Kommerzielle Football-Liga ELF Zwischen Profi-Ambitionen und 100-Euro-Verträgen
Es wird eine große Show werden am Sonntag ab 15.30 Uhr in der Duisburger Arena. Die European League of Football (ELF) veranstaltet das Finale ihrer dritten Saison, erwartet bis zu 31.500 Zuschauer beim Duell zwischen Stuttgart Surge und Düsseldorf Rhein Fire. American Football auf der großen Bühne, perfekt ins Kameralicht gesetzt, live übertragen auf "ProSieben". Alles wirkt wie professioneller Football, angelehnt an die NFL. Doch hinter der Hochglanz-Fassade erscheint das System ELF wackelig mit finanziellen Problemen und fragwürdigen Methoden - vor allem mit Blick auf das Mindestlohngesetz.
Die ELF ist der nächste Versuch, das große NFL-Interesse in Europa zu nutzen. Sie ist eine rein privatwirtschaftliche Liga ohne Verbindung zur klassischen Vereins- und Verbandsstruktur im deutschen Sport. Sie setzt auf ein System, das nach dem großen Vorbild NFL klingt: Die Teams sind Franchises, also selbstständige Unternehmen und Lizenznehmer der Liga, Auf- und Abstieg gibt es nicht.
Sieben der aktuell 16 Teams kommen aus Deutschland, wo Football-Spieler üblicherweise kein oder kaum Geld erhalten. Dies widerspricht allerdings der rein privatwirtschaftlichen Struktur der ELF. "Bei einem eingetragen, nicht-wirtschaftlichen Verein kann man vielleicht noch überlegen, ob ein Spieler, der Vereinsmitglied ist, nicht einfach nur ehrenamtlich tätig wird und gar kein Arbeitsverhältnis vorliegt", sagt Philipp S. Fischinger, Arbeits- und Sportrecht-Professor an der Universität Mannheim. "Schon dort ist das aber nicht einfach. Bei einer Sportkapitalgesellschaft als nicht gemeinnützigen GmbH verbieten sich diese Überlegungen hingegen von vornherein."
Probleme mit dem Mindestlohngesetz
Alle ELF-Spieler brauchen also Arbeitsverträge und müssen dann in Deutschland den Mindestlohn erhalten, also derzeit mindestens zwölf Euro pro Stunde. Angesichts des Zeitaufwandes für Training, Spiele und Reisen erscheint ein Monatsgehalt von mindestens 500 Euro nötig. Selbst dann wären nur amateurhafte zwei Trainingseinheiten pro Woche zeitlich drin.
Football ist personalintensiv, ein ELF-Team besteht aus bis zu 65 Spielern und 10 bis 15 Trainern. So entstehen stattliche Personalkosten, zumal die ausländischen und die besseren Spieler und vor allem die Cheftrainer sicherlich mehr verdienen wollen als den Mindestlohn. Dazu brauchen die Teams eine Geschäftsführung, Marketing-Mitarbeiter, Funktionsteams, Material, Reisekosten, Unfallversicherungen und Stadionmieten.
Sport inside liegt Spielervertrag vor
Haben die jungen Franchises angesichts dieser Kosten tatsächlich genug Budget, um allen Spielern mindestens 500 Euro im Monat zu zahlen? Schon länger wird gemunkelt, dass viele der sogenannten "Home-Grown-Spieler", also diejenigen aus der Region, lediglich Taschengeldsummen erhalten. Die meisten von ihnen haben einen anderen Beruf oder studieren.
Ein Indiz in diese Richtung ist nun ein Spielervertrag "auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung", der Sport inside zugespielt worden ist. Demnach hatte eine ELF-Franchise einem Spieler im Jahr 2021 lediglich 100 Euro pro Monat bezahlt. Trotzdem verpflichtete sich der Spieler laut Vertrag, "an allen Spielen und Lehrgängen, am Training und sonstigen der Spielvorbereitung dienenden Veranstaltungen teilzunehmen".
Sport inside hat diese Vertragsinhalte dem Arbeitsrechts-Professor Philipp S. Fischinger genannt. Sein Fazit mit Blick auf den ab Juli 2021 gültigen Mindestlohn von von damals noch 9,60 Euro: "Bei 100 Euro netto dürfte der Spieler nur circa 15 bis 16 Stunden im Monat beschäftigt worden sein. Dass diese Grenze beachtet wurde, erscheint mir völlig ausgeschlossen. Man wird daher von einem Verstoß gegen das Mindestlohngesetz ausgehen müssen."
Nachzahlungen, Geld- und Freiheitsstrafen drohen
Sollte der Zoll solche Verstöße feststellen, müsste die Franchise Gehalt nachzahlen und Geldbußen von bis zu 500.000 Euro fürchten. "Zum anderen steht im Raum, dass von der ELF-Franchise entweder gar keine Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt wurden oder jedenfalls viel zu wenig", sagt Fischinger. "Denn diese bemessen sich selbst dann, wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich weniger ausbezahlt wurde, stets mindestens nach den gesetzlich geschuldeten Mindestlohnbeträgen."
Folge wäre, dass die ausstehenden Differenzbeträge nachgezahlt werden müssten, sagt Fischinger. Außerdem könnten sogar Straftaten vorliegen, für die Geld- oder sogar Freiheitsstrafen verhängt werden könnten.
Die im Spielervertrag genannte Franchise ließ Fragen von Sport inside unbeantwortet. Die ELF verwies auf die Eigenständigkeit der Franchises und schrieb außerdem: "Klar ist, dass kein Spieler gezwungen ist, sich einem ELF-Team anzuschließen."
Zahlungen per Übungsleiterpauschale?
Die Liga geht bewusst einen Weg außerhalb der Verbandsstrukturen. "Wir verfolgen einen unternehmerischen Ansatz, legen dabei hohen Wert auf die mediale Umsetzung und die Distribution", sagte der ELF-Commissioner Patrick Esume im Juni in einem Interview mit dem "Kicker". Vollends scheinen die ELF-Franchises aber nicht auf die Vorzüge des Vereinswesens verzichten zu wollen. Zeitnah zur Gründung der GmbHs sind in fast allen aktuellen deutschen Team-Standorten Vereine gegründet geworden, in München, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Berlin und Hamburg.
ELF-Commissioner Patrick Esume beim ELF-Finale 2022
Sie tragen allesamt das Wort "Academy" im Namen und haben erkennbare Verbindungen zu den ELF-GmbHs, sei es über dieselbe Adresse oder gelistete Personen. Sport inside hat Hinweise erhalten, denen zufolge diese Vereine Zahlungen an Trainer der ELF-Teams tätigen. Sie nutzen demnach offenbar das Privileg der steuerfreien Übungsleiterpauschale, was sie nur als gemeinnützig tätige Vereine tun dürfen.
Sport inside schickte Fragen hierzu an die sechs genannten Franchises, bis Redaktionsschluss reagierte lediglich Stuttgart Surge. "Nein, das ist bei uns nicht der Fall", lautete die Antwort auf die Frage, ob über den Verein Zahlungen an ELF-Trainer fließen. Der Verein AMFC Academy Stuttgart wolle American Football an Schulen fördern. "Unsere Coaches und Trainer werden für das Schulprogramm über Minijobs bezahlt", schrieb Stuttgart Surge.
Potenzial unterschiedlich groß
Es bleibt die Frage: Gibt der europäische Football-Markt aktuell alles Nötige her für eine Franchise-Liga mit Profiplänen? An manchen Standorten, an denen die Teams mitunter die klangvollen Namen aus der NFL-Europe-Zeit tragen, sind die Zuschauerzahlen ordentlich mit steigender Tendenz.
Finalist Rhein Fire aus Düsseldorf ist Spitzenreiter mit einem Zuschauerschnitt von fast 10.000. Auf etwa die Hälfte davon kommen Frankfurt Galaxy, Berlin Thunder, Vienna Vikings oder Paris Musketeers. Die Hamburg Sea Devils trugen ein Spiel werbewirksam im Volksparkstadion aus, zählten dabei 32.500 Zuschauer.
In anderen Städten liegt der Schnitt dagegen rund um die ernüchternde Marke von 1.000 Zuschauern, etwa in Barcelona, Szekesfehervar, Mailand und Prag. Wenn dann noch Sponsoren ausbleiben, wird es eng. Die Istanbul Rams haben schon vor, die Leipzig Kings während der Saison 2023 zurückgezogen.
Die ELF sieht sich immer noch als Start-up
Die TV-Einschaltquoten beim Sender "ProSieben Maxx" stagnieren bei einem durchschnittlichen Marktanteil von rund einem Prozent. Im Social-Media-Bereich verweist die ELF auf die 138.000 Follower des Liga-Kanals bei Instagram - 27.000 mehr als beim Kanal der Deutschen Eishockey Liga DEL.
Die ELF macht nach eigener Aussage noch keinen Gewinn, "was aber eingeplant war in den ersten Jahren des Aufbaus", schreibt die Liga. Sie sei immer noch mit einem Start-up zu vergleichen. Trotz der Probleme mancherorts hält sie an ihrem Plan fest, mittelfristig auf 24 Teams aus etwa 15 Ländern zu wachsen. Madrid werde als nächste Franchise hinzukommen, mit weiteren Interessenten sei man im Austausch.
Gleichzeitig aber gibt es Wackelkandidaten wie die Prague Lions oder die Cologne Centurions, die es nahe den erfolgreichen Teams aus Düsseldorf und Frankfurt wirtschaftlich schwer haben. Die ELF und ihre Franchises müssen mit einem alten Dilemma leben: Begeisterung für die NFL geht nicht automatisch einher mit einem Interesse an deutschem oder europäischem Football.