschlossen. Damit ist noch unwahrscheinlicher geworden, dass es Gegenstimmen gibt. Die europäischen Verbände müssten beispielsweise gegen Spanien und Portugal stimmen, um ein "Nein" gegen Saudi-Arabien auszusprechen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Der DFB werde die Bewerbung auf das Thema Menschenrechte prüfen, hatte der Verband bereits im November 2023 mitgeteilt. Das Thema Menschenrechte sei anders als bei der Vergabe der WM nach Katar Teil der Vergabekriterien. "Der DFB wird sich hierzu positionieren", sagte Neuendorf damals. Eine öffentliche Bewertung der Bewerbung Saudi-Arabiens hat der DFB aber bislang nicht vorgenommen.