Bob-Weltcup Teurer Spaß auf noch teureren Bahnen
Der Ausfall in China, das Politikum in Italien, verrottende Bahnen: Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte betreibt einen kostspieligen und komplizierten Sport.
Zweierbob-Olympiasiegerin Laura Nolte startet am Samstag (09.02.2023) in La Plagne in die Weltcup-Saison - mit Verspätung. Ursprünglich wollte sie schon Mitte November in China starten, doch der Frauen-Weltcup auf dem außergewöhnlich teuren Olympia-Eiskanal von Yanqing fiel aus. Zu wenige Teams konnten oder wollten sich die teure Anreise leisten. Es war eine absehbare Blamage und die Folge eines ausufernden Gigantismus seitens des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Sotschi 2014, Pyeongchang 2018, Peking 2022 - drei Mal in Folge gastierten die Winterspiele an Orten, an denen sehr viele Wettkampfstätten neu gebaut werden mussten. Drei Mal in Folge wurden moderne Eiskanäle gebaut für Rodeln, Skeleton und Bobsport, mit viel Geld und viel Beton.
Außergewöhnlich teure Bahn
Laura Nolte kennt die neuen Bahnen in Russland und Südkorea aber nur aus dem Fernsehen, weil beide im Weltcupkalender fehlen. In Peking sollte es besser werden, zumal das dortige pompöse Sliding Center mit 500 Millionen Euro Baukosten rund fünf Mal teurer war als andere moderne Bahnen - Kritiker summieren die Gesamtkosten gar auf 2,5 Milliarden Euro.
Der Internationalen Bob- und Skeletonverband IBSF gab eine Absichtserklärung ab, mindestens fünf Jahre in Folge internationale Rennen in Peking auszurichten. Doch nun erscheint der Plan ambitioniert nach dem geringen Teilnehmerfeld bei den Bob-Männern und der Absage bei den Frauen.
Peking wollte Kosten teilweise übernehmen
"Ich glaube, man hat es schon geahnt", sagte Nolte Mitte November im Sportschau-Interview. "Deswegen ist Peking einem auch schon entgegengekommen, wollte einige Kosten übernehmen. Sie haben die Hotelkosten bezuschusst und ich glaube die Transportkosten auch. Trotzdem bleibt noch ein Batzen an Geld übrig."
Peking hat das gleiche Problem wie Sotschi und Pyeongchang: Weit und breit sind keine weiteren Eiskanäle vorhanden, die ausländischen Bob-Teams müssten also nur für ein einziges Rennen anfliegen. Das lohne sich oft nicht, sagt Nolte, und spricht von einem "extremen Aufwand".
10.000 Euro Frachtkosten pro Bob
Weil jeweils zwei Disziplinen anstehen - Mono und Zweier bei den Frauen, Zweier und Vierer bei den Männern - brauche es pro Team zwei Bobs, sagt Nolte. "Die rüberzufliegen kostet pro Kiste pro Bob knapp 10.000 Euro. Dann kommen noch die Flugkosten für die Personen hinzu, die Hotelkosten und so weiter - das ist natürlich dann extrem teuer." Zusätzlich zu den Fahrern und Anschiebern, drei bei den Frauen und fünf bei den Männern, reisten im Idealfall Trainer, Physiotherapeuten und Ärzte mit.
Vor diesem Hintergrund lassen einige Teams auch den Nordamerika-Abstecher aus, obwohl dort meist zwei oder drei Weltcups in Folge ausgetragen werden. Jenseits der Weltspitze und ohne große Werbeverträge sind solche Reisen umso schwieriger zu finanzieren.
Eiskanal auch problematisch bei Mailand-Cortina 2026
So bleibt Europa das Zentrum des Bobsports und nach drei Asien-Abstechern in Folge kehren 2026 auch die Olympischen Winterspiele nach Europa zurück, nach Mailand und Cortina d’Ampezzo in Italien. Doch auch dort sorgen die Eiskanal-Wettbewerbe für Negativschlagzeilen.
Italien hatte sich mit einer neuen Bahn in Cortina beworben, den Neubau aber im November abgesagt, weil kein Unternehmen für die ausgeschriebenen 80 Millionen Euro bauen wollte. Stattdessen wolle man ins Ausland auf eine bestehende Bahn ausweichen.
Mahnendes Beispiel Turin 2006
Nolte reagierte enttäuscht auf die Entscheidung. "Gerade in Italien wäre es eine nachhaltige Bahn geworden, die man in den nächsten Jahren super hätte einbinden können in den Weltcup und den Europacup. Die italienischen Nachwuchsfahrer, von denen es in Bob und Skeleton und Rodeln einige gibt, hätten eine Heimbahn gehabt - das ist echt schade."
Allerdings ist eine erfolgreiche Nachnutzung der Bahn nicht garantiert, das zeigt sich beim Blick in Italiens Nordwesten. Dort rottet in Cesana bei Turin der Olympia-Eiskanal von 2006 vor sich hin. Er wurde 2011 stillgelegt wegen der hohen Betriebskosten von zwei Millionen Euro pro Jahr. Auch die einstige WM-Bahn in Breuil-Cervinia wurde 1991 aufgegeben wegen hoher Sanierungskosten.
Bahnrekord für Deutschland
Trotzdem forcieren Teile der italienischen Regierung nun doch wieder einen Neubau in Cortina. Am Dienstag teilte das Verkehrsministerium mit, es wolle einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten.
Dass es mit politischem Willen und entsprechender Förderung möglich ist, Bobbahnen zu betreiben, zeigt das Beispiel Deutschland. Auf dem Bundesgebiet stehen gleich vier Weltcup-Eiskanäle, mehr als in jedem anderen Land und vielleicht auch mehr als genug. Trotzdem soll die durch ein Unwetter stark beschädigte Bahn in Königssee wieder aufgebaut werden - für rund 60 Millionen Euro aus Steuermitteln.
La Plagne als Vorbild?
Auch Frankreich könnte ein Vorbild für Italien sein. Dort steht in La Plagne seit den Winterspielen von 1992 ein Eiskanal, der nun auch für die Spiele 2030 eingeplant ist, wenn Frankreich aller Voraussicht nach erneut Ausrichter wird. La Plagne ist zudem immer wieder Teil des internationalen Rennkalenders, so wie jetzt am Wochenende.
Laura Nolte und Co. werden dann froh sein, dass es dann zumindest für ein paar Tage weniger um Politik und Kosten geht, sondern vor allem um Weltcuppunkte.