Abfahrt in Wengen Odermatts Sensationsfahrt durch schweren Kilde-Sturz überschattet
Marco Odermatt hat die Konkurrenz auch bei der zweiten Weltcup-Abfahrt in Wengen in Grund und Boden gefahren. Sein bereits siebter Sieg in diesem Winter wurde allerdings von der nächsten schweren Verletzung überschattet. Die deutschen Fahrer erlebten ein Debakel.
Der Abfahrts-Knoten bei Marco Odermatt ist endgültig geplatzt: Nach seinem Weltcup-Premierensieg am Donnerstag war gegen den Führenden im Gesamtweltcup auch am Samstag (13.01.2024) bei der 94. Ausgabe der legendären Lauberhorn-Abfahrt in Wengen (Schweiz) kein Kraut gewachsen.
Der 26-jährige Lokalmatador zauberte bei traumhaften Bedingungen einen sensationellen Lauf in den Schnee und revanchierte sich für die "Niederlage" am Vortag im Super G gegen Cyprien Sarrazin. Der Franzose wurde dieses Mal Zweiter (+0,59 Sekunden). Dominik Paris aus Italien komplettierte das Podest, hatte aber bereits fast zwei Sekunden Rückstand auf Odermatt.
Keine Brüche bei Kilde
Überschattet wurde die mit 4.270 Metern längste Abfahrt im gesamten Weltcup von einem schweren Sturz Aleksander Aamodt Kildes. Der ohnehin gesundheitlich angeschlagene Norweger rutschte kurz vor dem Ziel-S weg und wurde mit voller Wucht ins Fangnetz geschleudert.
Kilde, der auf der Lauberhorn im Vorjahr triumphiert hatte, musste minutenlang behandelt und anschließend per Hubschrauber abtransportiert werden. Das Rennen wurde für eine halbe Stunde unterbrochen. Eine Diagnose steht zwar noch aus, die Bilder ließen allerdings Schlimmes erahnen. Kilde lag zunächst reglos im Schnee und blutete am rechten Bein, das schließlich abgebunden wurde. Der 21-fache Weltcupsieger hatte in den Tagen zuvor bei der verkürzten Abfahrt und im Super-G in Wengen noch jeweils den dritten Platz belegt.
Vorjahressieger Aleksander Aamodt Kilde stürzte auf der Lauberhornabfahrt schwer.
Doch der Norweger kam glimpflicher davon als zunächst befürchtet. Kilde zog sich am Samstag bei dem Unfall kurz vor dem Ziel eine Schnittwunde in der Wade zu und kugelte sich die Schulter aus, wie der norwegische Verband am Sonntagmorgen bekanntgab.
"Er hat keine Brüche, aber ist verletzt"», sagte Teamarzt Marc Jacob Strauss. Weitere Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden. Kilde selbst postete am Morgen ein Foto vom Krankenbett und schrieb: "Dieser Sport kann brutal sein, aber ich liebe ihn dennoch." Auf dem Bild ist auch seine Freundin Mikaela Shiffrin zu sehen; die beste Skirennfahrerin der Welt bestritt am Wochenende keine Rennen und eilte zu Kilde nach Bern.
Am Donnerstag hatte sich der Schweizer Marco Kohler das Knie mit einem Kreuzbandriss zertrümmert. Am Freitag hatte es dann den Franzosen Alexis Pinturault im Super-G erwischt, der sich nach einem Sturz ebenfalls das Kreuzband gerissen hatte. "Jeder kleine Fehler wird sofort bestraft", brachte es Dominik Paris auf den Punkt.
DSV-Fahrer enttäuschen auf ganzer Linie
Die deutschen Fahrer blieben zwar unversehrt, erlebten aber dennoch ein Debakel und landeten allesamt jenseits der Top 25. Andreas Sander (SG Ennepetal) war als 28. noch bester DSV-Athlet, hatte aber bereits über fünf Sekunden Rückstand im Ziel. Dahinter beendete Luis Vogt (SC Garmisch/+5,40) das Rennen.
Auch Romed Baumann (WSV Kiefersfelden) fuhr seinen Ansprüchen komplett hinterher und zeigte das wohl schwächste Rennen in diesem Winter (+5,42). "Es war die Hölle heute. Die Pause hat mich aus dem Konzept gebracht. Körperlich war ich heute nicht auf der Höhe", lautete das ernüchternde Fazit des 37-jährigen Routiniers.
Dreßens Körper spielt nicht mit
Hinter ihm reihten sich noch Josef Ferstl (SC Hammer e.V./+5,91), Dominik Schwaiger (WSV Königssee/+5,95) und Simon Jocher (SC Garmisch/+6,78) ein, die im Ziel alle den Kopf schüttelten. Noch enttäuschender lief es für Thomas Dreßen (SC Mittenwald), der sich bereits beim Start fast 1,5 Sekunden Rückstand eingehandelt hatte und auch im Anschluss enorm viel Zeit verlor. Nach der Hälfte der Strecke ließ er die Fahrt austrudeln (+11,56), weil sich erneut der Körper meldete.
Schon bei einem Sprung im oberen Abschnitt habe er "gemerkt, dass das Knie wieder nachgibt". Später sei es gewesen, "als wäre ich nur auf einem Haxen gefahren, den rechten Fuß habe ich nicht gespürt", sagte der erfolgreichste deutsche Abfahrer der Weltcup-Geschichte nach seinem letzten Platz voller Enttäuschung dem BR. "Man haut sich voll rein und ich probiere wirklich alles, aber es ist bitter, wenn halt einfach der Körper nicht mehr so mitspielt."
Odermatt wie vom anderen Stern
Welche Tücken die anspruchsvolle Piste hat, wurde schon früh deutlich. Der Schweizer Justin Murisier verlor nach wenigen Metern direkt beim Russisprung die Kontrolle und stürzte. Wie es besser ging, zeigte sein Teamkollege. Denn Odermatt fuhr wieder einmal wie vom anderen Stern: Noch am Start mit leichtem Rückstand zeigte der 26-Jährige im Anschluss sein ganzes Können.
Die ersten beiden Schlüsselstellen mit der Minschkante und der Canadian Corner meisterte er perfekt. Auch das Kernen-S löste Odermatt elegant, ehe er im Anschluss Topspeed aufbaute, den Mittelteil mit gefühlvollen Schwüngen fuhr und seine Sensationsfahrt souverän ins Ziel brachte.
Sarrazin müht sich vergebens
Hatte Sarrazin im Super-G am Vortag Odermatt noch in die Schranken gewiesen, musste sich der Franzose dieses Mal geschlagen geben. Beim Start noch schneller als sein Konkurrent, verpasste er im Mittelteil die Ideallinie und rutschte einige Male leicht weg. Im unteren Teil der Strecke konnte Sarrazin zwar noch etwas aufholen, am Ende landete er aber mit über einer halben Sekunde hinter dem Tagessieger.
Auch dahinter biss sich die Konkurrenz reihenweise die Zähne aus und kam nicht einmal ansatzweise an die phänomenale Zeit Odermatts heran. Zum Vergleich: Der kanadische Weltmeister im Super-G, James Crawford, kam mit satten 4,40 Sekunden Rückstand ins Ziel. Zudem mieden zahlreiche Athleten nach Kildes Sturz das Risiko. Dennoch schied am Ende fast ein Dutzend der Fahrer nach Stürzen aus.