Fußball-WM 2034 Ungeklärte Todesfälle und Kritik am Strafgesetzentwurf in Saudi-Arabien
Dass Saudi-Arabien die Fußball-WM 2034 ausrichten soll, hat die FIFA bereits bekannt gegeben. Jetzt berichtet eine englische Zeitung über ungeklärte Todesfälle unter den Gastarbeitern dort und Amnesty International äußert weitere Bedenken.
Nicht mal drei Wochen sind vergangen, seitdem Saudi-Arabien seine Kampagne zur offiziellen Bewerbung um die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2034 gestartet hat. Da es keinen Mitbewerber gibt, gilt der Erfolg der Bewerbung als sicher. Die Bekanntgabe des Bewerbungs-Slogans "Growing. Together." bekam entsprechend wenig Aufmerksamkeit. Statt dieser Marketingbotschaft gehen zur Zeit andere Bilder durch die europäische Presse.
"The Guardian" zeigt Fotos von trauernden Angehörigen an einem Sarg und schreibt, immer wieder würden tote Gastarbeiter aus Saudi-Arabien zurück in ihre Heimat Bangladesch gebracht. Eine Recherche, die an die Sportschau-Enthüllungen vor der Fußball-WM in Katar erinnert. Das Thema damals wie heute: die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen viele Gastarbeiter in den Golfstaaten leben und arbeiten und durch die immer wieder auch Menschen sterben.
Großteil der Todesfälle unter Gastarbeitern aus Bangladesch im Jahr 2022 nicht untersucht
Die englischen Journalisten von "The Guardian" haben sich zusammen mit Entwicklungshelfern aus Bangladesch eine offizielle Statistik der Behörden in Saudi-Arabien angesehen: Demnach sind dort im Jahr 2022 1.502 Menschen aus Bangladesch gestorben. Mehr als drei Viertel von ihnen seien in der Statistik mit "natürlicher Todesursache" verzeichnet, ihre Fälle seien nicht näher untersucht worden. Genau wie die Todesfälle, die dort unter "Herz- oder Atemstillstand" aufgeführt seien.
Vier Sterbefälle pro Tag im Jahr 2022. Ob diese Rate ungewöhnlich hoch ist, ist schwer zu beurteilen. Weil unklar ist, wie viele Menschen aus Bangladesch inzwischen als Gastarbeiter in Saudi-Arabien leben. Das Saudische Ministerium für Human Resources spricht von 2,5 Millionen Menschen aus Bangladesch, die als Gastarbeiter im Land seien.
Die Entwicklungshelfer der Agentur Brac aus Bangladesch sagten "The Guardian", dass 2023 rund eine halbe Millionen ihrer Staatsbürger zum Arbeiten nach Saudi-Arabien gegangen seien. Und sie glauben, dass ihre Zahl nochmal stark steigen wird, wenn die WM-Vergabe abgeschlossen ist und die Bauarbeiten für Verkehrsinfrastruktur, Hotels und Stadien konkret werden.
Sind Lebens- und Arbeitsumstände mit Schuld an Todesfällen?
Das Königreich Saudi-Arabien betont in seiner Stellungnahme gegenüber "The Guardian": "Es gibt klare Regeln und Standards, um die Gastarbeiter und ihre Rechte zu schützen. Alle Arbeitsunfälle werden untersucht. Tragische Fälle, die tödlich enden, werden nach internationalen Standards betrachtet und eine Autopsie wird durchgeführt, wenn der Fall es verlangt."
Schon vor der Fußball-WM 2022 in Katar hatten Menschenrechtsorganisationen gefordert, dass Todesfälle unter den Gastarbeitern untersucht werden müssen. In einem Bericht der Menschenrechtsorganisation FairSquare über die in den Golfstaaten verstorbenen Gastarbeiter heißt es, es reiche nicht aus, einen Herzstillstand festzustellen. Das sei keine Untersuchung der Todesursache. FairSquare zufolge würden äußere Faktoren, und darunter eben auch die harten Arbeits- und Lebensbedingungen der Gastarbeiter, die Ausbeutung, Stress und Hitze die Sterberate beeinflussen.
Der amerikanische Versandkonzern Amazon hat nach eigenen Angaben zuletzt 700 seiner Vertragsarbeiter in Saudi-Arabien mit insgesamt 1,9 Millionen Dollar entschädigt. Weil eine interne Untersuchung ergeben habe, dass in dem Land Firmenstandards nicht eingehalten wurden. Es habe minderwertige Unterkünfte, Unregelmäßigkeiten bei Verträgen und Löhnen sowie Verzögerungen bei Beschwerden gegeben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte zuvor über 22 nepalesische Amazon-Mitarbeiter in Saudi-Arabien berichtet, die darüber hinaus auch daran gehindert worden seien, sich eine andere Arbeit zu suchen oder das Land zu verlassen.
Auch die Entwicklung eines Strafgesetzbuches wird zur Zeit kritisch beobachtet
Dass die WM-Bewerbung von Saudi-Arabien an solchen Menschenrechtsfragen scheitern wird, ist unwahrscheinlich. Auch wenn die FIFA-Statuten vorsehen, dass jede Fußball-Weltmeisterschaft an den Prinzipien sozialer Nachhaltigkeit ausgerichtet sein muss. Zu den Bewerbungsvoraussetzungen gehört demnach auch, dass sich die WM-Bewerber zur Einhaltung der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen verpflichten.
Und nicht nur der Bericht von "The Guardian", sondern auch Amnesty International stellt die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien aktuell wieder in den Fokus. Die Menschenrechtsorganisation hat sich nach eigenen Angaben mit dem Entwurf für das erste verschriftlichte Strafgesetzbuch Saudi-Arabiens befasst und jetzt einen umfangreichen Bericht dazu veröffentlicht. Das geplante Strafgesetzbuch verstoße gegen internationales Recht und schreibe bislang bestehende repressive Praktiken fest, so die Bewertung von Amnesty International.
Das saudi-arabische Strafrecht beruht auf der islamischen Scharia und ist noch kaum kodifiziert. Die Strafen werden von den Rechtsinstanzen direkt aus den religiösen Schriften des Islam abgeleitet. So warnt das Auswärtige Amt in Deutschland Reisende zum Beispiel davor, dass in Saudi-Arabien Drogen- und Alkoholbesitz strafbar seien und für Drogendelikte auch die Todesstrafe verhängt werden könne. Prostitution, homosexuelle Handlungen und außerehelicher Geschlechtsverkehr würden in Saudi-Arabien nach Ermessen des Richters mit Geldstrafe und/oder Freiheitsentzug bestraft. Unter Umständen könne auch hier die Todesstrafe verhängt werden, so das Auswärtige Amt.
Wie weit will Saudi-Arabien sein Strafrecht wirklich ändern?
Vor einigen Jahre hatte das Königreich Veränderungen bei der Strafrechtsprechung angekündigt. Das Auswärtige Amt schreibt, Stockhiebe und sonstige Körperstrafen würden in Saudi-Arabien inzwischen mit abnehmender Tendenz verhängt. Die Todesstrafe gegen zur Tatzeit Minderjährige wurde offiziell abgeschafft. Einzelne Fälle werden dennoch noch bekannt. Altersunabhängig gehört Saudi-Arabien weiter zu den Staaten mit der weltweit höchsten Zahl an Hinrichtungen. 2023 waren es nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP, die sich auf die Ankündigungen der saudischen Behörden beruft, mindestens 170 Fälle.
Amnesty International hatte vergangenes Jahr Fragen zum Entwurf des Strafgesetzbuches an die saudi-arabischen Behörden übermittelt. Diese hätten daraufhin bestritten, dass der Menschenrechtsorganisation der echte Entwurf vorliege und erklärt, der echte Entwurf würde zur Zeit einer gesetzlichen Überprüfung unterzogen. Amnesty International fordert, dass Saudi-Arabien die neueste Version des Entwurfs veröffentlicht und so eine Beurteilung von außen ermöglicht.