Weltcup in St. Moritz Ski Alpin: Vonn-Comeback elektrisiert die Speed-Szene
Nach mehr als fünf Jahren kehrt US-Skistar Lindsey Vonn in St. Moritz auf die Weltcup-Bühne zurück. Einen Vorgeschmack auf ihr Leistungsvermögen hat sie bereits gegeben - die Kritiker verstummen deshalb aber nicht.
Unter großem Jubel riss Lindsey Vonn die Skistöcke hoch und setzte ein breites Lächeln auf. Nein, ihr offizielles Comeback in den Weltcup hatte sie noch nicht gegeben - auch wenn es sich an diesem Samstag genau so angefühlt hatte. Vonn war als Vorläuferin vor der Abfahrt in Beaver Creek an den Start gegangen und deutete beinahe ansatzlos an, wozu sie nach mehr als 2.000 Tagen Wettkampfpause nach wie vor imstande ist.
Perfekte Bühne in St. Moritz
Eine offizielle Zeit wurde zwar nicht gemessen, verschiedenen Medienberichten zufolge benötigte Vonn für die berüchtigte "Birds of Prey" aber nur 1:33,16 Minuten - gut 0,80 Sekunden hinter der österreichischen Tagessiegerin Cornelia Hütter. Das Ergebnis hätte an diesem Tag für die Top 10 gereicht. "Wahnsinn", sprudelte es aus Vonn im Anschluss heraus: "Ich freue mich wirklich, zurück zu sein und wieder die Geschwindigkeit im Gesicht zu spüren."
In St. Moritz wird es am Samstag (21.12.2024) nun ernst - sowohl für Vonn als auch für ihre Konkurrentinnen. Ausgerechnet im Nobel-Skiort in der Schweiz wird die mittlerweile 40-jährige US-Amerikanerin vor den Augen der High Society im Super-G (ab 10.25 Uhr im Sportschau-Livestream) ihr erstes Weltcup-Rennen seit 2.162 Tagen bestreiten. Mit im Gepäck: jede Menge Selbstvertrauen und ein künstliches Kniegelenk. Und genau damit scheint sie sich absolut wohl zu fühlen.
Mit dem neuen Knie kommt die Lust zurück
Als Vonn am 10. Februar 2019 offiziell vom Skirennsport zurücktrat, konnte und wollte der Körper einfach nicht mehr. Das ewig lädierte Gelenk im rechten Knie hatte sie in den letzten Jahren ihrer Karriere gequält. Seit einem Kreuzbandriss 2013 habe sie fast jedes Jahr weitere Blessuren erlitten, erinnerte Vonn. "Ich habe es durch alle Verletzungen geschafft, weil ich Skifahren liebe. Keine Verletzung hat mich je zurückgehalten - bis ich letztlich gebrochen war."
Seit Februar trägt sie nun ein künstliches Kniegelenk aus Titan und kann damit offenbar wieder befreit die Pisten hinunterrasen. "Es ist total anders als vorher, das freut mich echt", sagte die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2010. "24 Stunden am Tag Schmerzen" gehören der Vergangenheit an. "Es ist wundervoll. Ich fühle mich stärker als in meinen Mitt- und Spätzwanzigern. Ich weiß, was ich kann, wenn mein Körper mitspielt. Und dieses Titan-Teil funktioniert recht gut."
Kritik lässt Vonn kalt
So groß Vonns Vorfreude auf die Rückkehr in den Weltcup-Zirkus ist, so scharf fällt auch die Kritik an ihrem Comeback aus. Nicht wenige werfen dem polarisierenden US-Star Geltungsdrang und Leichtsinn vor. Schließlich wirken in den Speed-Disziplinen bei Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h enorme Kräfte auf den Körper. Solche Rennen mit einem künstlichen Gelenk anzugehen, gleicht für viele einem Ritt auf der Rasierklinge.
Markus Wasmaier, zweimaliger Olympiasieger 1994 in Lillehammer, sprach von "Verarschung". Der Österreicher Franz Klammer warf Vonn gar einen "Vollschuss" vor. Und auch im aktuellen Weltcup der Frauen dürfte die eine oder andere Athletin die Rückkehr der 82-fachen Weltcup-Siegerin kritisch beäugen. Vonn selbst lässt das kalt. Die kritischen Stimmen überhört sie. Sie habe immer schon polarisiert, "die Leute lieben und hassen mich, ich weiß nicht, warum. Ich bin einfach nur ich."
Zweifel bleiben aber weiterhin. Nicht zuletzt durch das misslungene Comeback von Marcel Hirscher, der nach fünf Jahren Weltcup-Pause ebenfalls in diesem Winter zurückgekehrt war und sich nach drei Rennen im Training das Kreuzband gerissen hatte. Ein solches Szenario schreckt Vonn aber keineswegs ab. Stürze gehören nun mal dazu. "Das war so, als ich 16 war - und ist jetzt so, mit 40. Es kann sein, dass ich stürze, aber so ist das Leben."
Vonn nach Shiffrin-Verletzung im Fokus
Wie konkurrenzfähig Vonn tatsächlich ist, wird sich in St. Moritz zeigen. Sie wird in jedem Fall im Rampenlicht stehen. Vor allem, nachdem mit US-Teamkollegin Mikaela Shiffrin, die dominierende Fahrerinnen der Gegenwart, bis auf Weiteres ausfallen wird. Die Konkurrenz dürfte umso motivierter sein. Allen voran Sofia Goggia, die beim Super-G in Beaver Creek nach achtmonatiger Verletzungspause prompt zum Sieg gefahren war.
Eben dort, wo Vonn als Vorläuferin einen konkurrenzfähigen Eindruck hinterlassen hatte. Dass sie dabei laut eigener Aussage noch nicht "100 Prozent" gegeben hatte, darf getrost als Kampfansage verstanden werden. "Die Zeit dafür sei noch nicht gekommen", meinte die vierfache Gesamtweltcup-Siegerin aus Minnesota nach ihrem umjubelten Auftritt. Vielleicht ist die Zeit schon am Samstag in St. Moritz gekommen.