Comeback der alten Größen Blühende Träume in Gladbach und an der Weser
Der FSV Mainz 05 ist die heimliche Mannschaft des Jahres. Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach arbeiten fast wieder meisterlich.
Christian Heidel kam am vergangenen Samstag als Letzter der fröhlichen Delegation des FSV Mainz 05 in die Mixed Zone der Frankfurter Arena. Direkt neben dem großen Bild der Eintracht-Ikone Jürgen Grabowski sollte der Sportvorstand eine Zwischenbilanz ziehen: "Dass wir so ein Jahr hinlegen, ist auch für uns überraschend."
Aus dem Abstiegskandidaten im Januar ist im Dezember 2024 ein Europapokalanwärter geworden. Der Boss hat am Bruchweg über fast drei Jahrzehnte alle Höhen und Tiefen mitgemacht. Eine solch positive Spielzeit gab es lange nicht mehr, erklärte Heidel. "Ich hätte nichts dagegen, wenn man uns ,Mannschaft des Jahres' nennt, auch wenn wir uns dafür nichts kaufen können."
Seitdem am 22. Spieltag der vergangenen Saison der von Heidel aus dem Hut gezauberte Bo Henriksen als Trainer übernahm, haben die Rheinhessen saisonübergreifend 48 Punkte geholt. Besser waren nur der VfB Stuttgart RB Leipzig, Bayern München und eben Doublesieger Leverkusen.
"Höhenflug mit Henriksen", titelte das Fachmagazin Kicker am Montag. Kommt nicht so oft vor, dass die Mainzer das Topthema sind.
Mainz-Trainer Henriksen weckt Erinnerungen an Jürgen Klopp
Nach einem holprigen Saisonstart eilen die Nullfünfer unter dem Dänen von Erfolg zu Erfolg, haben fünf der jüngsten sechs Bundesligaspiele gewonnen. Der Lohn: Platz fünf. Mainz ist aktuell die beste Mannschaft aus dem soliden Mittelbau der Bundesliga.
Nach Jürgen Klopp und Thomas Tuchel sitzt auf der Trainerbank wieder ein Coach mit Kultfaktor. Die Ähnlichkeiten mit der Ikone Klopp sind allein vom Auftreten frappierend - das weiß auch Heidel, will aber betont haben: "Als Klopp wie ein Irrwisch herumsprang, wurde er schnell auf seine Rolle als Motivator reduziert." Das sei damals genauso Quatsch gewesen wie heute bei Henriksen.
Wie der Einpeitscher das Publikum bereits vor Anpfiff in Wallung bringt, steht für den Spirit seines Teams, das sich beim Nachbarn Eintracht Frankfurt (3:1) sogar in Unterzahl die Punkte erkämpfte. Sicher nicht unbedingt verdient, aber auf Strecke ist der Ertrag kein Zufall. Obwohl der Klub in Brajan Gruda, Leandro Barreiro und Sepp van den Berg "drei der fünf besten Spieler" (Heidel) verlor und einen Transferüberschuss von fast 30 Millionen Euro erwirtschaftete, ist der Standort uneingeschränkt wettbewerbstauglich.
Beim SV Werder reifen die Spieler in Ruhe
Auch in Bremen und Mönchengladbach könnte die Stimmung zum Jahreswechsel kaum besser sein. Der SV Werder und die Borussia, die beide eine erfolgreiche Historie und große Beliebtheit über das Einzugsgebiet eint, bedienen wieder die ewige Sehnsucht vom Europapokal.
Werder hat sich nach dem Wiederaufstieg nicht nur stabilisiert, sondern unter Trainer Ole Werner sind viele Stammspieler noch einmal besser geworden wie der Heimsieg gegen Union Berlin (4:1) zeigte. Torwart Michael Zetterer, Abwehrchef Marco Friedl, Schienenspieler Mitchell Weiser, Abräumer Senne Lynen, Mittelfeldmann Jens Stage, dazu Torjäger Marvin Ducksch: Es ist auch im mittleren oder fortgeschrittenen Alter eines Fußballprofis nicht zu spät, sich auf die nächste Stufe zu hieven. Die grün-weiße Wiedergeburt widerlegt zudem alle Skeptiker, die nicht an die heilsame Erneuerung durch ein Zweitligajahr glauben.
Können überraschend nach oben schauen: Die Spieler von Werder Bremen freuen sich
Borussia Mönchengladbach erwartet bald die Bayern
So tief mussten die Fohlen nicht fallen, doch auch deren positiver Jahresabschluss unter Trainer Gerardo Seoane hatten nicht mehr viele erwartet. Nach dem Auswärtssieg bei der TSG Hoffenheim (1:2) vor fast 10.000 mitgereisten Fans war Partystimmung angesagt. Der Aufwärtstrend ist offenkundig. Viele Rädchen greifen am Niederrhein endlich ineinander.
Die Beförderung von Moritz Nicolas zur Nummer eins hat sich ausgezahlt, Neuzugang Philipp Sander brachte mehr Stabilität im Mittelfeld – und in Tim Kleindienst hat die Borussia endlich wieder einen Torjäger, der den Unterschied macht. Seoane glaubt: "Es sowohl individuell als auch als Mannschaft noch Potenzial da."
Alle Optionen für Freiburg und Stuttgart
Dass sich im Mittelteil des Tableaus alles nicht schnell verschieben kann, darauf setzen der SC Freiburg und VfB Stuttgart. Die Breisgauer haben unter Julian Schuster als Nachfolger der Überfigur Christian Streich eine anfangs gute, später nur mittelprächtige Hinrunde absolviert, die Schwaben unter Sebastian Hoeneß schlicht den hochkarätigen Abgängen und der zusätzlichen Belastung in der Champions League Tribut zollen müssen. Im Kampf um die Europa-League-Plätze werden beide aber noch locker mitmischen können.
Schwieriger wird es für den um Konstanz ringenden VfL Wolfsburg, der weiterhin die aus dem krisengeplagten VW-Konzern zur Verfügung gestellten Mittel nicht adäquat einsetzt. Coach Ralph Hasenhüttl ist mit der Ausbeute als Elfter nach der Heimniederlage gegen Borussia Dortmund (1:3) nicht zufrieden. Seine Zwischenbilanz liest sich Grau in Grau.