Saudi-Pro League "Regimekritiker landen im Gefängnis"
Der Meister im saudi-arabischen Fußball steht fest. Gleichzeitig warnen saudische Regimekritiker vor der Langzeitstrategie des Königshauses.
31 Spiele, 29 Siege, keine Niederlage. Seit vergangenen Samstag (11.05.24) steht fest: Al-Hilal, der Club um den Brasilianer Neymar, ist saudischer Fußballmeister. Der erste Meister nach der großen Investitionsoffensive des Landes in die Saudi Pro League im vergangenen Jahr. Das Kuriose daran: Neymar stand dabei gerade mal in drei Ligaspielen auf dem Platz. Durch seinen Kreuzbandriss hat er nur knapp mehr als 200 Minuten in der Liga absolviert. Laut Medienberichten erhält er ein Jahres-Grundgehalt von rund 80 Millionen Euro.
Über 10.000 Kilometer entfernt in Washington D.C. interessiert sich kaum jemand für die Meisterschaft von Al-Hilal. Anfang Mai treffen sich bei einer Konferenz des "Arab Rights & Research Centers" (ACCR), eine Nichtregierungsorganisation die sich für politische und gesellschaftliche Reformen in Saudi-Arabien einsetzt, unter anderem mehrere im Exil lebende Regimekritiker. Lina al-Hathloul wohnt zwar inzwischen in Belgien, aber für vieles, was sie sagt, drohen ihr in ihrem Heimatland harte Konsequenzen: "Du kannst nicht über soziale oder politische Probleme sprechen. Regimekritiker landen sofort im Gefängnis."
Geld für den Fußball aus staatlichem Investmentfonds
Unter der Führung des Kronprinzen Mohammed bin Salman, dessen Abkürzung "MBS" selbst an den Markennamen einiger Fußballstars erinnert, kennt das Königreich keine Grenzen für die Investitionen in den Sport. Seinen Plan hat Mohammed bin Salman unter der Staatsdoktrin "Vision 2030" festgehalten. Wichtigstes Werkzeug dafür ist der Public Investment Fund (PIF) mit geschätzten Reserven in Höhe von 650 Milliarden Dollar.
Einst wurde der PIF für nationale Entwicklungsprojekte gegründet, um sich unabhängig von Öl-Exporten zu machen, und die Verwaltungshoheit über den Fonds liegt in der Hand von bin Salman selbst. 2023 wurde der PIF Hauptanteilseigner an vier Vereinen der Saudi Pro League, darunter auch Al-Hilal.
Todesstrafe für Tweets
Kritik daran, wie der Kronprinz das Geld ausgibt, sei nicht erwünscht, sagt Lina al-Hathloul. "MBS zu kritisieren, ist das Schlimmste, was du machen kannst. Zuletzt haben wir erlebt, wie für kritische Tweets die Todesstrafe verhängt wurde", sagt Lina-al-Hathloul. Auch wenn sie selbst nicht mehr in Saudi-Arabien lebt, kann sie sich nicht sicher fühlen. Für Machthaber bin Salman ist der Sport eine Langzeitstrategie. Im Herbst werden die WTA-Finals im Tennis in Saudi-Arabien ausgespielt. Im vergangenen Jahr fand hier die FIFA-Klub-WM statt, die Fußball-WM soll 2034 folgen. Die FIFA hat das Turnier zwar noch nicht vergeben, Saudi-Arabien ist aber der einzige Bewerber.
BBC: Recherche zu gezielten Tötungen
Wie das Regime in Saudi-Arabien seine Pläne um jeden Preis durchzieht, zeigt eine aktuelle Recherche der BBC. Es geht um das Neom-Projekt, eine Vision des Golfstaates, bei der futuristische und hoch moderne Wohnsiedlungen entstehen sollen. Für den Bau einer der Siedlungen wurden mehr als 6.000 Menschen umgesiedelt. Ein Bewohner, der sich weigerte, seinen Besitz aufzugeben, wurde laut BBC erschossen. Laut Regierung habe er Sicherheitskräfte angegriffen. Ein Whistleblower gab gegenüber der BBC an, dass er vor Jahren angehalten wurde, Menschen zu erschießen, die ihr zu Hause nicht verlassen wollen.
Es ist nicht der erste Tote, der mit Mohammed bin Salmans Regime in Verbindung steht. Im Jahr 2018 wurde der saudische Journalist Jamaal Kashoggi bei einem Besuch des saudischen Generalkonsulats in Istanbul getötet. Der Kolumnist der US-amerikanischen Washington Post galt als großer Kritiker bin Salmans. Auf internationalen Druck räumte das saudische Regime seinen vorsätzlichen Tod ein. Während zahlreiche Personen aus dem Umfeld des Kronprinzen für die Tat verantwortlich gemacht wurden, bestreitet er selbst bis heute, involviert gewesen zu sein.
Der Rechtswissenschaftler Abdullah Alaoudh lebt ebenfalls im Exil und kannte Kashoggi gut, bezeichnet ihn als "Freund der Familie" bei der Konferenz in Washington. "Seine Ermordung war ein Testament des wahren Gesichts Saudi-Arabiens." Kashoggi hätte durch seine Beziehungen im In- und Ausland großen Einfluss gehabt. "Sie fürchten Leute, die die Öffentlichkeit in Saudi-Arabien und im Ausland gleichzeitig überzeugen können."
Sport als internationale Legitimation
Genau darum gehe es bin Salman bezüglich der Investitionen in den Sport, kritisieren die Aktivistinnen und Aktivisten. Der Fall Kashoggi hat gezeigt: Das Konstrukt um den Kronprinzen braucht Legitimation nicht nur in Saudi-Arabien, sondern auch durch die Beziehungen mit anderen Ländern und Organisationen. "Es liegt in der Verantwortung der Sportorganisationen wie der FIFA, zu berücksichtigen, wie Länder wie Saudi-Arabien das System ausnutzen", fordert Alaoudh.
Das Argument, Sportereignisse könnten einen positiven Effekt für die Menschenrechtslage in Austragungsländern haben, sehen sie in Washington nicht. "Die Leute in Saudi-Arabien lieben den Sport", sagt Alaoudh. "Und deshalb investiert Mohammed bin Salman so viel, weil er kontrollieren will, was die Leute lieben." Für die Saudi Pro League gibt es bereits die nächsten Zukunfts-Pläne. Es soll eine große Doku-Serie entstehen.