Viertelfinale der Champions League Wiedersehen mit Tuchel - Schlägt sich Guardiola wieder selbst?
Als die Bayern-Bosse zuletzt Julian Nagelsmann durch Thomas Tuchel ersetzten, dachten sie möglicherweise auch an dessen Champions-League-Coup gegen Pep Guardiola im Finale 2021. Es ist ein Trainerduell mit Vorgeschichte, wenn die Bayern mit Tuchel im Viertelfinale der Königsklasse am Dienstag (11.04.2023/21 Uhr, Live im Ticker und zum Hören bei sportschau.de) zu Manchester City mit Guardiola müssen.
Müssen - oder doch eher dürfen? Dass es sportlich derzeit wohl kaum eine härtere Herausforderung gibt, hat gerade erst das 7:0 der "Citizens" im Achtelfinal-Rückspiel gegen RB Leipzig mit fünf Toren von Erling Haaland bewiesen. Aber der Coach ist bei genauerem Hinsehen auch so etwas wie ein Hoffnungsträger - für Bayerrn.
Zwar gilt Guardiola bei vielen Fans und Experten in einer Garde mit Jürgen Klopp, Carlo Ancelotti, José Mourinho, Zinédine Zidane und vielleicht auch schon Tuchel als bester Trainer der Welt. Und er hat auch die besten Mannschaften der Welt angeleitet: den FC Barcelona von 2008 bis 2012, den FC Bayern von 2013 bis 2016 und anschließend Manchester City.
Seine Bilanz ist herausragend: 32 Titel hat er mit diesen Klubs eingefahren, auch die Champions League hat er gewonnen. Zweimal sogar: 2008/09 und 2010/11. Seitdem wartet er aber erstaunliche zwölf Jahre auf die nächste Krönung in der Königsklasse, weder die Bayern noch City hat er auf die höchste Stufe des europäischen Fußballs geführt. Warum das so ist, dazu gibt es verschiedene Theorien. Eine hat damit zu tun, dass Pep Guardiola in besonderen Spielen immer wieder ganz besondere Coaching-Ideen hatte, die nicht den gewünschten Erfolg brachten.
Katastrophaler Coaching-Fehler im Finale
Der offensichtlichste und wohl schlimmste Coaching-Fehler seiner Königsklassen-Karriere unterlief Guardiola im Finale 2021, ausgerechnet gegen Tuchel. Die beiden verband aus gemeinsamen Bundesliga-Zeiten eine Freundschaft, in München hatten sich die beiden mal in einem Restaurant getroffen und mit Salz- und Pfefferstreuern taktische Varianten des Fußballspiels nachgestellt. Gegen den klaren Außenseiter Chelsea, der in der Premier League Man City weit hinterherhinkte, warf Guardiola dann im Endspiel die Erfolgstaktik der kompletten Saison über den Haufen.
Er ließ mit Rodri und Fernandinho seine Stammsechser auf der Bank, spielte vorne ohne die Neuner Gabriel Jesus und Kun Agüero und wollte Chelsea mit insgesamt fünf offensiven Mittelfeldspielern hoch anlaufen. Dadurch opferte er komplett das Zentrum, hatte vorne keine Durchschlagskraft, vor der Abwehr keine Absicherung und lud Chelsea zum Kontern ein - Kai Havertz schoss die "Blues" zum Triumph.
Auch mit den Bayern schwer geschlagen
Guardiola gab diesen Fehler anschließend nicht wirklich zu, sagte: "Ich habe das Beste versucht. Es war die beste Aufstellung, die ich machen konnte." Das hatte er in München noch anders gehandhabt. Als er 2014 mit den Bayern im Halbfinale krachend an Real Madrid gescheitert war (0:1 und 0:4), gab der Spanier zu, dass er "Dinge tat, die ich nicht gefühlt habe. An diesem Tag trage ich alle Schuld." Angeblich, so schrieb später Guardiolas Biograph Marti Perarnau, habe die Mannschaft ihn überredet, mehr wie unter Jupp Heynckes spielen zu lassen. Philipp Lahm war Wortführer neben Thomas Müller.
Der Trainer änderte sein System auf ein 4-2-3-1 mit Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger im zentralen defensiven Mittelfeld, Lahm wechselte auf die Rechtsverteidiger-Position, Thomas Müller auf die Zehn. Im Zentrum hatte Bayern dann keinerlei Kontrolle, Real kam mit schnellem Umschaltspiel immer wieder an Kroos und Schweinsteiger vorbei, zudem verteidigten die Bayern auch die Standards falsch - Sergio Ramos sollte im Raum übergeben werden, was völlig misslang.
Mit City an Lyon gescheitert
Nicht gefruchtet hatte Guardiolas Taktik auch 2015 gegen den FC Barcelona, als der Coach mit einem völlig ungewohnten 3-5-2 das 4-3-3 von Barca mit den offensiven Außenverteidigern ausbremsen wollte: Bayern schied wiederum im Halbfinale aus (0:3 und 3:2).
Fünf Jahre später sah es dann so aus, als würde Guardiola mit Manchester City im Halbfinale auf die Bayern treffen, doch in der Runde der letzten acht reichte es sensationell gegen Olympique Lyon nicht. Guardiola hatte mal wieder die Grundordnung geändert, sein Team wirkte verunsichert, und der Katalane räumte ein wenig trotzig und nicht allzu überzeugt klingend auf Nachfrage ein: "Wir haben verloren. Also war der Plan nicht gut."
"Den Philosophen brauchen wir hier nicht"
Kritik aus den Medien hat Guardiola nach solchen Spielen oft erfahren, vor allem in England ist die Zündschnur kurz. In seinen Klubs hatte er aber immer vollen Rückhalt, so wirkt es jedenfalls nach außen. Einer der ganz wenigen Spieler, wahrscheinlich sogar der einzige, der sich traute, öffentlich über den verkopften, grüblerischen Ansatz Guardiolas zu lästern, ist, wer sonst, Zlatan Ibrahimovic.
Der selbsternannte "Gott" empfahl 2011 in Barcelona seinem Boss den Rauswurf von Pep, der "keine Eier habe und sich vor Mourinho in die Hosen sch...". Zlatan schlussfolgerte: "Den Philosophen brauchen wir hier nicht. Der Zwerg und ich reichen vollkommen." Der Zwerg war Lionel Messi, der Philosoph nimmt jetzt gegen den FC Bayern den nächsten Anlauf auf seinen dritten Titel in der Champions League.