
Jeanmonnot stürzt und verzichtet auf Protest Drama pur auf der letzten Runde - Preuß ist die neue Biathlon-Königin
Dieses Biathlon-Finale wird keiner vergessen! Im letzten Rennen der Saison eroberte Franziska Preuß das Gelbe Trikot von ihrer Dauerrivalin Lou Jeanmonnot zurück. Die Ausgangslage war schon so dramatisch, spitzte sich aber zu, als die beiden Überfliegerinnen nach dem letzten Schießen gemeinsam im Massenstart auf die Schlussrunde gingen.
Dort stürzte Jeanmonnot, weil sie den Stock zwischen die Beine bekam. Die Tür für Preuß war endgültig offen. Die 31-Jährige fuhr als Siegerin des Massenstart-Rennens ins Ziel und damit zum Gesamtsieg. Preuß verzichtete aber zunächst auf den großen Jubel. "Es war blöd, es so zu gewinnen. Ich hätte es lieber auf der Zielgeraden ausgetragen", sagte Preuß im Sportschau-Interview nach dem wohl dramatischsten Finale um den Gesamtsieg in der Biathlon-Geschichte.
Frankreich zieht Protest schnell zurück
Frankreich legte unmittelbar nach dem Rennen Protest ein, zog selbigen aber nach der Prüfung der TV-Bilder wieder zurück. DSV-Sportdirektor Felix Bitterling zweifelte keine Sekunde an Preuß` Sieg: "Ich stand einen Meter daneben. Es war eine Wettkampf-Situation. Schade, dass es so entschieden worden ist. Es war aber kein Verschulden von der Franzi."
Mit etwas Verspätung konnte Preuß auch jubeln, sie wurde mit Sektduschen überschüttet, wirkte im Sportschau-Interview aber immer noch angefasst: "Ich habe sie gleich gefragt, ob da was unfair war. Sie hat von Anfang an gesagt, da war nichts unfair", schilderte Preuß die Momente nach dem Rennen, in denen bei ihr und Jeanmonnot die Tränen flossen. Preuß war nach dem Zieleinlauf direkt zu ihrer am Boden trauernden Kontrahentin gelaufen.
"Es war mein eigener Fehler", sagte die Geschlagene später am Sportschau-Mikrofon. "Ich dachte, ich war in Führung, hab genügend Platz auf der Innenbahn und wollte die Kurve eng nehmen. Ich habe mir den Stock selbst darauf gestellt. Natürlich hat sie die Tür etwas geschlossen, aber es war alles in Ordnung", so Jeanmonnot mit Tränen in den Augen.
Preuß und Jeanmonnot hatten sich über die gesamte Saison einen unfassbaren Zweikampf geliefert - oder wie es Preuß sagte: "Es war ein kranker Kampf über die gesamte Saison zwischen uns beiden. Und wenn man dann auch noch zusammen auf die Schlussrunde geht, Wahnsinn."
Preuß mit dem besseren Start
Die Ausgangslage nach dem bitteren Rückschlag im Verfolger am Samstag war simpel: Preuß - nun plötzlich Jägerin - musste für ihren großen Traum auf jeden Fall vor Jeanmonnot ins Ziel kommen und fünf Punkte Rückstand aufholen. So weit, so klar.
Für zusätzliche Motivation sorgte die Preuß-Bilanz im Massenstart: In drei von fünf Rennen lief die Bayerin in dieser Saison auf das Podest. Preuß kann also Massenstart und das zeigte sie bei der wilden Hatz schon im ersten Anschlag. Es wimmelte am Schießstand, aber Preuß blieb ganz ruhig - zumindest äußerlich. Anscheinend locker räumte sie alle Scheiben ab. Und Jeanmonnot? Die traf vier Mal, die fünfte Scheibe blieb aber stehen.
Jeanmonnot schiebt sich stehend an die Spitze
Während Preuß als Dritte auf die zweite Runde ging, fiel die 26-jährige Französin nach einer Strafrunde auf den 17. Rang zurück - 25 Sekunden hinter Preuß, die nun einen kleinen psychologischen Vorteil hatte. Auf der Strecke musste Jeanmonnot investieren, bis zur zweiten Schießprüfung verkürzte sie den Rückstand auf 13 Sekunden. Im zweiten Liegendanschlag trafen Preuß und Jeanmonnot alles. Preuß jagte als Zweite hinter Hanna Öberg (+3,8 Sekunden) her, dahinter klaffte eine Lücke von acht Sekunden auf Jeanmonnot.
Bis zum ersten Stehendanschlag baute Preuß ihren Vorsprung leicht auf 14 Sekunden aus. Doch wie gewonnen, so zerronnen: Preuß musste nach dem ersten Stehendanschlag einmal in die Runde, Jeanmonnot traf alles und übernahm die Führung. 9,7 Sekunden vor Preuß ging die Frau in Gelb auf die Strecke zurück. Zwischen die beiden Dauerrivalinnen schob sich noch Öberg.
Preuß und Jeanmonnot synchron im letzten Schießen
Auf der Strecke schob sich das Spitzentrio dicht beisammen. Nahezu zeitgleich kamen die beiden Überfliegerinnen zum letzten Schießen. Und wieder trafen Preuß und Jeanmonnot nahezu synchron alle Scheiben. Ein irrer Krimi. Besser hätte keiner dieses Drehbuch schreiben können.
Preuß und Jeanmonnot liefen allein an der Spitze um den Tagessieg, vor allem aber um den Sieg im Gesamtweltcup. Preuß lauerte hinter Jeanmonnot, keine der beiden Athletinnen drückte aufs Tempo, um Körner für den entscheidenden Angriff oder Schlussspurt zu zu sparen. Weil beide bummelten, schob sich Öberg heran und mittenrein ins Duell der Rivalinnen.
Preuß gewinnt den Thriller
Öberg übernahm die Führung, dahinter biss sich Preuß an Jeanmonnot heran. Dann die entscheidende Szene, in der Jeanmonnot eine Kurve sehr eng nahm und über ihren Stock stolperte. Preuß überstand die Situation unbeschadet, nachdem die beiden Topathletinnen vorher im Anstieg Öberg abgehängt hatten, und lief ihrem großen Triumph entgegen. Neben dem Gesamtweltcup gewann sie auch die kleine Kristallkugel im Massenstart, nachdem sie schon im Sprint die Trägerin des Roten Trikots war. "Ich bin schon ganz schön platt und habe den Trainern gesagt, dass ich jetzt etwas länger Urlaub brauche", sagte Preuß, die es mit Freund und Ex-Biathlet Simon Schempp nach Thailand zieht. "Da kennt keiner Biathlon", freut sich Preuß darauf, einfach mal abzuschalten.
Was bei dem ganzen Drama unterging, aber an dieser Stelle erwähnt werden soll: Selina Grotian beendete eine starke Saison als 21. und verteidigte damit auch ihren neunten Platz in der Gesamtwertung.